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1
00:02:16,220 --> 00:02:20,680
Ihr beiden, die ihr mir so oft,
In Not und Trübsal, beigestanden,
2
00:02:20,720 --> 00:02:24,770
Sagt, was ihr wohl in deutschen Landen
Von unsrer Unternehmung hofft?
3
00:02:24,810 --> 00:02:28,440
Ich wünschte sehr der Menge zu behagen,
Besonders weil sie lebt und leben läßt.
4
00:02:28,480 --> 00:02:33,640
Die Pfosten sind, die Bretter aufgeschlagen,
Und jedermann erwartet sich ein Fest.
5
00:02:33,880 --> 00:02:39,200
Wie machen wir's, daß alles frisch und neu
Und mit Bedeutung auch gefällig sei?
6
00:02:39,450 --> 00:02:43,000
Denn freilich mag ich gern die Menge sehen,
Wenn sich der Strom nach unsrer Bude drängt,
7
00:02:43,040 --> 00:02:47,060
Bei hellem Tage, schon vor vieren,
Mit Stößen sich bis an die Kasse ficht
8
00:02:47,100 --> 00:02:53,000
Und, wie in Hungersnot um Brot an Bäckertüren,
Um ein Billet sich fast die Hälse bricht.
9
00:02:53,040 --> 00:02:57,790
Dies Wunder wirkt auf so verschiedne Leute
Der Dichter nur; mein Freund, o tu es heute!
10
00:02:57,830 --> 00:03:01,410
O sprich mir nicht von jener bunten Menge,
Bei deren Anblick uns der Geist entflieht.
11
00:03:01,450 --> 00:03:05,310
Nein, führe mich zur stillen Himmelsenge,
Wo nur dem Dichter reine Freude blüht;
12
00:03:05,350 --> 00:03:08,910
Ach! was in tiefer Brust uns da entsprungen,
Was sich die Lippe schüchtern vorgelallt,
13
00:03:08,950 --> 00:03:13,570
Mißraten jetzt und jetzt vielleicht gelungen,
Verschlingt des wilden Augenblicks Gewalt.
14
00:03:13,610 --> 00:03:17,170
Oft, wenn es erst durch Jahre durchgedrungen,
Erscheint es in vollendeter Gestalt.
15
00:03:17,210 --> 00:03:21,900
Was glänzt, ist für den Augenblick geboren,
Das Echte bleibt der Nachwelt unverloren.
16
00:03:21,940 --> 00:03:26,480
Wenn ich nur nichts von Nachwelt hören sollte.
Gesetzt, daß ich von Nachwelt reden wollte,
17
00:03:26,520 --> 00:03:30,280
Wer machte denn der Mitwelt Spaß?
Den will sie doch und soll ihn haben.
18
00:03:30,320 --> 00:03:33,360
Drum seid nur brav und zeigt euch musterhaft,
19
00:03:33,400 --> 00:03:38,710
Laßt Phantasie, mit allen ihren Chören,
Vernunft, Verstand, Empfindung, Leidenschaft,
20
00:03:38,750 --> 00:03:42,340
Doch, merkt euch wohl! nicht ohne Narrheit hören.
21
00:03:42,480 --> 00:03:46,580
Besonders aber laßt genug geschehn!
Man kommt zu schaun, man will am liebsten sehn.
22
00:03:46,620 --> 00:03:50,360
Die Masse könnt Ihr nur durch Masse zwingen,
Ein jeder sucht sich endlich selbst was aus.
23
00:03:50,400 --> 00:03:55,070
Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen;
Und jeder geht zufrieden aus dem Haus.
24
00:03:55,210 --> 00:03:58,120
Gebt Ihr ein Stück, so gebt es gleich in Stücken!
25
00:03:58,160 --> 00:04:03,340
Solch ein Ragout, es muß Euch glücken;
Leicht ist es vorgelegt, so leicht als ausgedacht.
26
00:04:03,380 --> 00:04:07,130
Was hilft's, wenn Ihr ein Ganzes dargebracht?
Das Publikum wird es Euch doch zerpflücken.
27
00:04:07,170 --> 00:04:10,610
Ihr fühlet nicht, wie schlecht ein solches Handwerk sei!
Wie wenig das dem echten Künstler zieme!
28
00:04:10,650 --> 00:04:13,120
Der saubern Herren Pfuscherei
Ist. merk ich. schon bei Euch Maxime.
29
00:04:13,160 --> 00:04:16,840
Ein solcher Vorwurf läßt mich ungekränkt:
Ein Mann, der recht zu wirken denkt,
30
00:04:16,880 --> 00:04:21,520
Muß auf das beste Werkzeug halten.
Bedenkt, Ihr habet weiches Holz zu spalten,
31
00:04:21,660 --> 00:04:24,930
Und seht nur hin, für wen Ihr schreibt!
Wenn diesen Langeweile treibt,
32
00:04:24,970 --> 00:04:27,320
Kommt jener satt vom übertischten Mahle,
33
00:04:27,360 --> 00:04:31,570
Und, was das Allerschlimmste bleibt,
Gar mancher kommt vom Lesen der Journale.
34
00:04:31,610 --> 00:04:36,890
Man eilt zerstreut zu uns, wie zu den Maskenfesten,
Und Neugier nur beflügelt jeden Schritt;
35
00:04:37,030 --> 00:04:41,490
Die Damen geben sich und ihren Putz zum besten
Und spielen ohne Gage mit.
36
00:04:41,530 --> 00:04:45,740
Ich sag Euch, gebt nur mehr und immer, immer mehr,
So könnt Ihr Euch vom Ziele nie verirren
37
00:04:45,780 --> 00:04:49,520
Sucht nur die Menschen zu verwirren,
Sie zu befriedigen, ist schwer
38
00:04:49,560 --> 00:04:53,080
Geh hin und such dir einen andern Knecht!
Der Dichter sollte wohl das höchste Recht,
39
00:04:53,120 --> 00:04:56,560
Das Menschenrecht, das ihm Natur vergönnt,
Um deinetwillen freventlich verscherzen!
40
00:04:56,600 --> 00:04:59,360
Wodurch bewegt er alle Herzen?
Wodurch besiegt er jedes Element?
41
00:04:59,400 --> 00:05:03,310
Ist es der Einklang nicht, der aus dem Busen dringt,
Und in sein Herz die Welt zurücke schlingt?
42
00:05:03,350 --> 00:05:06,850
Wer flicht die unbedeutend grünen Blätter
Zum Ehrenkranz Verdiensten jeder Art?
43
00:05:06,890 --> 00:05:11,290
Wer sichert den Olymp? vereinet Götter?
Des Menschen Kraft, im Dichter offenbart.
44
00:05:11,330 --> 00:05:15,130
So braucht sie denn, die schönen Kräfte
Und treibt die dichtrischen Geschäfte
45
00:05:15,170 --> 00:05:19,510
Wie man ein Liebesabenteuer treibt.
Zufällig naht man sich, man fühlt, man bleibt
46
00:05:19,550 --> 00:05:23,700
Und nach und nach wird man verflochten;
Es wächst das Glück, dann wird es angefochten
47
00:05:23,740 --> 00:05:28,490
Man ist entzückt, nun kommt der Schmerz heran,
Und eh man sich's versieht, ist's eben ein Roman.
48
00:05:28,530 --> 00:05:32,540
Laßt uns auch so ein Schauspiel geben!
Greift nur hinein ins volle Menschenleben!
49
00:05:32,580 --> 00:05:37,730
Ein jeder lebt's, nicht vielen ist's bekannt,
Und wo ihr's packt, da ist's interessant.
50
00:05:37,770 --> 00:05:42,960
In bunten Bildern wenig Klarheit,
Viel Irrtum und ein Fünkchen Wahrheit,
51
00:05:43,000 --> 00:05:46,450
So wird der beste Trank gebraut,
Der alle Welt erquickt und auferbaut.
52
00:05:46,490 --> 00:05:50,800
Der Worte sind genug gewechselt,
Laßt mich auch endlich Taten sehn!
53
00:05:50,840 --> 00:05:53,920
Indes ihr Komplimente drechselt,
Kann etwas Nützliches geschehn.
54
00:05:53,960 --> 00:05:58,020
Was hilft es, viel von Stimmung reden?
Dem Zaudernden erscheint sie nie.
55
00:05:58,060 --> 00:06:01,220
Gebt ihr euch einmal für Poeten,
So kommandiert die Poesie.
56
00:06:01,260 --> 00:06:04,600
Ihr wißt, auf unsern deutschen Bühnen
Probiert ein jeder, was er mag;
57
00:06:04,640 --> 00:06:08,020
Drum schonet mir an diesem Tag
Prospekte nicht und nicht Maschinen.
58
00:06:08,060 --> 00:06:12,520
Gebraucht das groß, und kleine Himmelslicht,
Die Sterne dürfet ihr verschwenden;
59
00:06:12,560 --> 00:06:16,990
An Wasser, Feuer, Felsenwänden,
An Tier und Vögeln fehlt es nicht.
60
00:06:17,030 --> 00:06:23,590
So schreitet in dem engen Bretterhaus
Den ganzen Kreis der Schöpfung aus,
61
00:06:24,120 --> 00:06:28,030
Und wandelt mit bedächt'ger Schnelle
62
00:06:28,170 --> 00:06:31,890
Vom Himmel durch die Welt zur Hölle.
63
00:06:44,700 --> 00:06:50,040
Die Sonne tönt, nach alter Weise,
In Brudersphären Wettgesang,
64
00:06:50,080 --> 00:06:54,440
Und ihre vorgeschriebne Reise
Vollendet sie mit Donnergang.
65
00:06:54,480 --> 00:06:59,450
Ihr Anblick gibt den Engeln Stärke,
Wenn keiner Sie ergründen mag;
66
00:06:59,490 --> 00:07:04,530
die unbegreiflich hohen Werke
Sind herrlich wie am ersten Tag.
67
00:07:04,570 --> 00:07:09,530
Und schnell und unbegreiflich schnelle
Dreht sich umher der Erde Pracht;
68
00:07:09,570 --> 00:07:14,280
Es wechselt Paradieseshelle
Mit tiefer, schauervoller Nacht.
69
00:07:14,320 --> 00:07:19,680
Es schäumt das Meer in breiten Flüssen
Am tiefen Grund der Felsen auf,
70
00:07:19,720 --> 00:07:24,360
Und Fels und Meer wird fortgerissen
Im ewig schnellem Sphärenlauf.
71
00:07:24,400 --> 00:07:29,590
Und Stürme brausen um die Wette
Vom Meer aufs Land, vom Land aufs Meer,
72
00:07:29,630 --> 00:07:34,310
und bilden wütend eine Kette
Der tiefsten Wirkung rings umher.
73
00:07:34,350 --> 00:07:39,150
Da flammt ein blitzendes Verheeren
Dem Pfade vor des Donnerschlags.
74
00:07:39,190 --> 00:07:44,750
Doch deine Boten, Herr, verehren
Das sanfte Wandeln deines Tags.
75
00:07:44,790 --> 00:07:50,410
Der Anblick gibt den Engeln Stärke,
Da keiner dich ergründen mag,
76
00:07:50,450 --> 00:07:56,280
Und alle deine hohen Werke
Sind herrlich wie am ersten Tag.
77
00:07:58,630 --> 00:08:02,210
Da du, o Herr, dich einmal wieder nahst
Und fragst, wie alles sich bei uns befinde,
78
00:08:02,250 --> 00:08:06,200
Und du mich sonst gewöhnlich gerne sahst,
So siehst du mich auch unter dem Gesinde.
79
00:08:06,240 --> 00:08:10,770
Verzeih, ich kann nicht hohe Worte machen,
Und wenn mich auch der ganze Kreis verhöhnt;
80
00:08:10,810 --> 00:08:15,590
Mein Pathos brächte dich gewiß zum Lachen,
Hättst du dir nicht das Lachen abgewöhnt.
81
00:08:15,750 --> 00:08:22,220
Von Sonn' und Welten weiß ich nichts zu sagen,
Ich sehe nur, wie sich die Menschen plagen.
82
00:08:22,260 --> 00:08:28,320
Der kleine Gott der Welt bleibt stets von gleichem Schlag,
Und ist so wunderlich als wie am ersten Tag.
83
00:08:28,360 --> 00:08:32,860
Ein wenig besser würd er leben,
Hättst du ihm nicht den Schein des Himmelslichts gegeben;
84
00:08:32,900 --> 00:08:40,370
Er nennt's Vernunft und braucht's allein,
Nur tierischer als jedes Tier zu sein.
85
00:08:40,410 --> 00:08:43,070
Hast du mir weiter nichts zu sagen?
86
00:08:43,830 --> 00:08:46,060
Kommst du nur immer anzuklagen?
87
00:08:46,100 --> 00:08:49,370
Ist auf der Erde ewig dir nichts recht?
88
00:08:49,410 --> 00:08:54,370
Nein Herr! ich find es dort, wie immer, herzlich schlecht.
89
00:08:54,410 --> 00:08:59,740
Die Menschen dauern mich in ihren Jammertagen,
Ich mag sogar die armen selbst nicht plagen.
90
00:09:00,180 --> 00:09:01,720
Kennst du den Faust?
91
00:09:03,180 --> 00:09:04,640
Den Doktor?
92
00:09:04,680 --> 00:09:06,010
Meinen Knecht!
93
00:09:06,050 --> 00:09:12,040
Fürwahr! er dient Euch auf besondre Weise.
Nicht irdisch ist des Toren Trank noch Speise.
94
00:09:12,080 --> 00:09:16,660
Ihn treibt die Gärung in die Ferne,
Er ist sich seiner Tollheit halb bewußt;
95
00:09:16,700 --> 00:09:21,400
Vom Himmel fordert er die schönsten Sterne
Und von der Erde jede höchste Lust,
96
00:09:21,440 --> 00:09:27,820
Und alle Näh und alle Ferne
Befriedigt nicht die tiefbewegte Brust.
97
00:09:27,990 --> 00:09:33,410
Wenn er mir jetzt auch nur verworren dient,
So werd ich ihn bald in die Klarheit führen.
98
00:09:33,450 --> 00:09:39,320
Weiß doch der Gärtner, wenn das Bäumchen grünt,
Das Blüt und Frucht die künft'gen Jahre zieren.
99
00:09:39,660 --> 00:09:45,770
Was wettet Ihr? den sollt Ihr noch verlieren!
Wenn Ihr mir die Erlaubnis gebt,
Ihn meine Straße sacht zu führen.
100
00:09:45,810 --> 00:09:50,500
Solang er auf der Erde lebt,
So lange sei dir's nicht verboten,
101
00:09:50,640 --> 00:09:53,900
Es irrt der Mensch so lang er strebt.
102
00:09:53,940 --> 00:09:56,230
Da dank ich Euch; denn mit den Toten
103
00:09:56,270 --> 00:10:01,170
Hab ich mich niemals gern befangen.
Am meisten lieb ich mir die vollen, frischen Wangen.
104
00:10:01,210 --> 00:10:05,230
Für einem Leichnam bin ich nicht zu Haus;
Mir geht es wie der Katze mit der Maus.
105
00:10:05,370 --> 00:10:10,880
Nun gut, es sei dir überlassen!
Zieh diesen Geist von seinem Urquell ab,
106
00:10:10,920 --> 00:10:16,140
Und führ ihn, kannst du ihn erfassen,
Auf deinem Wege mit herab,
107
00:10:16,180 --> 00:10:19,200
Und steh beschämt, wenn du bekennen mußt:
108
00:10:19,240 --> 00:10:25,220
Ein guter Mensch, in seinem dunklen Drange,
Ist sich des rechten Weges wohl bewußt.
109
00:10:25,310 --> 00:10:28,080
Schon gut! nur dauert es nicht lange.
110
00:10:28,120 --> 00:10:32,960
Mir ist für meine Wette gar nicht bange.
111
00:10:33,050 --> 00:10:38,480
Wenn ich zu meinem Zweck gelange,
Erlaubt Ihr mir Triumph aus voller Brust.
112
00:10:38,520 --> 00:10:44,040
Staub soll er fressen, und mit Lust,
Wie meine Muhme, die berühmte Schlange.
113
00:10:44,180 --> 00:10:47,960
Du darfst auch da nur frei erscheinen;
114
00:10:48,000 --> 00:10:50,560
Ich habe deinesgleichen nie gehaßt.
