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Als wir endlich unseren Kindergartenplatz bekamen, wollte Ma beruflich noch mal voll durchstarten. Weil sich die Jobsuche aber schwieriger gestaltete als gedacht, fing meine Mama notgedrungen an, bei einem Nachbarspaar zu putzen, um die Haushaltskasse aufzubessern und uns mit �ber Wasser zu halten. Die Arbeit war erniedrigend, und ich sp�rte, wie unwohl sich meine Mutter damit f�hlte, in das fremde gro�e Haus zu gehen, um anderer Leute Klos sauber zu machen. Trotzdem nahm sie ihre Arbeit ernst und reinigte jeden Raum ordentlich und gewissenhaft. Einen Putzfimmel hatte meine Ma schon immer. An besonderen Tagen oder wenn der Kindergarten mal geschlossen war, durften Tom und ich sie begleiten. Das Haus war viel moderner und gr��er als unseres, aber irgendwie kalt und trotz der hohen W�nde und vielen Fenster dunkel. Eine beklemmende Stille und eine subtile Traurigkeit waberten durch die Luft. Merkw�rdigerweise hatten die Kinder eine Art Turnraum mit gro�er Sportmatratze und Kletterwand, wie in einer Schule. Meiner Ma war das ganz lieb, denn so konnten wir uns stundenlang auspowern, ohne sie bei der Arbeit zu beobachten. Wir haben nie genau besprochen, was sie eigentlich bei dieser Familie im Haus tat. Sie sagte immer nur zu uns, sie helfe einem Freund, und wir sollten uns ja benehmen und nichts kaputt machen, w�hrend wir hier sind. Aber wir merkten, wie schwer ihr der Gang zum Putzjob fiel, denn sie war ungew�hnlich leise an diesen Tagen. Um sie nicht noch trauriger zu machen, hielten wir uns meistens an die Regeln, anders als im Kindergarten!
Im Kindergarten verbrachten Tom und ich unsere Zeit nur zu gerne au�erhalb der Sandk�sten im verbotenen Bereich: der angrenzenden Schule. Wir hingen mit den Viertkl�sslern ab und rauften uns in den Schulg�ngen mit den �lteren Jungs. Was hier passierte, war viel spannender, als im abgelegenen Kindergarten mit einer Gruppe zur�ckgebliebener Kleinkinder Mobiles zu basteln oder mit Wachsmalstiften zu malen. Das war nicht unsere Liga, im Gegensatz zu den coolen Viertkl�sslern. Wenn wir nicht gerade die Schulkinder �rgerten oder mit ein paar M�dchen in einem der abgelegenen Holzh�uschen Mutter-Vater-Kind spielten und gegenseitig unsere Genitalien untersuchten, verbrachten wir die meiste Zeit in der Kuschelecke zwischen mit Popeln beschmierten Kissen und Kuscheltieren, um an unserer gemeinsamen Freundin Saskia rumzuspielen. Saskia war ein etwas pummeliges M�dchen, das reifer wirkte als die anderen, sie trug eine Brille mit einseitig zugeklebtem Brillenglas. Ja, wir waren ziemlich fr�hreif. Es war aufregend, verboten und unglaublich spannend. Aus ihrer Hose schwallte immer ein Ungewaschener-Muschi-Geruch. Ein bisschen s��lich, abgestanden, vermischt mit Urin. Wenn wir dann zu dritt aus dem Kuscheltierfriedhof auftauchten, hatte ich jedes Mal das Gef�hl, mein T- Shirt h�tte diesen Geruch aufgesaugt, und ich bef�rchtete, andere Kinder k�nnten denken, ich w�rde eventuell noch in die Hose machen. Unvorstellbar, denn Sauberkeit wurde bei uns schon immer ganz gro�geschrieben, und Tom und ich waren sehr stolz darauf, fr�her als all die anderen Kinder trocken zu sein, ganz ohne Windeln auszukommen und keine peinlichen F�kalunf�lle beichten zu m�ssen.