115
00:10:50,600 --> 00:10:55,900
Von allen Geistern, die verneinen,
ist mir der Schalk am wenigsten zur Last.
116
00:10:55,940 --> 00:11:01,520
Des Menschen Tätigkeit kann allzu leicht erschlaffen,
er liebt sich bald die unbedingte Ruh;
117
00:11:01,560 --> 00:11:09,310
Drum geb ich gern ihm den Gesellen zu,
Der reizt und wirkt und muß als Teufel schaffen.
118
00:11:09,450 --> 00:11:15,520
Doch ihr, die echten Göttersöhne,
Erfreut euch der lebendig reichen Schöne!
119
00:11:15,560 --> 00:11:21,660
Das Werdende, das ewig wirkt und lebt,
Umfass euch mit der Liebe holden Schranken,
120
00:11:21,700 --> 00:11:29,590
Und was in schwankender Erscheinung schwebt,
Befestiget mit dauernden Gedanken!
121
00:11:36,330 --> 00:11:41,110
Von Zeit zu Zeit seh ich den Alten gern,
Und hüte mich, mit ihm zu brechen.
122
00:11:41,150 --> 00:11:47,950
Es ist gar hübsch von einem großen Herrn,
So menschlich mit dem Teufel selbst zu sprechen.
123
00:11:55,640 --> 00:11:58,490
Habe nun, ach! Philosophie,
Juristerei und Medizin,
124
00:11:58,530 --> 00:12:02,260
Und leider auch Theologie
Durchaus studiert, mit heißem Bemühn.
125
00:12:02,300 --> 00:12:06,070
Da steh ich nun, ich armer Tor!
Und bin so klug als wie zuvor;
126
00:12:06,110 --> 00:12:09,230
Heiße Magister, heiße Doktor gar
Und ziehe schon an die zehen Jahr
127
00:12:09,270 --> 00:12:13,120
Herauf, herab und quer und krumm
Meine Schüler an der Nase herum-
128
00:12:13,160 --> 00:12:17,720
Und sehe, daß wir nichts wissen können!
129
00:12:18,000 --> 00:12:20,610
Das will mir schier das Herz verbrennen.
130
00:12:20,650 --> 00:12:24,570
Zwar bin ich gescheiter als all die Laffen,
Doktoren, Magister, Schreiber und Pfaffen;
131
00:12:24,610 --> 00:12:28,050
Mich plagen keine Skrupel noch Zweifel,
Fürchte mich weder vor Hölle noch Teufel-
132
00:12:28,090 --> 00:12:32,220
Dafür ist mir auch alle Freud entrissen,
Bilde mir nicht ein, was Rechts zu wissen,
133
00:12:32,260 --> 00:12:36,390
Bilde mir nicht ein, ich könnte was lehren,
Die Menschen zu bessern und zu bekehren.
134
00:12:36,430 --> 00:12:39,130
Auch hab ich weder Gut noch Geld,
Noch Ehr und Herrlichkeit der Welt;
135
00:12:39,170 --> 00:12:43,760
Es möchte kein Hund so länger leben!
Drum hab ich mich der Magie ergeben,
136
00:12:43,800 --> 00:12:46,980
Ob mir durch Geistes Kraft und Mund
Nicht manch Geheimnis würde kund;
137
00:12:47,020 --> 00:12:51,040
Daß ich nicht mehr mit saurem Schweiß
Zu sagen brauche, was ich nicht weiß;
138
00:12:51,080 --> 00:12:53,790
Daß ich erkenne, was die Welt
Im Innersten zusammenhält,
139
00:12:53,830 --> 00:12:58,790
Schau alle Wirkenskraft und Samen,
Und tu nicht mehr in Worten kramen.
140
00:12:59,030 --> 00:13:03,020
O sähst du, voller Mondenschein,
Zum letztenmal auf meine Pein,
141
00:13:03,160 --> 00:13:05,440
Den ich so manche Mitternacht
An diesem Pult herangewacht:
142
00:13:05,480 --> 00:13:10,270
Dann über Büchern und Papier,
Trübsel'ger Freund, erschienst du mir!
143
00:13:10,340 --> 00:13:13,140
Ach! könnt ich doch auf Bergeshöhn
In deinem lieben Lichte gehn,
144
00:13:13,180 --> 00:13:17,660
Um Bergeshöhle mit Geistern schweben,
Auf Wiesen in deinem Dämmer weben,
145
00:13:17,800 --> 00:13:23,520
Von allem Wissensqualm entladen,
In deinem Tau gesund mich baden!
146
00:13:23,660 --> 00:13:27,480
Flieh! auf! hinaus ins weite Land!
Und dies geheimnisvolle Buch,
147
00:13:27,520 --> 00:13:30,640
Von Nostradamus' eigner Hand,
Ist dir es nicht Geleit genug?
148
00:13:30,680 --> 00:13:33,180
Erkennest dann der Sterne Lauf,
Und wenn Natur dich Unterweist,
149
00:13:33,220 --> 00:13:38,440
Dann geht die Seelenkraft dir auf,
Wie spricht ein Geist zum andren Geist.
150
00:13:41,030 --> 00:13:43,260
Ha!
151
00:13:44,590 --> 00:13:48,090
welche Wonne fließt in diesem Blick
Auf einmal mir durch alle meine Sinnen!
152
00:13:48,230 --> 00:13:52,380
Ich fühle junges, heil'ges Lebensglück
Neuglühend mir durch Nerv' und Adern rinnen.
153
00:13:52,520 --> 00:13:58,710
Ich schau in diesen reinen Zügen
Die wirkende Natur vor meiner Seele liegen.
154
00:13:58,850 --> 00:14:06,920
Welch Schauspiel! Aber ach! ein Schauspiel nur!
Wo fass ich dich, unendliche Natur?
155
00:14:07,400 --> 00:14:12,300
Wie anders wirkt dies Zeichen auf mich ein!
Du, Geist der Erde, bist mir näher;
156
00:14:12,440 --> 00:14:15,600
Schon fühl ich meine Kräfte höher,
Schon glüh ich wie von neuem Wein.
157
00:14:15,640 --> 00:14:19,510
Ich fühle Mut, mich in die Welt zu wagen,
Der Erde Weh, der Erde Glück zu tragen,
158
00:14:19,650 --> 00:14:22,920
Es wölkt sich über mir-
Der Mond verbirgt sein Licht-
159
00:14:23,060 --> 00:14:25,950
Es zucken rote Strahlen
Mir um das Haupt
160
00:14:26,190 --> 00:14:29,620
Ich fühl's, du schwebst um mich, erflehter Geist
Enthülle dich!
161
00:14:29,660 --> 00:14:37,000
Ich fühle ganz mein Herz dir hingegeben!
Du mußt! du mußt! und kostet es mein Leben!
162
00:14:40,230 --> 00:14:48,580
Du hast mich mächtig angezogen,
An meiner Sphäre lang gesogen,
163
00:14:48,820 --> 00:14:50,290
Und nun-
164
00:14:50,380 --> 00:14:56,430
- Weh! ich ertrag dich nicht!
- Du flehst, eratmend mich zu schauen,
165
00:14:56,570 --> 00:15:02,690
Meine Stimme zu hören, mein Antlitz zu sehn;
166
00:15:02,970 --> 00:15:09,200
Mich neigt dein mächtig Seelenflehn,
Da bin ich!
167
00:15:10,470 --> 00:15:15,520
- Welch erbärmlich Grauen
Faßt Übermenschen dich!
168
00:15:15,560 --> 00:15:23,020
Wo ist der Seele Ruf?
Wo ist die Brust, die eine Welt in sich erschuf
169
00:15:23,260 --> 00:15:27,830
Wo bist du, Faust, des Stimme mir erklang,
170
00:15:28,180 --> 00:15:33,350
Soll ich dir, Flammenbildung, weichen?
Ich bin's, bin Faust, bin deinesgleichen!
171
00:15:33,390 --> 00:15:36,850
In Lebensfluten, im Tatensturm
172
00:15:36,890 --> 00:15:41,910
Wall ich auf und ab,
Webe hin und her!
173
00:15:41,950 --> 00:15:45,620
Geburt und Grab,
Ein ewiges Meer,
174
00:15:45,660 --> 00:15:49,740
Ein wechselnd Wehen,
Ein glühend Leben,
175
00:15:49,780 --> 00:15:57,860
So schaff ich am sausenden Webstuhl der Zeit
Und wirke der Gottheit lebendiges Kleid.
176
00:15:58,170 --> 00:16:02,860
Der du die weite Welt umschweifst,
Geschäftiger Geist, wie nah fühl ich mich dir!
177
00:16:03,100 --> 00:16:09,860
Du gleichst dem Geist, den du begreifst,
Nicht mir!
178
00:16:09,980 --> 00:16:11,610
Nicht dir?
179
00:16:11,650 --> 00:16:13,170
Wem denn?
180
00:16:13,210 --> 00:16:17,220
Ich Ebenbild der Gottheit!
Und nicht einmal dir!
181
00:16:17,560 --> 00:16:23,660
O Tod! ich kenn's- das ist mein Famulus-
Es wird mein schönstes Glück zunichte!
182
00:16:23,800 --> 00:16:28,100
Daß diese Fülle der Gesichte
Der trockne Schleicher stören muß!
183
00:16:28,230 --> 00:16:33,840
Verzeiht! ich hör euch deklamieren;
Ihr last gewiß ein griechisch Trauerspiel?
184
00:16:34,070 --> 00:16:40,560
In dieser Kunst möcht ich was profitieren,
Denn heutzutage wirkt das viel.
185
00:16:40,890 --> 00:16:45,570
Ich hab es öfters rühmen hören,
Ein Komödiant könnt einen Pfarrer lehren.
186
00:16:45,610 --> 00:16:49,270
Ja, wenn der Pfarrer ein Komödiant ist;
Wie das denn wohl zuzeiten kommen mag.
187
00:16:49,410 --> 00:16:55,700
Ach! wenn man so in sein Museum gebannt ist,
Und sieht die Welt kaum einen Feiertag,
188
00:16:55,740 --> 00:17:01,260
Kaum durch ein Fernglas, nur von weitem,
Wie soll man sie durch Überredung leiten?
189
00:17:01,300 --> 00:17:05,570
Wenn ihr's nicht fühlt, ihr werdet's nicht erjagen,
Wenn es nicht aus der Seele dringt
190
00:17:05,610 --> 00:17:08,530
Und mit urkräftigem Behagen
Die Herzen aller Hörer zwingt.
191
00:17:08,570 --> 00:17:12,050
Sitzt ihr nur immer! leimt zusammen,
Braut ein Ragout von andrer Schmaus
192
00:17:12,090 --> 00:17:14,510
Und blast die kümmerlichen Flammen
Aus eurem Aschenhäufchen 'raus!
193
00:17:14,550 --> 00:17:20,370
Allein der Vortrag macht des Redners Glück;
Ich fühl es wohl, noch bin ich weit zurück.
194
00:17:20,410 --> 00:17:23,380
Such Er den redlichen Gewinn!
Sei Er kein schellenlauter Tor!
195
00:17:23,420 --> 00:17:26,800
Es trägt Verstand und rechter Sinn
Mit wenig Kunst sich selber vor!
196
00:17:26,840 --> 00:17:30,630
Und wenn's euch Ernst ist, was zu sagen,
Ist's nötig, Worten nachzujagen?
197
00:17:30,670 --> 00:17:34,500
Ach Gott! die Kunst ist lang;
Und kurz ist unser Leben.
198
00:17:34,540 --> 00:17:38,680
Mir wird, bei meinem kritischen Bestreben,
Doch oft um Kopf und Busen bang.
199
00:17:38,720 --> 00:17:42,800
Wie schwer sind nicht die Mittel zu erwerben,
Durch die man zu den Quellen steigt!
200
00:17:42,840 --> 00:17:47,440
Und eh man nur den halben Weg erreicht,
Muß wohl ein armer Teufel sterben.
201
00:17:47,620 --> 00:17:51,690
Das Pergament, ist das der heil'ge Bronnen,
Woraus ein Trunk den Durst auf ewig stillt?
202
00:17:51,730 --> 00:17:54,630
Erquickung hast du nicht gewonnen,
Wenn sie dir nicht aus eigner Seele quillt.
203
00:17:54,670 --> 00:17:59,620
Verzeiht! es ist ein groß Ergetzen,
Sich in den Geist der Zeiten zu versetzen;
204
00:17:59,690 --> 00:18:05,050
Zu schauen, wie vor uns ein weiser Mann gedacht,
Und wie wir's dann zuletzt so herrlich weit gebracht.
205
00:18:05,090 --> 00:18:09,970
O ja, bis an die Sterne weit!
Mein Freund, die Zeiten der Vergangenheit
206
00:18:10,010 --> 00:18:13,240
Sind uns ein Buch mit sieben Siegeln.
Was ihr den Geist der Zeiten heißt,
207
00:18:13,280 --> 00:18:17,120
Das ist im Grund der Herren eigner Geist,
In dem die Zeiten sich bespiegeln.
208
00:18:17,160 --> 00:18:19,970
Ich bitt Euch, Freund, es ist tief in der Nacht,
Wir müssen's diesmal unterbrechen.
209
00:18:20,010 --> 00:18:24,320
Ich hätte gern nur immer fortgewacht,
Um so gelehrt mit Euch mich zu besprechen.
210
00:18:24,360 --> 00:18:29,290
Doch morgen, als am ersten Ostertage,
Erlaubt mir ein' und andre Frage.
211
00:18:29,520 --> 00:18:36,430
Mit Eifer hab' ich mich der Studien beflissen;
Zwar weiß ich viel, doch möcht' ich alles wissen.
212
00:18:39,950 --> 00:18:43,700
Wie nur dem Kopf nicht alle Hoffnung schwindet,
Der immerfort an schalem Zeuge klebt,
213
00:18:43,740 --> 00:18:48,340
Mit gier'ger Hand nach Schätzen gräbt,
Und froh ist, wenn er Regenwürmer findet!
214
00:18:48,450 --> 00:18:52,620
Darf eine solche Menschenstimme hier,
Wo Geisterfülle mich umgab, ertönen?
215
00:18:52,660 --> 00:18:55,240
Doch ach! für diesmal dank ich dir,
Dem ärmlichsten von allen Erdensöhnen.
216
00:18:55,280 --> 00:18:58,990
Du rissest mich von der Verzweiflung los,
Die mir die Sinne schon zerstören wollte.
217
00:18:59,030 --> 00:19:05,490
Ach! die Erscheinung war so riesengroß,
Daß ich mich recht als Zwerg empfinden sollte.
218
00:19:05,690 --> 00:19:11,330
Den Göttern gleich ich nicht! zu tief ist es gefühlt;
Dem Wurme gleich ich, der den Staub durchwühlt,
219
00:19:11,370 --> 00:19:16,510
Den, wie er sich im Staube nährend lebt,
Des Wandrers Tritt vernichtet und begräbt.
220
00:19:17,660 --> 00:19:22,530
Doch warum heftet sich mein Blick auf jene Stelle?
Ist jenes Fläschchen dort den Augen ein Magnet?
221
00:19:22,570 --> 00:19:27,300
Warum wird mir auf einmal lieblich helle,
Als wenn im nächt'gen Wald uns Mondenglanz umweht?
222
00:19:27,490 --> 00:19:32,900
Ich grüße dich, du einzige Phiole,
Die ich mit Andacht nun herunterhole!
223
00:19:33,040 --> 00:19:39,280
In dir verehr ich Menschenwitz und Kunst.
Du Inbegriff der holden Schlummersäfte,
224
00:19:39,330 --> 00:19:46,120
Du Auszug aller tödlich feinen Kräfte,
Erweise deinem Meister deine Gunst!
225
00:19:46,200 --> 00:19:51,160
Ich sehe dich, es wird der Schmerz gelindert,
Ich fasse dich, das Streben wird gemindert,
226
00:19:51,210 --> 00:19:57,440
Des Geistes Flutstrom ebbet nach und nach.
Ins hohe Meer werd ich hinausgewiesen,
227
00:19:57,550 --> 00:20:03,460
Die Spiegelflut erglänzt zu meinen Füßen,
Zu neuen Ufern lockt ein neuer Tag.
228
00:20:03,620 --> 00:20:07,360
Ein Feuerwagen schwebt, auf leichten Schwingen,
An mich heran! Ich fühle mich bereit,
229
00:20:07,400 --> 00:20:12,080
Auf neuer Bahn den Äther zu durchdringen,
Zu neuen Sphären reiner Tätigkeit.
230
00:20:12,130 --> 00:20:16,330
Ja, kehre nur der holden Erdensonne
Entschlossen deinen Rücken zu!
231
00:20:16,370 --> 00:20:20,470
Vermesse dich, die Pforten aufzureißen,
Vor denen jeder gern vorüberschleicht!
232
00:20:20,510 --> 00:20:25,690
Hier ist es Zeit, durch Taten zu beweisen,
Das Manneswürde nicht der Götterhöhe weicht,
233
00:20:25,740 --> 00:20:28,540
Zu diesem Schritt sich heiter zu entschließen,
234
00:20:28,660 --> 00:20:35,020
Und wär es mit Gefahr, ins Nichts dahin zu fließen.
235
00:20:35,130 --> 00:20:44,370
Hier ist ein Saft, der eilig trunken macht;
Mit brauner Flut erfüllt er deine Höhle.
Den ich bereitet, den ich wähle,
236
00:20:44,410 --> 00:20:48,590
Der letzte Trunk sei nun, mit ganzer Seele,
237
00:20:48,690 --> 00:20:54,450
Als festlich hoher Gruß, dem Morgen zugebracht!
238
00:20:54,650 --> 00:20:59,310
Christ ist erstanden!
239
00:20:59,350 --> 00:21:06,510
Freude dem Sterblichen,
Den die verderblichen,
240
00:21:06,550 --> 00:21:13,630
Schleichenden, erblichen
Mängel unwanden.
241
00:21:13,670 --> 00:21:19,370
Welch tiefes Summen, welch heller Ton
Zieht mit Gewalt das Glas von meinem Munde?
242
00:21:19,630 --> 00:21:23,530
Verkündigt ihr dumpfen Glocken schon
Des Osterfestes erste Feierstunde?
243
00:21:23,560 --> 00:21:35,060
Christ ist erstanden!
Selig der Liebende,
Der die betrübende,
244
00:21:35,100 --> 00:21:42,340
Heilsam und übende
Prüfung bestanden.
245
00:21:42,380 --> 00:21:46,200
Was sucht ihr, mächtig und gelind,
Ihr Himmelstöne, mich am Staube?
246
00:21:46,430 --> 00:21:53,300
Klingt dort umher, wo weiche Menschen sind.
Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube;
247
00:21:53,440 --> 00:21:55,930
Das Wunder ist des Glaubens liebstes Kind.
248
00:21:55,970 --> 00:21:59,950
Zu jenen Sphären wag ich nicht zu streben,
Woher die holde Nachricht tönt;
249
00:21:59,990 --> 00:22:04,440
Und doch, an diesen Klang von Jugend auf gewöhnt,
Ruft er auch jetzt zurück mich in das Leben.
250
00:22:04,480 --> 00:22:08,350
Sonst stürzte sich der Himmelsliebe Kuß
Auf mich herab in ernster Sabbatstille;
251
00:22:08,390 --> 00:22:12,530
Da klang so ahnungsvoll des Glockentones Fülle,
Und ein Gebet war brünstiger Genuß;
252
00:22:12,570 --> 00:22:16,440
Ein unbegreiflich holdes Sehnen
Trieb mich, durch Wald und Wiesen hinzugehn,
253
00:22:16,480 --> 00:22:21,410
Und unter tausend heißen Tränen
Fühlt ich mir eine Welt entstehn.
254
00:22:21,600 --> 00:22:27,720
Dies Lied verkündete der Jugend muntre Spiele,
Der Frühlingsfeier freies Glück;
255
00:22:27,940 --> 00:22:36,170
Erinnrung hält mich nun, mit kindlichem Gefühle,
Vom letzten, ernsten Schritt zurück.
256
00:22:36,820 --> 00:22:45,320
O tönet fort, ihr süßen Himmelslieder!
Die Träne quillt, die Erde hat mich wieder!
257
00:22:54,350 --> 00:23:00,290
Vom Eise befreit sind Strom und Bäche
Durch des Frühlings holden, belebenden Blick;
Im Tale grünet Hoffnungsglück;
258
00:23:00,330 --> 00:23:03,860
Der alte Winter, in seiner Schwäche,
Zog sich in rauhe Berge zurück.
259
00:23:03,900 --> 00:23:07,220
Von dorther sendet er, fliehend, nur
Ohnmächtige Schauer kornigen Eises
260
00:23:07,260 --> 00:23:11,030
In Streifen über die grünende Flur;
Aber die Sonne duldet kein Weißes,
261
00:23:11,070 --> 00:23:14,260
Überall regt sich Bildung und Streben,
Alles will sie mit Farben beleben;
262
00:23:14,300 --> 00:23:18,240
Doch an Blumen fehlt's im Revier
Sie nimmt geputzte Menschen dafür.
263
00:23:18,390 --> 00:23:22,330
Ich höre schon des Dorfs Getümmel,
Hier ist des Volkes wahrer Himmel,
264
00:23:22,370 --> 00:23:27,920
Zufrieden jauchzet groß und klein:
Hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein!
265
00:23:27,960 --> 00:23:32,300
Mit Euch, Herr Doktor, zu spazieren
Ist ehrenvoll und ist Gewinn;
266
00:23:32,340 --> 00:23:36,570
Doch würd ich nicht allein mich her verlieren,
Weil ich ein Feind von allem Rohen bin.
267
00:23:36,610 --> 00:23:40,850
Das Fiedeln, Schreien, Kegelschieben
Ist mir ein gar verhaßter Klang;
268
00:23:40,890 --> 00:23:46,550
Sie toben wie vom bösen Geist getrieben
Und nennen's Freude, nennen's Gesang.
269
00:24:01,180 --> 00:24:04,410
Der Schäfer putzte sich zum Tanz,
270
00:24:04,450 --> 00:24:10,650
Mit bunter Jacke, Band und Kranz,
Schmuck war er angezogen.
271
00:24:10,690 --> 00:24:16,770
Schon um die Linde war es voll,
Und alles tanzte schon wie toll.
272
00:24:16,810 --> 00:24:20,090
Juchhe! Juchhe!
Juchheisa! Heisa! He!
273
00:24:20,130 --> 00:24:22,900
So ging der Fiedelbogen.
274
00:24:29,110 --> 00:24:32,420
Er drückte hastig sich heran,
275
00:24:32,460 --> 00:24:38,530
Da stieß er an ein Mädchen an
Mit seinem Ellenbogen;
276
00:24:38,570 --> 00:24:41,530
Die frische Dirne kehrt sich um
277
00:24:41,570 --> 00:24:44,630
Und sagte: Nun, das find ich dumm!
278
00:24:44,670 --> 00:24:48,020
Juchhe! Juchhe!
Juchheisa! Heisa! He!
279
00:24:48,060 --> 00:24:51,420
Seid nicht so ungezogen!
280
00:24:57,110 --> 00:25:03,390
Doch hurtig in dem Kreise ging's,
Sie tanzten rechts, sie tanzten links,
281
00:25:03,430 --> 00:25:06,210
Und alle Röcke flogen.
282
00:25:06,250 --> 00:25:12,110
Sie wurden rot, sie wurden warm
Und ruhten atmend Arm in Arm,
283
00:25:12,150 --> 00:25:15,190
Juchhe! Juchhe!
Juchheisa! Heisa! He!
284
00:25:15,230 --> 00:25:18,410
Und Hüft an Ellenbogen.
285
00:25:24,280 --> 00:25:27,600
Und tu mir doch nicht so vertraut!
286
00:25:27,640 --> 00:25:33,860
Wie mancher hat nicht seine Braut
Belogen und betrogen!
287
00:25:33,900 --> 00:25:40,090
Er schmeichelte sie doch bei Seit,
Und von der Linde schall es weit:
288
00:25:40,130 --> 00:25:43,090
Juchhe! Juchhe!
Juchheisa! Heisa! He!
289
00:25:43,130 --> 00:25:46,890
Geschrei und Fiedelbogen.
290
00:25:52,980 --> 00:25:57,880
Herr Doktor, das ist schön von Euch,
Daß Ihr uns heute nicht verschmäht,
291
00:25:57,920 --> 00:26:01,670
Und unter dieses Volksgedräng,
Als ein so Hochgelahrter, geht.
292
00:26:01,710 --> 00:26:06,410
So nehmet auch den schönsten Krug,
Den wir mit frischem Trunk gefüllt,
293
00:26:06,450 --> 00:26:11,970
Ich bring ihn zu und wünsche laut,
Daß er nicht nur den Durst Euch stillt:
294
00:26:12,010 --> 00:26:18,290
Die Zahl der Tropfen, die er hegt,
Sei Euren Tagen zugelegt.
295
00:26:18,340 --> 00:26:22,100
Ich nehme den Erquickungstrank
Erwidr' euch allen Heil und Dank.
296
00:26:22,140 --> 00:26:26,750
Gesundheit dem bewährten Mann,
Daß er noch lange helfen kann!
297
00:26:26,790 --> 00:26:31,110
Vor jenem droben steht gebückt,
Der helfen lehrt und Hilfe schickt.
298
00:26:37,300 --> 00:26:43,230
Welch ein Gefühl mußt du, o großer Mann,
Bei der Verehrung dieser Menge haben!
299
00:26:43,370 --> 00:26:46,990
O glücklich, wer von seinen Gaben
Solch einen Vorteil ziehen kann!
300
00:26:47,030 --> 00:26:49,800
Der Menge Beifall tönt mir nun wie Hohn.
301
00:26:49,840 --> 00:26:53,460
Wie könnt Ihr Euch darum betrüben!
Tut nicht ein braver Mann genug,
302
00:26:53,500 --> 00:26:57,650
Die Kunst, die man ihm übertrug,
Gewissenhaft und pünktlich auszuüben?
303
00:26:57,690 --> 00:27:01,150
O glücklich, wer noch hoffen kann,
Aus diesem Meer des Irrtums aufzutauchen!
304
00:27:01,190 --> 00:27:06,620
Was man nicht weiß, das eben brauchte man,
Und was man weiß, kann man nicht brauchen.
305
00:27:06,830 --> 00:27:09,990
Doch laß uns dieser Stunde schönes Gut
Durch solchen Trübsinn nicht verkümmern!
306
00:27:10,030 --> 00:27:12,830
Betrachte, wie in Abendsonne-Glut
Die grünumgebnen Hütten schimmern.
307
00:27:12,870 --> 00:27:19,040
Sie rückt und weicht, der Tag ist überlebt,
Dort eilt sie hin und fördert neues Leben.
308
00:27:19,330 --> 00:27:24,490
O daß kein Flügel mich vom Boden hebt
Ihr nach und immer nach zu streben!
309
00:27:24,620 --> 00:27:28,730
Ein schöner Traum, indessen sie entweicht.
310
00:27:28,940 --> 00:27:34,210
Ach! zu des Geistes Flügeln wird so leicht
Kein körperlicher Flügel sich gesellen.
311
00:27:34,610 --> 00:27:38,380
Doch ist es jedem eingeboren
Daß sein Gefühl hinauf und vorwärts dringt,
312
00:27:38,420 --> 00:27:41,880
Wenn über uns, im blauen Raum verloren,
Ihr schmetternd Lied die Lerche singt;
313
00:27:41,920 --> 00:27:44,740
Wenn über schroffen Fichtenhöhen
Der Adler ausgebreitet schwebt,
314
00:27:44,780 --> 00:27:49,230
Und über Flächen, über Seen
Der Kranich nach der Heimat strebt.
315
00:27:49,690 --> 00:27:55,090
Ich hatte selbst oft grillenhafte Stunden,
Doch solchen Trieb hab ich noch nie empfunden.
316
00:27:55,190 --> 00:28:02,170
Man sieht sich leicht an Wald und Feldern satt;
Des Vogels Fittich werd ich nie beneiden.
317
00:28:02,210 --> 00:28:07,570
Wie anders tragen uns die Geistesfreuden
Von Buch zu Buch, von Blatt zu Blatt!
318
00:28:07,610 --> 00:28:11,780
Du bist dir nur des einen Triebs bewußt,
O lerne nie den andern kennen!
319
00:28:11,920 --> 00:28:18,020
Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust,
Die eine will sich von der andern trennen;
320
00:28:18,110 --> 00:28:22,720
Die eine hält, in derber Liebeslust,
Sich an die Welt mit klammernden Organen;
321
00:28:22,990 --> 00:28:27,810
Die andre hebt gewaltsam sich vom Dust
Zu den Gefilden hoher Ahnen.
322
00:28:27,990 --> 00:28:31,110
O gibt es Geister in der Luft,
Die zwischen Erd und Himmel herrschend weben
323
00:28:31,250 --> 00:28:35,830
So steiget nieder aus dem goldnen Duft
Und führt mich weg zu neuem, buntem Leben!
324
00:28:35,870 --> 00:28:38,980
Ja, wäre nur ein Zaubermantel mein,
Und trüg er mich in fremde Länder!
325
00:28:39,020 --> 00:28:43,420
Mir sollt er um die köstlichsten Gewänder,
Nicht feil um einen Königsmantel sein.
326
00:28:43,520 --> 00:28:48,640
Berufe nicht die wohlbekannte Schar,
Die strömend sich im Dunstkreis überbreitet,
327
00:28:48,900 --> 00:28:54,070
Dem Menschen tausendfältige Gefahr,
Von allen Enden her, bereitet.
328
00:28:54,130 --> 00:29:00,450
Doch gehen wir! Ergraut ist schon die Welt,
Die Luft gekühlt, der Nebel fällt!
329
00:29:00,520 --> 00:29:05,900
Am Abend schätzt man erst das Haus.-
Was stehst du so und blickst erstaunt hinaus?
330
00:29:05,940 --> 00:29:07,690
Was kann dich in der Dämmrung so ergreifen?
331
00:29:07,730 --> 00:29:10,060
Siehst du den schwarzen Hund durch Saat und Stoppel streifen?
332
00:29:10,100 --> 00:29:12,090
Ich sah ihn lange schon, nicht wichtig schien er mir.
333
00:29:12,130 --> 00:29:14,040
Betracht ihn recht! für was hältst du das Tier?
334
00:29:14,080 --> 00:29:17,480
Für einen Pudel, der auf seine Weise
Sich auf der Spur des Herren plagt.
335
00:29:17,520 --> 00:29:21,240
Bemerkst du, wie in weitem Schneckenkreise
Er um uns her und immer näher jagt?
336
00:29:21,380 --> 00:29:24,580
Und irr ich nicht, so zieht ein Feuerstrudel
Auf seinen Pfaden hinterdrein.
337
00:29:24,620 --> 00:29:28,770
Ich sehe nichts als einen schwarzen Pudel;
Es mag bei Euch wohl Augentäuschung sein.
338
00:29:28,810 --> 00:29:32,060
Mir scheint es, daß er magisch leise Schlingen
Zu künft'gem Band um unsre Füße zieht.
339
00:29:32,100 --> 00:29:36,590
Ich seh ihn ungewiß und furchtsam uns umspringen,
Weil er, statt seines Herrn, zwei Unbekannte sieht.
340
00:29:36,630 --> 00:29:39,440
Der Kreis wird eng, schon ist er nah!
341
00:29:39,610 --> 00:29:43,120
Du siehst! ein Hund, und kein Gespenst ist da.
342
00:29:43,160 --> 00:29:46,410
- Geselle dich zu uns! Komm hier!
- Es ist ein pudelnärrisch Tier.
343
00:29:46,450 --> 00:29:50,260
Du stehest still, er wartet auf;
Du sprichst ihn an, er strebt an dir hinauf;
344
00:29:50,300 --> 00:29:53,090
Verliere was, er wird es bringen,
Nach deinem Stock ins Wasser springen.
345
00:29:53,130 --> 00:29:57,340
Du hast wohl recht; ich finde nicht die Spur
Von einem Geist, und alles ist Dressur.
346
00:29:57,380 --> 00:30:01,260
Dem Hunde, wenn er gut gezogen,
Wird selbst ein weiser Mann gewogen.