Wenn uns Mama gut gelaunt am Nachmittag aus dem Kindergarten abholte, machten wir oft noch einen kleinen Halt am Penny-Markt direkt gegen�ber. Vorausgesetzt nat�rlich, sie wurde nicht noch mal hineingebeten, um in einem der Hinterzimmer von den Erziehern zu
erfahren, wie unerzogen und nicht altersgerecht die b�sen Zwillinge sich heute wieder verhalten hatten, was ungef�hr jeden zweiten Tag passierte. Im
�Konsum� gab es diese kleinen Sonderangebotstische mit Kram und billigem Spielzeug, die ich liebte. Wenn die Ersparnisse es zulie�en, durften wir uns eine Kleinigkeit aussuchen. Tom entschied sich f�r Wasserspritzpistolen, ich nahm das Puppenbuch mit den Papierkleidchen zum Ausschneiden, die man dann den Pappm�dchen mit einer Falttechnik anziehen konnte. Dann sprangen wir gl�cklich in den kleinen rotgelben Zeltwagen, den man am Fahrrad befestigen konnte, und lie�en uns von Mama nach Hause kutschieren. Vorbei an den bunt bl�henden B�umen und den Weidenk�tzchen, um den Rest des Tages unbeschwert zu Hause zu genie�en. Endlich keine laufenden Rotznasen, anstrengende Erzieher oder m�ffelnde Saskias mehr.
Unser Kinderzimmer war reinlich und organisiert. Genau deshalb verh�ngte Tom eines Tages meiner Freundin Debbie Lou Hausverbot. Er beschwerte sich bei Mama, dass sie immer ein furchtbares Chaos in unserem Zimmer verbreitete und er keine Lust mehr habe, hinterher alles wieder aufzur�umen. Denn bevor nicht das letzte Hot-Wheels-Matchbox- Auto wieder in der daf�r vorgesehenen Kiste verstaut war, konnten wir unm�glich ins Bett gehen und ruhig schlafen. Alles hatte seinen Platz! Ordnung musste sein! Debbie Lou war ein selbstbewusster, frecher Unruhestifter, und ich verstand mich auf Anhieb gut mit ihr. Es kam nicht oft vor, dass wir unterschiedliche Freunde hatten, au�er die M�dchen waren gut aussehend, aber nicht sonderlich an Tom interessiert � das kr�nkte ihn immer etwas, und er verschm�hte sie emp�rt. Debbie Lou und ich teilten jedoch, anders als Tom, die Leidenschaft f�r die Prinzessinnenecke im Kindergarten. Wir schl�pften in pinke Tutus und zankten uns dar�ber, wer denn nun wirklich das h�bscheste Prinzesschen im ganzen Land sei. Diese
Rolle stand mir immer gut, und deswegen lief ich meiner Meinung nach schon damals ganz klar au�er Konkurrenz! Schon allein, weil es wenig m�nnliche Prinzessinnen gab.
Im Verkleiden konnte man mir ohnehin nie etwas vormachen. Ich genoss es, meine Freundinnen mit Plastikkr�nchen und Perlenhalsketten aufzuh�bschen, um dann kleine Modenschauen zu veranstalten oder mit Babypuppen und Barbies zu spielen. Tom schmollte dann immer ein bisschen und ging demonstrativ mit seinen Kumpels Ritter spielen. Irgendwo mussten wir ja unsere unterschiedlichen Geschm�cker ausleben, auch wenn Mama uns zu dieser Zeit noch � zwillingstypisch � exakt gleich stylte. Kurzhaarschnitt mit Pony, kleine blaue Jeanshosen und winzige Pullover mit unserem Namen auf die Brust gestickt � damit man uns auch auseinanderhalten konnte. Selbstverst�ndlich tauschten wir die Pullover regelm��ig heimlich durch, und so konnte ich mal einen Tag lang Tom sein und umgekehrt.
Meine Leidenschaft f�r Spielzeug, Baby- und Barbiepuppen teilte neben meiner Freundin Debbie Lou aus der Prinzessinnenecke nur mein Freund Noah. Er kam aus einer dieser schrecklich alternativen Familien mit Komposthaufen im Garten und einem nicht zu leugnenden und strengen Familiengeruch. Sie wohnten zusammen mit der Gro�tante, die jeden Tag ihr Brot selbst backte und es dann in der Nachbarschaft vertickte, in einem Reihenhaus. Aus heutiger Sicht klingt frisch gebackenes Schwarzbrot ja geil, und ich h�tte jetzt zu gern ein St�ck mit fett Butter drauf, aber als Kind fand ich die alte Frau so derma�en gruselig, dass ich auf keinen Fall von ihrem Brot kosten wollte. Sie trug diese grausamen Bergsteiger- Klettverschluss-Sandaletten mit dicker Gummisohle und lila verziertem Stickmuster, die f�r mich bis heute der schlimmste Fashion-Fauxpas des Jahrtausends sind. Ihre verrunkelten alten Zehen ragten in alle Richtungen
�ber die dicke Sohle aus den Sandalen, sodass sie beim Gehen durch den Dreck ratschten � wie eine alte Kr�he.