347
00:30:01,300 --> 00:30:06,260
Ja, deine Gunst verdient er ganz und gar,
Er, der Studenten trefflicher Skolar.
348
00:30:10,050 --> 00:30:13,560
Verlassen hab ich Feld und Auen,
Die eine tiefe Nacht bedeckt,
349
00:30:13,710 --> 00:30:17,980
Mit ahnungsvollem, heil'gem Grauen
In uns die beßre Seele weckt.
350
00:30:18,200 --> 00:30:22,800
Entschlafen sind nun wilde Triebe
Mit jedem ungestümen Tun;
351
00:30:22,970 --> 00:30:27,600
Es reget sich die Menschenliebe,
Die Liebe Gottes regt sich nun.
352
00:30:28,760 --> 00:30:32,310
Ach wenn in unsrer engen Zelle
Die Lampe freundlich wieder brennt,
353
00:30:32,450 --> 00:30:37,990
Dann wird's in unserm Busen helle,
Im Herzen, das sich selber kennt.
354
00:30:38,300 --> 00:30:39,700
Knurre nicht, Pudel!
355
00:30:39,940 --> 00:30:43,190
Wir sind gewohnt, daß die Menschen verhöhnen,
Was sie nicht verstehn,
356
00:30:43,420 --> 00:30:46,830
Daß sie vor dem Guten und Schönen,
Das ihnen oft beschwerlich ist, murren;
357
00:30:46,970 --> 00:30:51,910
Will es der Hund, wie sie, beknurren?
Davon hab ich so viel Erfahrung.
358
00:30:52,280 --> 00:30:56,650
Doch dieser Mangel läßt sich ersetzen,
Wir lernen das Überirdische schätzen,
359
00:30:56,690 --> 00:30:58,810
Wir sehnen uns nach Offenbarung,
360
00:30:58,950 --> 00:31:02,920
Die nirgends würd'ger und schöner brennt
Als in dem Neuen Testament.
361
00:31:03,250 --> 00:31:07,900
Mich drängt's, den Grundtext aufzuschlagen,
Mit redlichem Gefühl einmal
362
00:31:07,940 --> 00:31:12,760
Das heilige Original
In mein geliebtes Deutsch zu übertragen,
363
00:31:13,870 --> 00:31:17,860
Geschrieben steht: "Im Anfang war das Wort!"
Hier stock ich schon! Wer hilft mir weiter fort?
364
00:31:17,900 --> 00:31:21,660
Ich kann das Wort so hoch unmöglich schätzen,
Ich muß es anders übersetzen,
365
00:31:21,700 --> 00:31:27,910
Wenn ich vom Geiste recht erleuchtet bin.
Geschrieben steht: Im Anfang war der Sinn.
366
00:31:28,190 --> 00:31:31,480
Bedenke wohl die erste Zeile,
Daß deine Feder sich nicht übereile!
367
00:31:31,520 --> 00:31:38,990
Ist es der Sinn, der alles wirkt und schafft?
Es sollte stehn: Im Anfang war die Kraft!
368
00:31:40,540 --> 00:31:45,650
Doch, auch indem ich dieses niederschreibe,
Schon warnt mich was, daß ich dabei nicht bleibe.
369
00:31:45,990 --> 00:31:51,990
Mir hilft der Geist! Auf einmal seh ich Rat
Und schreibe getrost: Im Anfang war die Tat!
370
00:31:52,360 --> 00:31:56,230
Soll ich mit dir das Zimmer teilen,
Pudel, so laß das Heulen,
So laß das Bellen!
371
00:31:56,270 --> 00:31:58,730
Solch einen störenden Gesellen
Mag ich nicht in der Nähe leiden.
372
00:31:58,770 --> 00:32:02,740
Ungern heb ich das Gastrecht auf,
Die Tür ist offen, hast freien Lauf.
373
00:32:02,780 --> 00:32:06,030
Aber was muß ich sehen!
Kann das natürlich geschehen?
374
00:32:06,070 --> 00:32:08,420
Er hebt sich mit Gewalt,
Das ist nicht eines Hundes Gestalt!
375
00:32:08,460 --> 00:32:12,150
Welch ein Gespenst bracht ich ins Haus!
Schon sieht er wie ein Nilpferd aus,
376
00:32:12,190 --> 00:32:14,190
Für solche halbe Höllenbrut
Ist Salomonis Schlüssel gut.
377
00:32:14,230 --> 00:32:15,480
Verschwind in Flammen,
Salamander!
378
00:32:15,520 --> 00:32:16,930
Rauschend fließe zusammen,
Undene!
379
00:32:16,970 --> 00:32:18,320
Leucht in Meteoren-Schöne,
Sylphe!
380
00:32:18,360 --> 00:32:20,810
Bring häusliche Hülfe,
Incubus! Incubus!
381
00:32:20,850 --> 00:32:22,610
Tritt hervor und mache den Schluß!
382
00:32:22,850 --> 00:32:24,850
Keines der Viere
Steckt in dem Tiere.
383
00:32:24,890 --> 00:32:28,310
Bist du, Geselle
Ein Flüchtling der Hölle?
So sieh dies Zeichen
384
00:32:28,530 --> 00:32:32,560
Dem sie sich beugen,
Die schwarzen Scharen!
Schon schwillt es auf mit borstigen Haaren.
385
00:32:32,600 --> 00:32:34,960
Den ganzen Raum füllt es an,
Es will zum Nebel zerfließen.
386
00:32:35,000 --> 00:32:38,080
Steige nicht zur Decke hinan!
Lege dich zu des Meisters Füßen!
387
00:32:38,120 --> 00:32:39,760
Erwarte nicht
Das dreimal glühende Licht!
388
00:32:39,800 --> 00:32:41,890
Erwarte nicht
Die stärkste von meinen Künsten!
389
00:32:41,930 --> 00:32:46,840
Wozu der Lärm? was steht dem Herrn zu Diensten?
390
00:32:49,220 --> 00:32:54,420
Das also war des Pudels Kern!
Ein fahrender Skolast? Der Kasus macht mich lachen.
391
00:32:54,460 --> 00:32:59,130
Ich salutiere den gelehrten Herrn!
Ihr habt mich weidlich schwitzen machen.
392
00:32:59,820 --> 00:33:01,020
Wie nennst du dich?
393
00:33:01,060 --> 00:33:05,370
Die Frage scheint mir klein
Für einen, der das Wort so sehr verachtet,
394
00:33:05,410 --> 00:33:10,090
Der, weit entfernt von allem Schein,
Nur in der Wesen Tiefe trachtet.
395
00:33:10,760 --> 00:33:13,720
Bei euch, ihr Herrn, kann man das Wesen
Gewöhnlich aus dem Namen lesen,
396
00:33:13,760 --> 00:33:18,870
Wo es sich allzu deutlich weist,
Wenn man euch Fliegengott, Verderber, Lügner heißt.
397
00:33:19,060 --> 00:33:20,770
Nun gut, wer bist du denn?
398
00:33:22,190 --> 00:33:28,380
Ein Teil von jener Kraft,
Die stets das Böse will und stets das Gute schafft.
399
00:33:29,070 --> 00:33:33,540
- Was ist mit diesem Rätselwort gemeint?
- Ich bin der Geist, der stets verneint!
400
00:33:33,580 --> 00:33:38,230
Und das mit Recht; denn alles, was entsteht,
Ist wert, daß es zugrunde geht;
401
00:33:38,270 --> 00:33:43,590
Drum besser wär's, wenn nichts entstünde.
So ist denn alles, was ihr Sünde,
402
00:33:43,630 --> 00:33:49,460
Zerstörung, kurz, das Böse nennt,
Mein eigentliches Element.
403
00:33:50,100 --> 00:33:54,840
- Du nennst dich einen Teil, und stehst doch ganz vor mir?
- Bescheidne Wahrheit sprech ich dir.
404
00:33:54,880 --> 00:33:59,280
Wenn sich der Mensch, die kleine Narrenwelt
Gewöhnlich für ein Ganzes hält-
405
00:33:59,320 --> 00:34:09,280
Ich bin ein Teil des Teils, der anfangs alles war
Ein Teil der Finsternis, die sich das Licht gebar
406
00:34:09,320 --> 00:34:15,420
Das stolze Licht, das nun der Mutter Nacht
Den alten Rang, den Raum ihr streitig macht,
407
00:34:15,460 --> 00:34:20,230
Und doch gelingt's ihm nicht, da es, so viel es strebt,
Verhaftet an den Körpern klebt.
408
00:34:20,270 --> 00:34:26,680
Von Körpern strömt's, die Körper macht es schön,
Ein Körper hemmt's auf seinem Gange;
409
00:34:26,720 --> 00:34:32,030
So, hoff ich, dauert es nicht lange,
Und mit den Körpern wird's zugrunde gehn.
410
00:34:32,070 --> 00:34:35,530
Nun kenn ich deine würd'gen Pflichten!
Du kannst im Großen nichts vernichten
411
00:34:35,570 --> 00:34:36,920
Und fängst es nun im Kleinen an.
412
00:34:36,960 --> 00:34:39,090
Und freilich ist nicht viel damit getan.
413
00:34:39,130 --> 00:34:43,790
Was sich dem Nichts entgegenstellt,
Das Etwas, diese plumpe Welt
414
00:34:43,830 --> 00:34:47,210
So viel als ich schon unternommen
Ich wußte nicht ihr beizukommen
415
00:34:47,250 --> 00:34:51,370
Mit Wellen, Stürmen, Schütteln, Brand-
Geruhig bleibt am Ende Meer und Land!
416
00:34:51,410 --> 00:34:57,960
Und dem verdammten Zeug, der Tier- und Menschenbrut,
Dem ist nun gar nichts anzuhaben:
417
00:34:58,020 --> 00:35:02,560
Wie viele hab ich schon begraben!
Und immer zirkuliert ein neues, frisches Blut.
418
00:35:02,600 --> 00:35:06,790
So geht es fort, man möchte rasend werden!
Der Luft, dem Wasser wie der Erden
419
00:35:06,830 --> 00:35:11,290
Entwinden tausend Keime sich,
Im Trocknen, Feuchten, Warmen, Kalten!
420
00:35:11,460 --> 00:35:16,690
Hätt ich mir nicht die Flamme vorbehalten,
Ich hätte nichts Aparts für mich.
421
00:35:17,330 --> 00:35:20,710
So setzest du der ewig regen,
Der heilsam schaffenden Gewalt
422
00:35:20,750 --> 00:35:25,390
Die kalte Teufelsfaust entgegen,
Die sich vergebens tückisch ballt!
423
00:35:25,550 --> 00:35:29,010
Was anders suche zu beginnen
Des Chaos wunderlicher Sohn!
424
00:35:29,050 --> 00:35:32,520
Wir wollen wirklich uns besinnen,
Die nächsten Male mehr davon!
425
00:35:32,560 --> 00:35:34,730
Dürft ich wohl diesmal mich entfernen?
426
00:35:34,890 --> 00:35:36,170
Ich sehe nicht, warum du fragst.
427
00:35:36,210 --> 00:35:38,820
Ich habe jetzt dich kennen lernen
Besuche nun mich, wie du magst.
428
00:35:38,860 --> 00:35:43,840
Gesteh ich's nur! daß ich hinausspaziere,
Verbietet mir ein kleines Hindernis,
429
00:35:43,880 --> 00:35:46,740
Der Drudenfuß auf Eurer Schwelle-
430
00:35:46,860 --> 00:35:48,910
Das Pentagramma macht dir Pein?
431
00:35:48,960 --> 00:35:54,790
Ei sage mir, du Sohn der Hölle,
Wenn das dich bannt, wie kamst du denn herein?
Wie ward ein solcher Geist betrogen?
432
00:35:54,830 --> 00:35:57,380
Beschaut es recht! es ist nicht gut gezogen:
433
00:35:57,420 --> 00:36:01,210
Der eine Winkel, der nach außen zu,
Ist, wie du siehst, ein wenig offen.
434
00:36:01,350 --> 00:36:03,190
Das hat der Zufall gut getroffen!
435
00:36:03,230 --> 00:36:09,100
- Und mein Gefangner wärst denn du?
Das ist von ungefähr gelungen!
- Der Pudel merkte nichts, als er hereingesprungen,
436
00:36:09,140 --> 00:36:13,190
Die Sache sieht jetzt anders aus:
Der Teufel kann nicht aus dem Haus.
437
00:36:13,230 --> 00:36:16,740
- Doch warum gehst du nicht durchs Fenster?
- 's ist ein Gesetz der Teufel und Gespenster:
438
00:36:16,980 --> 00:36:23,690
Wo sie hereingeschlüpft, da müssen sie hinaus.
Das erste steht uns frei, beim zweiten sind wir Knechte.
439
00:36:23,730 --> 00:36:25,530
Die Hölle selbst hat ihre Rechte?
440
00:36:25,570 --> 00:36:30,600
Das find ich gut, da ließe sich ein Pakt,
Und sicher wohl, mit euch, ihr Herren, schließen?
441
00:36:30,640 --> 00:36:35,770
Was man verspricht, das sollst du rein genießen,
Dir wird davon nichts abgezwackt.
442
00:36:35,920 --> 00:36:39,270
Doch das ist nicht so kurz zu fassen,
Und wir besprechen das zunächst
443
00:36:39,310 --> 00:36:42,470
Doch jetzo bitt ich, hoch und höchst,
Für dieses Mal mich zu entlassen.
444
00:36:42,510 --> 00:36:44,820
So bleibe doch noch einen Augenblick,
Um mir erst gute Mär zu sagen.
445
00:36:44,860 --> 00:36:48,390
Jetzt laß mich los! ich komme bald zurück;
Dann magst du nach Belieben fragen.
446
00:36:48,430 --> 00:36:51,240
Ich habe dir nicht nachgestellt,
Bist du doch selbst ins Garn gegangen.
447
00:36:51,280 --> 00:36:55,890
Den Teufel halte, wer ihn hält!
Er wird ihn nicht so bald zum zweiten Male fangen.
448
00:36:56,100 --> 00:37:00,660
Wenn dir's beliebt, dann bin ich auch bereit,
Dir zur Gesellschaft hier zu bleiben;
449
00:37:00,700 --> 00:37:04,490
Doch mit Bedingnis, dir die Zeit
Durch meine Künste würdig zu vertreiben.
450
00:37:04,530 --> 00:37:08,810
Ich seh es gern, das steht dir frei;
Nur daß die Kunst gefällig sei!
451
00:37:09,290 --> 00:37:13,440
Du wirst, mein Freund, für deine Sinnen
In dieser Stunde mehr gewinnen
452
00:37:13,480 --> 00:37:17,320
Als in des Jahres Einerlei.
Was dir die zarten Geister singen,
453
00:37:17,360 --> 00:37:21,270
Die bunten Bilder, die sie bringen,
Sind nicht ein leeres Zauberspiel.
454
00:37:21,310 --> 00:37:25,330
Auch dein Geruch wird sich ergetzen,
Dann wirst du deinen Gaumen letzen,
455
00:37:25,370 --> 00:37:27,800
Und dann entzückt sich dein Gefühl.
456
00:37:27,840 --> 00:37:32,050
Bereitung braucht es nicht voran,
Beisammen sind wir, fanget an!
457
00:37:32,090 --> 00:37:36,090
Schwindet, ihr dunkeln
Wölbungen droben!
458
00:37:36,240 --> 00:37:39,490
Reizender schaue
Freundlich der blaue
459
00:37:39,530 --> 00:37:42,750
Äther herein!
460
00:37:43,410 --> 00:37:47,790
Wären die dunkeln
Wolken zerronnen!
461
00:37:48,480 --> 00:37:53,710
Sternelein funkeln,
Mildere Sonnen
462
00:37:53,750 --> 00:37:58,590
Scheinen darein.
463
00:37:58,730 --> 00:38:03,880
Er schläft! So recht, ihr luft'gen zarten Jungen!
Ihr habt ihn treulich eingesungen!
464
00:38:03,920 --> 00:38:13,180
Für dies Konzert bin ich in eurer Schuld.
Du bist noch nicht der Mann, den Teufel festzuhalten!
465
00:38:13,220 --> 00:38:19,610
Umgaukelt ihn mit süßen Traumgestalten,
Versenkt ihn in ein Meer des Wahns;
466
00:38:19,930 --> 00:38:24,340
Doch dieser Schwelle Zauber zu zerspalten,
Bedarf ich eines Rattenzahns.
467
00:38:24,380 --> 00:38:28,920
Nicht lange brauch ich zu beschwören,
Schon raschelt eine hier und wird sogleich mich hören.
468
00:38:29,060 --> 00:38:32,050
Der Herr der Ratten und der Mäuse,
Der Fliegen, Frösche, Wanzen, Läuse
469
00:38:32,090 --> 00:38:34,950
Befiehlt dir, dich hervor zu wagen
Und diese Schwelle zu benagen,
470
00:38:34,990 --> 00:38:38,390
So wie er sie mit Öl betupft-
Da kommst du schon hervorgehupft!
471
00:38:38,430 --> 00:38:42,640
Nur frisch ans Werk! Die Spitze, die mich bannte,
Sie sitzt ganz vornen an der Kante.
472
00:38:42,680 --> 00:38:45,920
Noch einen Biß, so ist's geschehn.-
473
00:38:45,960 --> 00:38:51,010
Nun, Fauste, träume fort, bis wir uns wiedersehn.
474
00:38:56,600 --> 00:38:59,430
Bin ich denn abermals betrogen?
475
00:38:59,570 --> 00:39:04,940
Verschwindet so der geisterreiche Drang
Daß mir ein Traum den Teufel vorgelogen,
476
00:39:05,400 --> 00:39:08,250
Und daß ein Pudel mir entsprang?
477
00:39:11,620 --> 00:39:15,340
- Es klopft? Herein! Wer will mich wieder plagen?
- Ich bin's.
478
00:39:15,850 --> 00:39:19,000
- Herein!
- Du mußt es dreimal sagen.
- Herein denn!
479
00:39:19,240 --> 00:39:22,370
So gefällst du mir.
Wir werden, hoff ich, uns vertragen;
480
00:39:22,410 --> 00:39:26,010
Denn dir die Grillen zu verjagen,
Bin ich als edler Junker hier,
481
00:39:26,050 --> 00:39:29,890
Und rate nun dir, kurz und gut,
Dergleichen gleichfalls anzulegen;
482
00:39:29,930 --> 00:39:34,450
Damit du, losgebunden, frei,
Erfahrest, was das Leben sei.
483
00:39:34,590 --> 00:39:37,620
In jedem Kleide werd ich wohl die Pein
Des engen Erdelebens fühlen.
484
00:39:37,660 --> 00:39:40,760
Ich bin zu alt, um nur zu spielen,
Zu jung, um ohne Wunsch zu sein.
485
00:39:40,800 --> 00:39:44,160
Was kann die Welt mir wohl gewähren?
Entbehren sollst du! sollst entbehren!
486
00:39:44,200 --> 00:39:46,690
Das ist der ewige Gesang,
Der jedem an die Ohren klingt,
487
00:39:46,730 --> 00:39:49,770
Den, unser ganzes Leben lang,
Uns heiser jede Stunde singt.
488
00:39:49,810 --> 00:39:54,270
Und so ist mir das Dasein eine Last,
Der Tod erwünscht, das Leben mir verhaßt.
489
00:39:54,400 --> 00:39:57,230
Und doch ist nie der Tod ein ganz willkommner Gast.
490
00:39:57,270 --> 00:40:00,840
O wär ich vor des hohen Geistes Kraft
Entzückt, entseelt dahin gesunken!
491
00:40:00,880 --> 00:40:06,650
Und doch hat jemand einen braunen Saft,
In jener Nacht, nicht ausgetrunken.
492
00:40:06,790 --> 00:40:09,180
Das Spionieren, scheint's, ist deine Lust.
493
00:40:09,330 --> 00:40:15,360
Allwissend bin ich nicht; doch viel ist mir bewußt.
494
00:40:16,130 --> 00:40:19,200
Wenn aus dem schrecklichen Gewühle
Ein süß bekannter Ton mich zog,
495
00:40:19,240 --> 00:40:22,890
Den Rest von kindlichem Gefühle
Mit Anklang froher Zeit betrog,
496
00:40:22,930 --> 00:40:26,130
So fluch ich allem, was die Seele
Mit Lock- und Gaukelwerk umspannt,
497
00:40:26,170 --> 00:40:29,230
Und sie in diese Trauerhöhle
Mit Blend- und Schmeichelkräften bannt!
498
00:40:29,270 --> 00:40:32,690
Fluch sei dem Balsamsaft der Trauben!
Fluch jener höchsten Liebeshuld!
499
00:40:32,730 --> 00:40:36,350
Fluch sei der Hoffnung! Fluch dem Glauben,
Und Fluch vor allen der Geduld!
500
00:40:36,390 --> 00:40:41,860
Hör auf, mit deinem Gram zu spielen,
Der, wie ein Geier, dir am Leben frißt;
501
00:40:41,900 --> 00:40:47,560
Die schlechteste Gesellschaft läßt dich fühlen,
Daß du ein Mensch mit Menschen bist.
502
00:40:47,640 --> 00:40:50,660
Doch so ist's nicht gemeint
Dich unter das Pack zu stoßen.
503
00:40:50,700 --> 00:40:54,060
Ich bin keiner von den Großen;
Doch willst du, mit mir vereint,
504
00:40:54,100 --> 00:40:57,460
Deine Schritte durchs Leben nehmen,
So will ich mich gern bequemen,
505
00:40:57,500 --> 00:41:01,520
Dein zu sein, auf der Stelle.
Ich bin dein Geselle,
506
00:41:01,560 --> 00:41:05,690
Und mach ich dir's recht,
Bin ich dein Diener, bin dein Knecht!
507
00:41:05,900 --> 00:41:09,060
- Und was soll ich dagegen dir erfüllen?
- Dazu hast du noch eine lange Frist.
508
00:41:09,100 --> 00:41:13,700
Nein, nein! der Teufel ist ein Egoist
Und tut nicht leicht um Gottes willen,
Was einem andern nützlich ist.
509
00:41:13,740 --> 00:41:17,900
Sprich die Bedingung deutlich aus;
Ein solcher Diener bringt Gefahr ins Haus.
510
00:41:17,940 --> 00:41:25,390
Ich will mich hier zu deinem Dienst verbinden,
Auf deinen Wink nicht rasten und nicht ruhn;
511
00:41:25,430 --> 00:41:31,730
Wenn wir uns drüben wiederfinden,
So sollst du mir das gleiche tun.
512
00:41:31,770 --> 00:41:34,290
Das Drüben kann mich wenig kümmern;
513
00:41:34,430 --> 00:41:36,250
Schlägst du erst diese Welt zu Trümmern,
514
00:41:36,290 --> 00:41:39,180
Die andre mag darnach entstehn.
Aus dieser Erde quillen meine Freuden,
515
00:41:39,220 --> 00:41:40,970
Und diese Sonne scheinet meinen Leiden;
516
00:41:41,010 --> 00:41:43,350
Kann ich mich erst von ihnen scheiden,
Dann mag, was will und kann, geschehn.
517
00:41:43,390 --> 00:41:47,050
In diesem Sinne kannst du's wagen.
Verbinde dich; du sollst, in diesen Tagen,
518
00:41:47,090 --> 00:41:51,990
Mit Freuden meine Künste sehn,
Ich gebe dir, was noch kein Mensch gesehn.
519
00:41:52,200 --> 00:41:56,350
Was willst du armer Teufel geben?
Ward eines Menschen Geist, in seinem hohen Streben,
520
00:41:56,390 --> 00:41:57,930
Von deinesgleichen je gefaßt?
521
00:41:58,070 --> 00:42:01,050
Doch hast du Speise, die nicht sättigt, hast
Du rotes Gold, das ohne Rast,
522
00:42:01,090 --> 00:42:04,300
Quecksilber gleich, dir in der Hand zerrinnt,
Ein Spiel, bei dem man nie gewinnt,
523
00:42:04,340 --> 00:42:08,550
Zeig mir die Frucht, die fault, eh man sie bricht,
Und Bäume, die sich täglich neu begrünen!
524
00:42:08,590 --> 00:42:12,580
Ein solcher Auftrag schreckt mich nicht,
Mit solchen Schätzen kann ich dienen.
525
00:42:12,620 --> 00:42:17,630
Doch, guter Freund, die Zeit kommt auch heran,
Wo wir was Guts in Ruhe schmausen mögen.
526
00:42:17,670 --> 00:42:21,540
Werd ich beruhigt je mich auf ein Faulbett legen,
So sei es gleich um mich getan!
527
00:42:21,580 --> 00:42:25,190
Kannst du mich schmeichelnd je belügen,
Daß ich mir selbst gefallen mag,
528
00:42:25,230 --> 00:42:27,280
Kannst du mich mit Genuß betrügen-
529
00:42:27,320 --> 00:42:29,790
Das sei für mich der letzte Tag!
Die Wette biet ich!
530
00:42:29,830 --> 00:42:30,910
Topp!
531
00:42:32,250 --> 00:42:34,150
Und Schlag auf Schlag!
532
00:42:35,100 --> 00:42:37,890
Werd ich zum Augenblicke sagen:
Verweile doch! du bist so schön!
533
00:42:37,930 --> 00:42:40,790
Dann magst du mich in Fesseln schlagen,
Dann will ich gern zugrunde gehn!
534
00:42:40,830 --> 00:42:42,860
Dann mag die Totenglocke schallen,
Dann bist du deines Dienstes frei,
535
00:42:42,900 --> 00:42:46,620
Die Uhr mag stehn, der Zeiger fallen,
Es sei die Zeit für mich vorbei!
536
00:42:46,870 --> 00:42:53,090
Bedenk es wohl, wir werden's nicht vergessen.
537
00:42:53,340 --> 00:42:56,470
Dazu hast du ein volles Recht;
Ich habe mich nicht freventlich vermessen.
538
00:42:56,510 --> 00:42:59,080
Wie ich beharre, bin ich Knecht,
Ob dein, was frag ich, oder wessen.
539
00:42:59,120 --> 00:43:02,760
Ich werde heute gleich, beim Doktorschmaus,
Als Diener meine Pflicht erfüllen.
540
00:43:02,800 --> 00:43:07,480
Nur eins! - Um Lebens oder Sterbens willen
Bitt ich mir ein paar Zeilen aus.
541
00:43:07,520 --> 00:43:11,320
Auch was Geschriebnes forderst du Pedant?
Hast du noch keinen Mann, nicht Manneswort gekannt?
542
00:43:11,360 --> 00:43:14,930
Was willst du böser Geist von mir?
Erz, Marmor, Pergament, Papier?
543
00:43:14,970 --> 00:43:17,440
Soll ich mit Griffel, Meißel, Feder schreiben?
Ich gebe jede Wahl dir frei.
544
00:43:17,480 --> 00:43:20,580
Wie magst du deine Rednerei
Nur gleich so hitzig übertreiben?
545
00:43:20,620 --> 00:43:26,810
Ist doch ein jedes Blättchen gut.
Du unterzeichnest dich mit einem Tröpfchen Blut.
546
00:43:26,880 --> 00:43:30,970
Wenn dies dir völlig Gnüge tut,
So mag es bei der Fratze bleiben.
547
00:43:33,460 --> 00:43:38,230
Blut ist ein ganz besondrer Saft.
548
00:43:39,300 --> 00:43:41,450
Nur keine Furcht, daß ich dies Bündnis breche!
549
00:43:41,490 --> 00:43:44,940
Das Streben meiner ganzen Kraft
Ist grade das, was ich verspreche.
550
00:43:44,980 --> 00:43:47,720
Stürzen wir uns in das Rauschen der Zeit,
Ins Rollen der Begebenheit!
551
00:43:47,760 --> 00:43:49,750
Da mag denn Schmerz und Genuß,
Gelingen und Verdruß
552
00:43:49,790 --> 00:43:52,720
Miteinander wechseln, wie es kann;
Nur rastlos betätigt sich der Mann.
553
00:43:52,760 --> 00:43:56,030
Euch ist kein Maß und Ziel gesetzt.
Beliebt's Euch, überall zu naschen,
554
00:43:56,070 --> 00:43:59,290
Im Fliehen etwas zu erhaschen,
Bekomm Euch wohl, was Euch ergetzt.
555
00:43:59,330 --> 00:44:02,310
Nur greift mir zu und seid nicht blöde!
556
00:44:02,350 --> 00:44:04,140
Du hörest ja, von Freud' ist nicht die Rede.
557
00:44:04,180 --> 00:44:09,750
Dem Taumel weih ich mich, dem schmerzlichsten Genuß,
Verliebtem Haß, erquickendem Verdruß.
558
00:44:09,790 --> 00:44:14,050
Mein Busen, der vom Wissensdrang geheilt ist,
Soll keinen Schmerzen künftig sich verschließen,
559
00:44:14,090 --> 00:44:18,430
Und was der ganzen Menschheit zugeteilt ist,
Will ich in meinem innern Selbst genießen,
560
00:44:18,570 --> 00:44:22,850
O glaube mir, der manche tausend Jahre
An dieser harten Speise kaut
561
00:44:22,890 --> 00:44:28,230
Daß von der Wiege bis zur Bahre
Kein Mensch den alten Sauerteig verdaut!
562
00:44:28,370 --> 00:44:35,760
Glaub unsereinem, dieses Ganze
Ist nur für einen Gott gemacht!
563
00:44:35,800 --> 00:44:41,800
Er findet sich in einem ew'gen Glanze
Uns hat er in die Finsternis gebracht,
564
00:44:41,840 --> 00:44:44,810
Und euch taugt einzig Tag und Nacht.
565
00:44:44,850 --> 00:44:49,050
Was bin ich denn, wenn es nicht möglich ist,
Der Menschheit Krone zu erringen,
Nach der sich alle Sinne dringen?
566
00:44:49,090 --> 00:44:52,990
Du bist am Ende- was du bist.
Setz dir Perücken auf von Millionen Locken,
567
00:44:53,030 --> 00:44:57,460
Setz deinen Fuß auf ellenhohe Socken,
Du bleibst doch immer, was du bist.
568
00:44:57,600 --> 00:45:02,550
Ich fühl's, vergebens hab ich alle Schätze
Des Menschengeists auf mich herbeigerafft,
569
00:45:02,600 --> 00:45:06,840
Und wenn ich mich am Ende niedersetze,
Quillt innerlich doch keine neue Kraft;
570
00:45:06,880 --> 00:45:12,120
Ich bin nicht um ein Haar breit höher,
Bin dem Unendlichen nicht näher.
571
00:45:12,160 --> 00:45:16,440
Mein guter Herr, Ihr seht die Sachen,
Wie man die Sachen eben sieht;
572
00:45:16,480 --> 00:45:20,230
Wir müssen das gescheiter machen,
Eh uns des Lebens Freude flieht.
573
00:45:20,270 --> 00:45:24,170
Drum frisch! Laß alles Sinnen sein,
Und grad mit in die Welt hinein!
574
00:45:24,210 --> 00:45:28,900
Ich sag es dir: ein Kerl, der spekuliert,
Ist wie ein Tier, auf dürrer Heide
575
00:45:28,940 --> 00:45:34,660
Von einem bösen Geist im Kreis herum geführt,
Und rings umher liegt schöne grüne Weide.
576
00:45:34,700 --> 00:45:35,430
Wie fangen wir das an?
577
00:45:35,470 --> 00:45:38,710
Wir gehen eben fort.
Was ist das für ein Marterort?
578
00:45:38,750 --> 00:45:42,370
Was heißt das für ein Leben führen,
Sich und die Jungens ennuyieren?
579
00:45:42,410 --> 00:45:46,820
Laß du das dem Herrn Nachbar Wanst!
Was willst du dich das Stroh zu dreschen plagen?
580
00:45:46,860 --> 00:45:51,210
Das Beste, was du wissen kannst,
Darfst du den Buben doch nicht sagen.
581
00:45:51,250 --> 00:45:54,100
- Gleich hör ich einen auf dem Gange!
- Mir ist's nicht möglich, ihn zu sehn.
582
00:45:54,140 --> 00:45:57,680
Der arme Knabe wartet lange,
Der darf nicht ungetröstet gehn.