Alternativ durch und durch, besa� Noah nat�rlich nur wenige echte Spielsachen und wurde von seiner Mutter immer dazu angehalten, kreativ zu sein und sich mit all den tollen Sachen aus der Natur zu besch�ftigen oder sich selbst ein Spielzeug zu basteln. Ugh! Diese Kinder taten mir immer leid. Nat�rlich will man gerne etwas Richtiges aus dem Spielzeugladen und die coolen Elektro-Autos aus der Werbung. Wer will schon den ganzen Tag im selbst gebauten Tipi im Garten sitzen und aus Kastanien und Zahnstochern kleine M�nnchen bauen, anstatt mit Lego zu spielen. Noah war anders als die anderen Kinder, aber genau wie ich trug er eines seiner einzigen �echten� Spielzeuge gerne nachmittags durch die Nachbarschaft: eine Babypuppe! Seine war wesentlich nachhaltiger und bestimmt �fair trade�. Sie wirkte mit ihrem gef�tterten Stoffk�rper und handbemalten Gesicht auch rustikaler als meine kommerzielle Plastikpuppe, die sogar pinkeln und schei�en konnte, wenn man ihr den beiliegenden Brei in den Mund stopfte. Ich fand toll, wie selbstbewusst Noah mit mir �Vater-Vater-Kind� spielte und wie wir nachmittags ganz ungeniert mit unseren Babys im Arm durch die Stra�en bummelten. Es war uns egal, was uns die anderen Kids aus der Spielstra�e Gemeines hinterherriefen. Wir waren eben besonders, nat�rlich, genau wie unsere Vornamen.
Abgesehen von meinem Plastikbaby habe ich es sowieso geliebt,
�Haushalt� zu spielen. Ich hatte alles, was eine richtige Hausfrau halt so braucht: eine kleine Minik�che mit Backofen, B�gelbrett und W�schest�nder, Spielstaubsauger mit aufsaugbaren Perlen und nat�rlich Mopp und Staubwedel, damit ich mit Mama immer sch�n die Hausarbeit schmei�en konnte. Ich klappte dann mein Miniatur-B�gelbrett genau neben
Mamas auf und b�gelte stundenlang mit meinem Spielb�geleisen. W�hrend ich die Zeit mit Ma daheim verbrachte und meinen Barbies neue Frisuren verpasste, liebte Tom es, seine kleinen Handwerkerhandschuhe, die Papa ihm mitgebracht hatte, �berzust�lpen und in Latzhose und Helm mit ihm zusammen im Lkw auf Bauarbeiter zu machen. Absoluter Oberhorror f�r mich. Nur ganz widerwillig tauschte auch ich manchmal meinen Frotteebademantel gegen die Handwerkerkluft, weil ich mir w�nschte, dass unser Vater auch mich stolz neben Tom durch den Betrieb f�hrte.
W�hrend Debbie Lou und ich im Kindergarten kr�ftig damit besch�ftigt waren, mehr Glamour und Glitzer aus der Prinzessinnenecke unter die anderen Kinder zu bringen, bandelte Tom schlie�lich mit seiner ersten Freundin Nancy an. Sie war genau das kleine P�ppchen, das ihm gut gefiel. Mit ihren blonden Z�pfen und niedlicher kleiner Stupsnase dackelte sie ihm meist schweigend auf Schritt und Tritt hinterher. Tom stand schon damals auf Groupies, ich auf freche M�dchen. Als wir eines Sonntagmorgens einen Familienausflug mit den Fahrr�dern an den Waldsee machten, durfte Nancy uns begleiten. Selbstverst�ndlich waren auch wir noch keine Profis auf unseren Fahrr�dern und ebenfalls noch etwas wackelig. Doch als Nancy geradewegs in den Busch vor ihr rauschte, weil sie Tom mit offenem Mund anhimmelte, verlor ich endg�ltig jegliches Interesse an ihr! Tom leider auch. Kein Kr�nchen f�r Nancy! Mein Vater sammelte die Kleine samt Fahrrad aus dem Busch, pfl�ckte etwas Gestr�pp aus ihren Z�pfchen und redete streng auf sie ein. Nancy traute sich nicht mal zu weinen.
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