583
00:45:57,720 --> 00:46:03,550
Komm, gib mir deinen Rock und Mütze;
Die Maske muß mir trefflich stehn
584
00:46:03,590 --> 00:46:05,330
Nun überlaß es meinem Witze!
585
00:46:05,370 --> 00:46:11,000
Ich brauche nur ein Viertelstündchen Zeit;
Indessen mache dich zur schönen Fahrt bereit!
586
00:46:12,780 --> 00:46:18,360
Verachte nur Vernunft und Wissenschaft,
Des Menschen allerhöchste Kraft,
587
00:46:18,410 --> 00:46:23,970
Laß nur in Blend- und Zauberwerken
Dich von dem Lügengeist bestärken,
588
00:46:24,010 --> 00:46:28,780
So hab ich dich schon unbedingt-
589
00:46:30,710 --> 00:46:35,210
Den schlepp ich durch das wilde Leben,
Durch flache Unbedeutenheit,
590
00:46:35,250 --> 00:46:40,670
Er soll mir zappeln, starren, kleben,
Und seiner Unersättlichkeit
591
00:46:40,710 --> 00:46:46,670
Soll Speis und Trank vor gier'gen Lippen schweben;
Er wird Erquickung sich umsonst erflehn,
592
00:46:46,710 --> 00:46:53,040
Und hätt er sich auch nicht dem Teufel übergeben,
Er müßte doch zugrunde gehn!
593
00:47:21,350 --> 00:47:25,520
Ich bin allhier erst kurze Zeit,
Und komme voll Ergebenheit,
594
00:47:25,560 --> 00:47:29,480
Einen Mann zu sprechen und zu kennen,
Den alle mir mit Ehrfucht nennen.
595
00:47:29,520 --> 00:47:34,700
Eure Höflichkeit erfreut mich sehr!
Ihr sieht einen Mann wie andre mehr.
596
00:47:34,730 --> 00:47:39,360
- Habt Ihr Euch sonst schon umgetan?
- Ich bitt Euch, nehmt Euch meiner an!
597
00:47:39,400 --> 00:47:43,050
Ich komme mit allem guten Mut,
Leidlichem Geld und frischem Blut;
598
00:47:43,090 --> 00:47:47,090
Meine Mutter wollte mich kaum entfernen;
Möchte gern was Rechts hieraußen lernen.
599
00:47:47,130 --> 00:47:49,420
Da werdet Ihr eben recht am Ort.
600
00:47:49,460 --> 00:47:51,990
Aufrichtig, möchte schon wieder fort:
601
00:47:52,130 --> 00:47:55,370
In diesen Mauern, diesen Hallen
Will es mir keineswegs gefallen.
602
00:47:55,410 --> 00:47:59,100
Es ist ein gar beschränkter Raum,
Man sieht nichts Grünes, keinen Baum,
603
00:47:59,140 --> 00:48:02,390
Und in den Sälen, auf den Bänken,
Vergeht mir Hören, Sehn und Denken.
604
00:48:02,430 --> 00:48:07,750
Das kommt nur auf Gewohnheit an.
So nimmt ein Kind der Mutter Brust
605
00:48:07,790 --> 00:48:12,010
Nicht gleich im Anfang willig an,
Doch bald ernährt es sich mit Lust.
606
00:48:12,050 --> 00:48:16,110
So wird's Euch an der Weisheit Brüsten
607
00:48:18,070 --> 00:48:20,660
Mit jedem Tage mehr gelüsten.
608
00:48:20,710 --> 00:48:24,580
An ihrem Hals will ich mit Freuden hangen;
Doch sagt mir nur, wie kann ich hingelangen?
609
00:48:24,620 --> 00:48:28,680
Erklärt Euch, eh Ihr weiter geht,
Was wählt Ihr für eine Fakultät?
610
00:48:29,290 --> 00:48:33,610
Ich wünschte recht gelehrt zu werden,
Und möchte gern, was auf der Erden
611
00:48:33,650 --> 00:48:37,030
Und in dem Himmel ist, erfassen,
Die Wissenschaft und die Natur.
612
00:48:37,070 --> 00:48:41,150
Da seid Ihr auf der rechten Spur;
Nur müßt Ihr Euch nicht zerstreuen lassen.
613
00:48:41,190 --> 00:48:44,780
Ich bin dabei mit Seel und Leib;
Doch freilich würde mir behagen
614
00:48:44,820 --> 00:48:48,140
Ein wenig Freiheit und Zeitvertreib
An schönen Sommerfeiertagen.
615
00:48:48,180 --> 00:48:56,080
Gebraucht der Zeit, sie geht so schnell von hinnen,
Doch Ordnung lehrt Euch Zeit gewinnen.
616
00:48:56,120 --> 00:49:00,020
Mein teurer Freund, ich rat Euch drum
Zuerst Collegium Logicum.
617
00:49:00,060 --> 00:49:04,420
Da wird der Geist Euch wohl dressiert,
In spanische Stiefeln eingeschnürt,
618
00:49:04,460 --> 00:49:08,400
Daß er bedächtiger so fortan
Hinschleiche die Gedankenbahn,
619
00:49:08,440 --> 00:49:11,890
Und nicht etwa, die Kreuz und Quer,
Irrlichteliere hin und her.
620
00:49:11,930 --> 00:49:15,550
Zwar ist's mit der Gedankenfabrik
Wie mit einem Weber-Meisterstück,
621
00:49:15,590 --> 00:49:20,000
Wo ein Tritt tausend Fäden regt,
Die Schifflein herüber hinüber schießen,
622
00:49:20,040 --> 00:49:23,920
Die Fäden ungesehen fließen,
Ein Schlag tausend Verbindungen schlägt.
623
00:49:23,960 --> 00:49:29,250
Der Philosoph, der tritt herein
Und beweist Euch, es müßt so sein:
624
00:49:29,290 --> 00:49:36,110
Das Erst wär so, das Zweite so,
Und drum das Dritt und Vierte so;
625
00:49:36,150 --> 00:49:41,510
Und wenn das Erst und Zweit nicht wär,
Das Dritt und Viert wär nimmermehr.
626
00:49:41,550 --> 00:49:45,960
Das preisen die Schüler allerorten,
Sind aber keine Weber geworden.
627
00:49:46,220 --> 00:49:54,830
Wer will was Lebendiges erkennen und beschreiben,
Sucht erst den Geist heraus zu treiben,
628
00:49:54,870 --> 00:50:02,000
Dann hat er die Teile in seiner Hand,
Fehlt, leider! nur das geistige Band.
629
00:50:03,060 --> 00:50:06,820
Mir wird von alledem so dumm,
Als ging mir ein Mühlrad im Kopf herum.
630
00:50:06,860 --> 00:50:11,550
Nachher, vor allen andern Sachen,
Müßt Ihr Euch an die Metaphysik machen!
631
00:50:11,590 --> 00:50:15,790
Da sieht, daß Ihr tiefsinnig faßt,
Was in des Menschen Hirn nicht paßt;
632
00:50:15,830 --> 00:50:19,610
Für was drein geht und nicht drein geht,
Ein trefflich Wort zu Diensten steht.
633
00:50:19,650 --> 00:50:22,460
Doch vorerst dieses halbe Jahr
Nehmt ja der besten Ordnung wahr.
634
00:50:22,500 --> 00:50:25,610
Fünf Stunden habt Ihr jeden Tag;
Seid drinnen mit dem Glockenschlag!
635
00:50:25,650 --> 00:50:29,780
Habt Euch vorher wohl präpariert,
Paragraphos wohl einstudiert,
636
00:50:29,820 --> 00:50:35,160
Damit Ihr nachher besser seht,
Daß er nichts sagt, als was im Buche steht;
637
00:50:35,200 --> 00:50:42,250
Doch Euch des Schreibens ja befleißt,
Als diktiert, Euch der Heilig Geist!
638
00:50:42,370 --> 00:50:46,550
Das sollt Ihr mir nicht zweimal sagen!
Ich denke mir, wie viel es nützt
639
00:50:46,590 --> 00:50:50,660
Denn, was man schwarz auf weiß besitzt,
Kann man getrost nach Hause tragen.
640
00:50:50,700 --> 00:50:56,210
- Doch wählt mir eine Fakultät!
- Zur Rechtsgelehrsamkeit kann ich mich nicht bequemen.
641
00:50:56,250 --> 00:51:01,960
Ich kann es Euch so sehr nicht übel nehmen,
Ich weiß, wie es um diese Lehre steht.
642
00:51:02,000 --> 00:51:05,720
Es erben sich Gesetz' und Rechte
Wie eine ew'ge Krankheit fort;
643
00:51:05,760 --> 00:51:10,350
Sie schleppen von Geschlecht sich zum Geschlechte,
Und rücken sacht von Ort zu Ort.
644
00:51:10,390 --> 00:51:16,940
Vernunft wird Unsinn, Wohltat Plage;
Weh dir, daß du ein Enkel bist!
645
00:51:16,980 --> 00:51:24,090
Vom Rechte, das mit uns geboren ist,
Von dem ist, leider! nie die Frage.
646
00:51:24,130 --> 00:51:28,680
Mein Abscheu wird durch Euch vermehrt.
O glücklich der, den Ihr belehrt!
647
00:51:28,720 --> 00:51:32,460
Fast möcht ich nun Theologie studieren.
648
00:51:34,800 --> 00:51:37,540
Ich wünschte nicht, Euch irre zu führen.
649
00:51:37,580 --> 00:51:42,530
Was diese Wissenschaft betrifft,
Es ist so schwer, den falschen Weg zu meiden,
650
00:51:42,570 --> 00:51:48,130
Es liegt in ihr so viel verborgnes Gift,
Und von der Arzenei ist's kaum zu unterscheiden.
651
00:51:48,170 --> 00:51:53,610
Am besten ist's auch hier, wenn Ihr nur einen hört,
Und auf des Meisters Worte schwört.
652
00:51:53,650 --> 00:52:00,360
Im ganzen- haltet Euch an Worte!
Dann geht Ihr durch die sichre Pforte
653
00:52:00,400 --> 00:52:02,640
Zum Tempel der Gewißheit ein.
654
00:52:02,680 --> 00:52:04,930
Doch ein Begriff muß bei dem Worte sein.
655
00:52:04,970 --> 00:52:08,870
Schon gut! Nur muß man sich nicht allzu ängstlich quälen
656
00:52:08,910 --> 00:52:13,840
Denn eben wo Begriffe fehlen,
Da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein.
657
00:52:13,870 --> 00:52:18,260
Mit Worten läßt sich trefflich streiten,
Mit Worten ein System bereiten,
658
00:52:18,300 --> 00:52:23,760
An Worte läßt sich trefflich glauben,
Von einem Wort läßt sich kein Jota rauben.
659
00:52:26,940 --> 00:52:33,310
Verzeiht, ich halt Euch auf mit vielen Fragen,
Allem ich muß Euch noch bemühn.
660
00:52:33,350 --> 00:52:36,660
Wollt Ihr mir von der Medizin
Nicht auch ein kräftig Wörtchen sagen?
661
00:52:36,700 --> 00:52:41,370
Ich bin des trocknen Tons nun satt,
Muß wieder recht den Teufel spielen.
662
00:52:41,530 --> 00:52:47,810
Der Geist der Medizin ist leicht zu fassen;
Ihr durchstudiert die groß, und kleine Welt,
663
00:52:47,850 --> 00:52:50,290
Um es am Ende gehn zu lassen,
Wie's Gott gefällt.
664
00:52:50,330 --> 00:52:54,800
Vergebens, daß Ihr ringsum wissenschaftlich schweift,
Ein jeder lernt nur, was er lernen kann;
665
00:52:54,840 --> 00:52:57,790
Doch der den Augenblick begreift,
Das ist der rechte Mann.
666
00:52:57,830 --> 00:53:01,880
Ihr seid noch ziemlich wohl gebaut,
An Kühnheit wird's Euch auch nicht fehlen,
667
00:53:01,920 --> 00:53:05,650
Und wenn Ihr Euch nur selbst vertraut,
Vertrauen Euch die andern Seelen.
668
00:53:05,690 --> 00:53:10,700
Besonders lernt die Weiber führen;
Es ist ihr ewig Weh und Ach
669
00:53:10,740 --> 00:53:13,650
So tausendfach
Aus einem Punkte zu kurieren,
670
00:53:13,690 --> 00:53:17,570
Und wenn Ihr halbweg ehrbar tut,
Dann habt Ihr sie all unterm Hut.
671
00:53:17,610 --> 00:53:22,090
Ein Titel muß sie erst vertraulich machen,
Daß Eure Kunst viel Künste übersteigt;
672
00:53:22,130 --> 00:53:27,930
Zum Willkomm tappt Ihr dann nach allen Siebensachen,
Um die ein andrer viele Jahre streicht,
673
00:53:27,970 --> 00:53:32,710
Versteht das Pülslein wohl zu drücken,
Und fasset sie, mit feurig schlauen Blicken,
674
00:53:32,750 --> 00:53:37,490
Wohl um die schlanke Hüfte frei,
Zu sehn, wie fest geschnürt sie sei.
675
00:53:37,530 --> 00:53:40,530
Das sieht schon besser aus! Man sieht doch, wo und wie.
676
00:53:40,570 --> 00:53:44,950
Grau, teurer Freund, ist alle Theorie,
677
00:53:45,090 --> 00:53:49,150
Und grün des Lebens goldner Baum.
678
00:53:49,490 --> 00:53:54,230
Ich schwör Euch zu, mir ist's als wie ein Traum.
679
00:53:54,510 --> 00:53:59,400
Dürft ich Euch wohl ein andermal beschweren,
Von Eurer Weisheit auf den Grund zu hören?
680
00:53:59,540 --> 00:54:02,830
Was ich vermag, soll gern geschehn.
681
00:54:02,870 --> 00:54:04,750
Ich kann unmöglich wieder gehn,
682
00:54:04,790 --> 00:54:09,460
Ich muß Euch noch mein Stammbuch überreichen,
Gönn Eure Gunst mir dieses Zeichen!
683
00:54:09,500 --> 00:54:11,700
Sehr wohl.
684
00:54:14,620 --> 00:54:20,250
Eritis sicut Deus, scientes bonum et malum.
685
00:54:21,840 --> 00:54:31,760
Folg nur dem alten Spruch und meiner Muhme, der Schlange,
Dir wird gewiß einmal bei deiner Gottähnlichkeit bange!
686
00:54:34,130 --> 00:54:35,600
Wohin soll es nun gehn?
687
00:54:35,840 --> 00:54:39,100
Wohin es dir gefällt.
Wir sehn die kleine, dann die große Welt.
688
00:54:39,140 --> 00:54:42,840
Mit welcher Freude, welchem Nutzen
Wirst du den Cursum durchschmarutzen!
689
00:54:42,880 --> 00:54:45,460
Es wird mir der Versuch nicht glücken;
Ich wußte nie mich in die Welt zu schicken.
690
00:54:45,500 --> 00:54:47,980
Vor andern fühl ich mich so klein;
Ich werde stets verlegen sein.
691
00:54:48,020 --> 00:54:52,800
Mein guter Freund, das wird sich alles geben;
Sobald du dir vertraust, sobald weißt du zu leben.
692
00:54:52,840 --> 00:54:54,930
Wie kommen wir denn aus dem Haus?
Wo hast du Pferde, Knecht und Wagen?
693
00:54:54,970 --> 00:54:58,600
Wir breiten nur den Mantel aus,
Der soll uns durch die Lüfte tragen.
694
00:54:58,640 --> 00:55:03,730
Ein bißchen Feuerluft, die ich bereiten werde,
Hebt uns behend von dieser Erde.
695
00:55:03,770 --> 00:55:10,320
Und sind wir leicht, so geht es schnell hinauf;
Ich gratuliere dir zum neuen Lebenslauf!
696
00:55:14,790 --> 00:55:20,340
Will keiner trinken? keiner lachen?
Ich will euch lehren Gesichter machen!
697
00:55:20,480 --> 00:55:24,370
Ihr seid ja heut wie nasses Stroh,
Und brennt sonst immer lichterloh.
698
00:55:24,410 --> 00:55:30,300
Das liegt an dir; du bringst ja nichts herbei,
Nicht eine Dummheit, keine Sauerei.
699
00:55:30,490 --> 00:55:32,160
Da hast du beides!
700
00:55:32,300 --> 00:55:33,600
Doppelt Schwein!
701
00:55:33,640 --> 00:55:36,130
Ihr wollt es ja, man soll es sein!
702
00:55:37,290 --> 00:55:40,740
Schwing dich auf, Frau Nachtigall,
703
00:55:40,780 --> 00:55:48,640
Grüß mir mein Liebchen, Grüß mir mein Liebchen,
Grüß mir mein Liebchen, Grüß mir mein Liebchen
zehntausendmal.
704
00:55:48,680 --> 00:55:50,540
Dem Liebchen keinen Gruß! ich will davon nichts hören!
705
00:55:50,580 --> 00:55:53,120
Dem Liebchen Gruß und Kuß! du wirst mir's nicht verwehren!
706
00:55:53,160 --> 00:55:57,280
Riegel auf! in stiller Nacht.
Riegel auf! der Liebste wacht.
707
00:55:57,320 --> 00:56:00,690
Riegel zu! des Morgens früh.
708
00:56:00,730 --> 00:56:02,620
Ja, singe, singe nur und lob und rühme sie!
709
00:56:02,660 --> 00:56:05,820
Ich will zu meiner Zeit schon lachen.
Sie hat mich angeführt, dir wird sie's auch so machen.
710
00:56:05,860 --> 00:56:09,120
Ich will von keinem Gruße wissen,
Als ihr die Fenster eingeschmissen
711
00:56:09,210 --> 00:56:12,760
Ich muß dich nun vor allen Dingen
In lustige Gesellschaft bringen,
712
00:56:12,800 --> 00:56:19,040
Damit du siehst, wie leicht sich's leben läßt.
Dem Volke hier wird jeder Tag ein Fest.
713
00:56:19,180 --> 00:56:20,590
Die kommen eben von der Reise,
714
00:56:20,630 --> 00:56:23,780
Man sieht`s an ihrer wunderlichen Weise
Sie sind nicht eine Stunde hier.
715
00:56:23,820 --> 00:56:28,430
Wahrhaftig, du hast recht! Mein Leipzig lob ich mir!
Es ist ein klein Paris, und bildet seine Leute.
716
00:56:28,470 --> 00:56:31,570
- Für was siehst du die Fremden an?
- Laß mich nur gehn! Bei einem vollen Glase
717
00:56:31,610 --> 00:56:35,210
Zieh ich, wie einen Kinderzahn,
Den Burschen leicht die Würmer aus der Nase.
718
00:56:35,250 --> 00:56:38,640
Sie scheinen mir aus einem edlen Haus,
Sie sehen stolz und unzufrieden aus.
719
00:56:38,700 --> 00:56:40,570
Marktschreier sind's gewiß, ich wette!
720
00:56:40,610 --> 00:56:41,520
Vielleicht.
721
00:56:41,560 --> 00:56:44,170
Gib acht, ich schraube sie!
722
00:56:44,260 --> 00:56:50,280
Den Teufel spürt das Völkchen nie,
Und wenn er sie beim Kragen hätte.
723
00:56:51,940 --> 00:56:54,900
Seid uns gegrüßt, ihr Herrn!
724
00:57:00,400 --> 00:57:02,390
Viel Dank zum Gegengruß.
725
00:57:02,430 --> 00:57:08,310
Ist es erlaubt, uns auch zu euch zu setzen?
Statt eines guten Trunks, den man nicht haben kann
726
00:57:08,350 --> 00:57:12,260
- Soll die Gesellschaft uns ergetzen.
- Ihr scheint ein sehr verwöhnter Mann.
727
00:57:12,300 --> 00:57:15,980
Wenn ich nicht irrte, hörten wir
Geübte Stimmen Chorus singen?
728
00:57:16,020 --> 00:57:20,530
Gewiß, Gesang muß trefflich hier
Von dieser Wölbung widerklingen!
729
00:57:20,670 --> 00:57:27,220
- Seid Ihr wohrgar ein Virtuos?
- O nein! die Kraft ist schwach, allein die Lust ist groß.
730
00:57:27,260 --> 00:57:28,160
Gebt uns ein Lied!
731
00:57:28,200 --> 00:57:30,730
- Wenn ihr begehrt, die Menge.
- Nur auch ein nagelneues Stück!
732
00:57:30,770 --> 00:57:36,520
Wir kommen erst aus Spanien zurück,
Dem schönen Land des Weins und der Gesänge.
733
00:57:42,100 --> 00:57:46,560
Es war einmal ein König,
Der hatt einen großen Floh-
734
00:57:46,600 --> 00:57:50,580
Horcht! Einen Froh! Habt ihr das wohl gefaßt?
Ein Floh ist mir ein saubrer Gast.
735
00:57:50,680 --> 00:57:55,550
Es war einmal ein König
Der hatt einen großen Floh,
736
00:57:55,590 --> 00:58:00,430
Den liebt, er gar nicht wenig,
Als wie seinen eignen Sohn.
737
00:58:00,470 --> 00:58:04,760
Da rief er seinen Schneider,
Der Schneider kam heran:
738
00:58:04,800 --> 00:58:08,980
Da, miß dem Junker Kleider
Und miß ihm Hosen an!
739
00:58:09,020 --> 00:58:12,740
Da, miß dem Junker Kleider
Und miß ihm Hosen an!
740
00:58:13,080 --> 00:58:20,240
In Sammet und in Seide
War er nun angetan
741
00:58:20,280 --> 00:58:27,610
Hatte Bänder auf dem Kleide,
Hatt auch ein Kreuz daran
742
00:58:27,650 --> 00:58:34,260
Und war sogleich Minister,
Und hatt einen großen Stern.
743
00:58:34,300 --> 00:58:37,880
Da wurden seine Geschwister
Bei Hof auch große Herrn.
744
00:58:37,920 --> 00:58:41,630
Da wurden seine Geschwister
Bei Hof auch große Herrn.
745
00:58:42,170 --> 00:58:46,870
Und Herrn und Fraun beim Hofe,
Die waren sehr geplagt,
746
00:58:46,910 --> 00:58:51,580
Die Königin und die Zofe
Gestochen und genagt,
747
00:58:51,620 --> 00:58:55,700
Und durften sie nicht knicken,
Und weg sie jucken nicht.
748
00:58:55,740 --> 00:59:00,010
Wir knicken und ersticken
Doch gleich, wenn einer sticht.
749
00:59:00,050 --> 00:59:03,370
Wir knicken und ersticken
Doch gleich, wenn einer sticht.
750
00:59:03,610 --> 00:59:06,870
- Bravo! Bravo! Das war schön!
- So soll es jedem Floh ergehn!
751
00:59:06,910 --> 00:59:08,440
Spitzt die Finger und packt sie fein!
752
00:59:08,480 --> 00:59:10,230
Es lebe die Freiheit! Es lebe der Wein!
753
00:59:10,270 --> 00:59:15,460
Ich tränke gern ein Glas, die Freiheit hoch zu ehren,
Wenn eure Weine nur ein bißchen besser wären.
754
00:59:15,500 --> 00:59:17,220
Wir mögen das nicht wieder hören!
755
00:59:17,260 --> 00:59:19,160
Ich fürchte nur, der Wirt beschweret sich;
756
00:59:19,200 --> 00:59:23,420
Sonst gäb ich diesen werten Gästen
Aus unserm Keller was zum besten.
757
00:59:23,460 --> 00:59:25,450
Nur immer her! ich nehm's auf mich.
758
00:59:25,590 --> 00:59:30,010
Schafft Ihr ein gutes Glas, so wollen wir Euch loben.
Nur gebt nicht gar zu kleine Proben
759
00:59:30,050 --> 00:59:33,300
Denn wenn ich judizieren soll,
Verlang ich auch das Maul recht voll.
760
00:59:33,380 --> 00:59:35,480
Nun sagt, was wünschet Ihr zu schmecken?
761
00:59:35,520 --> 00:59:37,320
Wie meint Ihr das? Habt Ihr so mancherlei?
762
00:59:37,360 --> 00:59:39,060
Ich stell es einem jeden frei.
763
00:59:39,100 --> 00:59:41,180
Aha! du fängst schon an, die Lippen abzulecken.
764
00:59:41,220 --> 00:59:47,910
Gut! wenn ich wählen soll, so will ich Rheinwein haben.
Das Vaterland verleiht die allerbesten Gaben.
765
00:59:48,080 --> 00:59:50,500
Verschafft ein wenig Wachs, die Pfropfen gleich zu machen
766
00:59:50,540 --> 00:59:51,670
Ach, das sind Taschenspielersachen.
767
00:59:51,710 --> 00:59:52,670
Und Ihr?
768
00:59:52,710 --> 00:59:55,050
Ich will Champagner Wein
Und recht moussierend soll er sein!
769
00:59:55,090 --> 00:59:58,090
Man kann nicht stets das Fremde meiden
Das Gute liegt uns oft so fern.
770
00:59:58,130 --> 01:00:02,000
Ein echter deutscher Mann mag keinen Franzen leiden,
Doch ihre Weine trinkt er gern.
771
01:00:02,080 --> 01:00:05,550
Ich muß gestehn, den sauern mag ich nicht,
Gebt mir ein Glas vom echten süßen!
772
01:00:05,590 --> 01:00:08,460
Euch soll sogleich Tokayer fließen.
773
01:00:08,500 --> 01:00:11,540
Nein, Herren, seht mir ins Gesicht!
Ich seh es ein, ihr habt uns nur zum besten.
774
01:00:11,580 --> 01:00:15,040
Ei! Ei! Mit solchen edlen Gästen
Wär es ein bißchen viel gewagt.
775
01:00:15,080 --> 01:00:18,190
Geschwind! Nur grad heraus gesagt!
Mit welchem Weine kann ich dienen?
776
01:00:18,230 --> 01:00:20,640
Mit jedem! Nur nicht lang gefragt.
777
01:00:21,660 --> 01:00:24,380
Trauben trägt der Weinstock!
Hörner der Ziegenbock;
778
01:00:24,420 --> 01:00:31,510
Der Wein ist saftig, Holz die Reben,
Der hölzerne Tisch kann Wein auch geben.
779
01:00:31,550 --> 01:00:38,070
Ein tiefer Blick in die Natur!
Hier ist ein Wunder, glaubet nur!
780
01:00:38,210 --> 01:00:40,600
Nun zieht die Pfropfen und genießt!
781
01:00:45,440 --> 01:00:50,920
- O schöner Brunnen, der uns fließt!
- Nur hütet euch, daß ihr mir nichts vergießt!
782
01:00:52,420 --> 01:01:09,490
Uns ist ganz kannibalisch wohl,
Als wie fünfhundert Säuen!
783
01:01:10,230 --> 01:01:14,140
- Das Volk ist frei, seht an, wie wohl's ihm geht!
- Ich hätte Lust, nun abzufahren.
784
01:01:14,180 --> 01:01:18,530
Gib nur erst acht, die Bestialität
Wird sich gar herrlich offenbaren.
785
01:01:19,070 --> 01:01:26,280
- Helft! Feuer! helft! Die Hölle brennt!
- Sei ruhig, freundlich Element!
786
01:01:26,920 --> 01:01:29,780
Für diesmal war es nur ein Tropfen Fegefeuer.
787
01:01:29,820 --> 01:01:35,340
Was soll das sein? Wart! Ihr bezahlt es teuer!
Es scheinet, daß Ihr uns nicht kennt.
788
01:01:35,380 --> 01:01:36,780
Still, altes Weinfaß!
789
01:01:36,820 --> 01:01:40,030
Besenstiel! Du willst uns gar noch grob begegnen?
790
01:01:40,070 --> 01:01:41,700
Wart nur, es sollen Schläge regnen!
791
01:01:41,740 --> 01:01:43,350
Ich brenne! ich brenne!
792
01:01:43,390 --> 01:01:48,290
Zauberei!
Stoßt zu! der Kerl ist vogelfrei!
793
01:01:51,930 --> 01:01:54,730
Falsch Gebild und Wort
Verändern Sinn und Ort!
794
01:01:54,770 --> 01:01:56,700
Seid hier und dort!
795
01:02:07,490 --> 01:02:10,420
Wo bin ich? Welches schöne Land!
796
01:02:10,460 --> 01:02:13,220
Weinberge! Seh ich recht?
797
01:02:13,260 --> 01:02:16,390
Und Trauben gleich zur Hand!
798
01:02:16,430 --> 01:02:23,590
Hier unter diesem grünen Laube,
Seht, welch ein Stock! Seht, welche Traube!
799
01:02:23,730 --> 01:02:26,320
Irrtum, laß los der Augen Band!
800
01:02:28,600 --> 01:02:31,950
Und merkt euch, wie der Teufel spaße.
801
01:02:34,120 --> 01:02:35,460
Was gibt’s?
802
01:02:35,630 --> 01:02:36,580
Wie?
803
01:02:36,620 --> 01:02:38,190
War das deine Nase?
804
01:02:38,230 --> 01:02:40,410
Und deine hab ich in der Hand!
805
01:02:40,750 --> 01:02:44,100
Mir deuchte doch, als tränk ich Wein.
806
01:02:44,240 --> 01:02:47,700
Betrug war alles, Lug und Schein.
807
01:02:47,740 --> 01:02:51,340
Aber wie war es mit den Trauben?
808
01:02:51,380 --> 01:02:54,980
Nun sag mir eins, man soll kein Wunder glauben!
809
01:02:56,530 --> 01:03:03,320
Mir widersteht das tolle Zauberwesen!
Versprichst du mir, ich soll genesen
In diesem Wust von Raserei?
810
01:03:03,460 --> 01:03:09,000
Verlang ich Rat von einem alten Weibe?
Und schafft die Sudelköcherei
Wohl dreißig Jahre mir vom Leibe?
811
01:03:09,040 --> 01:03:14,720
Sieh, welch ein zierliches Geschlecht!
Das ist die Magd! das ist der Knecht!
812
01:03:14,860 --> 01:03:17,570
Es scheint, die Frau ist nicht zu Hause?
813
01:03:17,610 --> 01:03:18,270
Beim Schmause,
814
01:03:18,310 --> 01:03:20,720
- Aus dem Haus
- Zum Schornstein hinaus!
815
01:03:20,760 --> 01:03:23,860
Wie lange pflegt sie wohl zu schwärmen?
816
01:03:23,900 --> 01:03:26,280
So lange wir uns die Pfoten wärmen.
817
01:03:26,320 --> 01:03:28,690
Wie findest du die zarten Tiere?
818
01:03:28,730 --> 01:03:30,740
So abgeschmackt, als ich nur jemand sah!
819
01:03:32,070 --> 01:03:39,070
Nein, ein Discours wie dieser da
Ist grade der, den ich am liebsten führe!
820
01:03:40,510 --> 01:03:42,000
Das ist die Welt;
821
01:03:42,140 --> 01:03:43,460
Sie steigt und fällt
822
01:03:43,700 --> 01:03:45,560
Und rollt beständig;
823
01:03:46,720 --> 01:03:48,120
Sie klingt wie Glas -
824
01:03:48,380 --> 01:03:50,640
- Wie bald bricht das!
- Ist hohl inwendig.
825
01:03:50,680 --> 01:03:53,810
- Hier glänzt sie sehr,
- Und hier noch mehr:
- "Ich bin lebendig!"
826
01:03:53,850 --> 01:03:55,930
- Mein lieber Sohn,
Halt dich davon!
- Du mußt sterben!
827
01:03:55,960 --> 01:03:58,420
Sie ist von Ton
Es gibt Scherben
828
01:03:58,960 --> 01:04:02,310
Was seh ich? Welch ein himmlisch Bild
Zeigt sich in diesem Zauberspiegel!
829
01:04:02,390 --> 01:04:05,640
O Liebe, leihe mir den schnellsten deiner Flügel,
Und führe mich in ihr Gefild!
830
01:04:05,680 --> 01:04:08,740
Ist's möglich, ist das Weib so schön?
So etwas findet sich auf Erden?
831
01:04:08,780 --> 01:04:12,620
Natürlich, wenn ein Gott sich erst sechs Tage plagt,
832
01:04:12,660 --> 01:04:17,800
Und selbst am Ende Bravo sagt,
Da muß es was Gescheites werden.
833
01:04:18,870 --> 01:04:21,060
Au! Au! Au! Au!
Verdammtes Tier! verfluchte Sau!
834
01:04:21,100 --> 01:04:25,390
Versäumst den Kessel, versengst die Frau!
Verfluchtes Tier!
835
01:04:25,430 --> 01:04:26,790
Was ist das hier?
836
01:04:26,830 --> 01:04:29,060
Wer seid ihr hier?
Was wollt ihr da?
Wer schlich sich ein?
837
01:04:29,100 --> 01:04:31,600
Die Feuerpein
Euch ins Gebein!
838
01:04:31,640 --> 01:04:34,460
Hast du vorm roten Wams nicht mehr Respekt?
839
01:04:34,500 --> 01:04:39,220
Kannst du die Hahnenfeder nicht erkennen?
Hab ich dies Angesicht versteckt?
840
01:04:39,260 --> 01:04:40,980
Soll ich mich etwa selber nennen?
841
01:04:41,020 --> 01:04:45,780
Sinn und Verstand verlier ich schier,
Seh ich den Junker Satan wieder hier!
842
01:04:45,820 --> 01:04:47,620
Den Namen, Weib, verbitt ich mir!
843
01:04:47,660 --> 01:04:49,330
Warum? Was hat er Euch getan?
844
01:04:49,370 --> 01:04:53,300
Er ist schon lang ins Fabelbuch geschrieben;
Allein die Menschen sind nichts besser dran,
845
01:04:53,340 --> 01:04:56,910
Den Bösen sind sie los, die Bösen sind geblieben.
846
01:04:56,950 --> 01:05:00,380
Du nennst mich Herr Baron, so ist die Sache gut;
847
01:05:00,420 --> 01:05:03,260
Ich bin ein Kavalier, wie andre Kavaliere.
848
01:05:03,870 --> 01:05:07,590
Ha! Ha! Das ist in Eurer Art!
Ihr seid ein Schelm, wie Ihr nur immer wart!
849
01:05:07,630 --> 01:05:12,120
Mein Freund, das lerne wohl verstehn!
Dies ist die Art, mit Hexen umzugehn.
850
01:05:12,160 --> 01:05:14,370
Nun sagt, ihr Herren, was ihr schafft.
851
01:05:14,410 --> 01:05:19,890
Ein gutes Glas von dem bekannten Saft!
Doch muß ich Euch ums ältste bitten;
Die Jahre doppeln seine Kraft.
852
01:05:19,930 --> 01:05:24,750
Gar gern! Hier hab ich eine Flasche,
Aus der ich selbst zuweilen nasche,
Die auch nicht mehr im mindsten stinkt;
853
01:05:24,790 --> 01:05:28,270
Ich will euch gern ein Gläschen geben.
Doch wenn es dieser Mann unvorbereitet trinkt
854
01:05:28,310 --> 01:05:29,940
So kann er, wißt Ihr wohl, nicht eine Stunde leben.
855
01:05:29,980 --> 01:05:34,150
Es ist ein guter Freund, dem es gedeihen soll;
Ich gönn ihm gern das Beste deiner Küche.
856
01:05:34,190 --> 01:05:38,820
Zieh deinen Kreis, sprich deine Sprüche,
Und gib ihm eine Tasse voll!
857
01:06:00,050 --> 01:06:03,580
Nein, sage mir, was soll das werden?
Das tolle Zeug, die rasenden Gebärden,
858
01:06:03,620 --> 01:06:07,010
Der abgeschmackteste Betrug,
Sind mir bekannt, verhaßt genug.
859
01:06:07,050 --> 01:06:09,160
Ei Possen! Das ist nur zum Lachen;
860
01:06:09,200 --> 01:06:13,740
Sei nur nicht ein so strenger Mann!
Sie muß als Arzt ein Hokuspokus machen,
861
01:06:13,780 --> 01:06:15,560
Damit der Saft dir wohl gedeihen kann.
862
01:06:15,600 --> 01:06:18,440
Du mußt verstehn!
Aus Eins mach Zehn,
863
01:06:18,480 --> 01:06:21,140
Und Zwei laß gehn,
Und Drei mach gleich,
So bist du reich.
864
01:06:21,180 --> 01:06:23,110
Verlier die Vier!
Aus Fünf und Sechs,
865
01:06:23,130 --> 01:06:25,070
So sagt die Hex,
Mach Sieben und Acht,
So ist's vollbracht:
866
01:06:25,110 --> 01:06:28,380
Und Neun ist Eins,
Und Zehn ist keins.
867
01:06:28,420 --> 01:06:31,070
Das ist das Hexen-Einmaleins!
868
01:06:31,110 --> 01:06:32,980
Mich dünkt, die Alte spricht im Fieber.
869
01:06:33,020 --> 01:06:34,820
Das ist noch lange nicht vorüber,
870
01:06:34,860 --> 01:06:41,890
Gewöhnlich glaubt der Mensch, wenn er nur Worte hört,
Es müsse sich dabei doch auch was denken lassen.
871
01:06:43,710 --> 01:06:48,310
Die hohe Kraft
Der Wissenschaft,
Der ganzen Welt verborgen!
872
01:06:48,350 --> 01:06:54,200
Und wer nicht denkt,
Dem wird sie geschenkt,
Er hat sie ohne Sorgen.
873
01:06:54,600 --> 01:06:57,720
Nur frisch hinunter! Immer zu!
Es wird dir gleich das Herz erfreuen.
874
01:06:57,760 --> 01:07:01,260
Bist mit dem Teufel du und du,
Und willst dich vor der Flamme scheuen?
875
01:07:01,590 --> 01:07:04,920
- Nun frisch hinaus! Du darfst nicht ruhn.
- Mög Euch das Schlückchen wohl behagen!
876
01:07:04,960 --> 01:07:08,880
Und kann ich dir was zu Gefallen tun,
So darfst du mir's nur auf Walpurgis sagen.
877
01:07:08,920 --> 01:07:11,690
Laß mich nur schnell noch in den Spiegel schauen!
Das Frauenbild war gar zu schön!
878
01:07:11,730 --> 01:07:15,980
Nein! Nein! Du sollst das Muster aller Frauen
Nun bald leibhaftig vor dir sehn.
879
01:07:16,020 --> 01:07:21,220
Du siehst, mit diesem Trank im Leibe,
Bald Helen in jedem Weibe.
880
01:07:36,230 --> 01:07:40,330
Mein schönes Fräulein, darf ich wagen,
Meinen Arm und Geleit Ihr anzutragen?
881
01:07:40,670 --> 01:07:45,760
Bin weder Fräulein, weder schön,
Kann ungeleitet nach Hause gehn.
882
01:07:47,350 --> 01:07:51,000
Beim Himmel, dieses Kind ist schön!
So etwas hab ich nie gesehn.
883
01:07:51,140 --> 01:07:54,710
Sie ist so sitt- und tugendreich,
Und etwas schnippisch doch zugleich.
884
01:07:54,810 --> 01:07:58,260
Der Lippe Rot, der Wange Licht,
Die Tage der Welt vergeß ich's nicht!
885
01:07:58,300 --> 01:08:01,390
Wie sie die Augen niederschlägt,
Hat tief sich in mein Herz geprägt;
886
01:08:01,430 --> 01:08:05,470
Wie sie kurz angebunden war,
Das ist nun zum Entzücken gar!
887
01:08:06,710 --> 01:08:08,590
Hör, du mußt mir die Dirne schaffen!
888
01:08:08,630 --> 01:08:10,890
- Nun, welche?
- Sie ging just vorbei.
889
01:08:10,930 --> 01:08:14,730
Da die? Sie kam von ihrem Pfaffen,
Der sprach sie aller Sünden frei
890
01:08:14,770 --> 01:08:16,390
Ich schlich mich hart am Stuhl vorbei,
891
01:08:16,430 --> 01:08:20,490
Sie ist ein gar unschuldig Ding,
Das eben für nichts zur Beichte ging;
892
01:08:20,530 --> 01:08:22,990
Über die hab ich keine Gewalt!
893
01:08:23,030 --> 01:08:24,410
Ist über vierzehn Jahr doch alt.
894
01:08:24,450 --> 01:08:28,530
Du sprichst ja wie Hans Liederlich,
Der begehrt jede liebe Blum für sich,
895
01:08:28,570 --> 01:08:31,570
Und dünkelt ihm, es wär kein Ehr
Und Gunst, die nicht zu pflücken wär;
896
01:08:31,610 --> 01:08:32,810
Geht aber doch nicht immer an.
897
01:08:32,850 --> 01:08:35,220
Mein Herr Magister Lobesan,
Laß Er mich mit dem Gesetz in Frieden!
898
01:08:35,250 --> 01:08:37,540
Und das sag ich Ihm kurz und gut:
Wenn nicht das süße junge Blut
899
01:08:37,570 --> 01:08:39,610
Heut Nacht in meinen Armen ruht,
So sind wir um Mitternacht geschieden.
900
01:08:39,650 --> 01:08:41,200
Bedenkt, was gehn und stehen mag!
901
01:08:41,240 --> 01:08:45,140
Ich brauche wenigstens vierzehn Tag,
Nur die Gelegenheit auszuspüren.
902
01:08:45,180 --> 01:08:48,950
Hätt ich nur sieben Stunden Ruh,
Brauchte den Teufel nicht dazu
So ein Geschöpfchen zu verführen.
903
01:08:48,990 --> 01:08:54,320
Ihr sprecht schon fast wie ein Franzos;
Doch bitt ich, laßt's Euch nicht verdrießen:
904
01:08:54,360 --> 01:08:58,030
Was hilft's, nur grade zu genießen?
Die Freud ist lange nicht so groß,
905
01:08:58,070 --> 01:09:01,580
Als wenn Ihr erst herauf, herum
Durch allerlei Brimborium,
906
01:09:01,620 --> 01:09:05,900
Das Püppchen geknetet und zugericht't
Wie's lehret manche welsche Geschicht.
907
01:09:05,940 --> 01:09:08,910
- Hab Appetit auch ohne das.
- Jetzt ohne Schimpf und ohne Spaß:
908
01:09:08,950 --> 01:09:12,660
Ich sag Euch, mit dem schönen Kind
Geht's ein für allemal nicht geschwind.
909
01:09:12,700 --> 01:09:16,980
Mit Sturm ist da nichts einzunehmen;
Wir müssen uns zur List bequemen.
910
01:09:17,020 --> 01:09:19,270
Schaff mir etwas vom Engelsschatz!
Führ mich an ihren Ruheplatz!
911
01:09:19,310 --> 01:09:21,920
Schaff mir ein Halstuch von ihrer Brust,
Ein Strumpfband meiner Liebeslust!
912
01:09:21,960 --> 01:09:25,930
Damit Ihr seht, daß ich Eurer Pein
Will förderlich und dienstlich sein'
913
01:09:25,970 --> 01:09:30,170
Wollen wir keinen Augenblick verlieren,
Will Euch noch heut in ihr Zimmer führen.
914
01:09:30,210 --> 01:09:31,260
Und soll sie sehn? sie haben?
915
01:09:31,300 --> 01:09:34,940
Nein! Sie wird bei einer Nachbarin sein.
916
01:09:34,980 --> 01:09:42,510
Indessen könnt Ihr ganz allein
An aller Hoffnung künft'ger Freuden
In ihrem Dunstkreis satt Euch weiden.
917
01:09:42,550 --> 01:09:45,510
- Können wir hin?
- Es ist noch zu früh.
918
01:09:45,550 --> 01:09:47,140
Sorg du mir für ein Geschenk für sie!
919
01:09:47,180 --> 01:09:53,010
Gleich schenken? Das ist brav! Da wird er reüssieren!
Ich kenne manchen schönen Platz
920
01:09:53,050 --> 01:09:58,580
Und manchen altvergrabnen Schatz;
Ich muß ein bißchen revidieren.
921
01:10:01,530 --> 01:10:06,000
Ich gäb was drum, wenn ich nur wüßt,
Wer heut der Herr gewesen ist!
922
01:10:06,930 --> 01:10:10,470
Er sah gewiß recht wacker aus
Und ist aus einem edlen Haus;
923
01:10:10,510 --> 01:10:13,490
Das konnt ich ihm an der Stirne lesen-
924
01:10:14,660 --> 01:10:17,250
Er wär auch sonst nicht so keck gewesen.
925
01:10:22,020 --> 01:10:24,810
Herein, ganz leise, nur herein!
926
01:10:24,850 --> 01:10:28,500
- Ich bitte dich, laß mich allein!
- Nicht jedes Mädchen hält so rein.
927
01:10:32,430 --> 01:10:38,030
Willkommen, süßer Dämmerschein,
Der du dies Heiligtum durchwebst!
928
01:10:38,160 --> 01:10:43,330
Ergreif mein Herz, du süße Liebespein,
Die du vom Tau der Hoffnung schmachtend lebst!
929
01:10:43,640 --> 01:10:48,570
Wie atmet rings Gefühl der Stille,
Der Ordnung, der Zufriedenheit!
930
01:10:48,610 --> 01:10:54,950
In dieser Armut welche Fülle!
In diesem Kerker welche Seligkeit!
931
01:10:55,450 --> 01:10:56,740
Und hier!
932
01:10:56,980 --> 01:11:01,210
Was faßt mich für ein Wonnegraus!
Hier möcht ich volle Stunden säumen.
933
01:11:01,350 --> 01:11:05,610
Natur, hier bildetest in leichten Träumen
Den eingebornen Engel aus!
934
01:11:06,100 --> 01:11:10,020
Hier lag das Kind! mit warmem Leben
Den zarten Busen angefüllt,
935
01:11:10,160 --> 01:11:14,700
Und hier mit heilig reinem Weben
Entwirkte sich das Götterbild!
936
01:11:15,720 --> 01:11:22,580
Und du! Was hat dich hergeführt?
Wie innig fühl ich mich gerührt!
937
01:11:22,620 --> 01:11:29,950
Was willst du hier? Was wird das Herz dir schwer?
Armsel'ger Faust! ich kenne dich nicht mehr.
938
01:11:30,040 --> 01:11:34,410
Umgibt mich hier ein Zauberduft?
Mich drang's, so grade zu genießen,
939
01:11:34,450 --> 01:11:42,570
Und fühle mich in Liebestraum zerfließen!
Sind wir ein Spiel von jedem Druck der Luft?
940
01:11:42,780 --> 01:11:46,440
Und träte sie den Augenblick herein,
Wie würdest du für deinen Frevel büßen!
941
01:11:46,480 --> 01:11:50,300
Der große Hans, ach wie so klein!
Läg, hingeschmolzen, ihr zu Füßen.
942
01:11:50,640 --> 01:11:53,450
- Geschwind! ich seh sie unten kommen.
- Fort! Fort! Ich kehre nimmermehr!
943
01:11:53,490 --> 01:11:56,800
Hier ist ein Kästchen leidlich schwer,
Ich hab's wo anders hergenommen.
944
01:11:56,840 --> 01:12:00,710
Stellt's hier nur immer in den Schrein,
Ich schwör Euch, ihr vergehn die Sinnen;
945
01:12:00,750 --> 01:12:06,720
Ich tat Euch Sächelchen hinein,
Um eine andre zu gewinnen.
Zwar Kind ist Kind, und Spiel ist Spiel.
946
01:12:06,760 --> 01:12:09,360
- Ich weiß nicht, soll ich?
- Fragt Ihr viel?
947
01:12:09,400 --> 01:12:12,840
Meint Ihr vielleicht den Schatz zu wahren?
Dann rat ich Eurer Lüsternheit,
948
01:12:12,880 --> 01:12:18,880
Die liebe schöne Tageszeit
Und mir die weitre Müh zu sparen.
Ich hoff nicht, daß Ihr geizig seid!
949
01:12:19,320 --> 01:12:23,720
Ich kratz den Kopf, reib an den Händen-
Nur fort! geschwind!
950
01:12:23,760 --> 01:12:27,010
Um Euch das süße junge Kind
Nach Herzens Wunsch und Will zu wenden;
951
01:12:27,050 --> 01:12:28,150
Nur fort!
952
01:12:33,130 --> 01:12:36,230
Es ist so schwül, so dumpfig hie
953
01:12:36,560 --> 01:12:38,980
Und ist doch eben so warm nicht drauß.
954
01:12:41,510 --> 01:12:48,320
Es wird mir so, ich weiß nicht wie-
Ich wollt, die Mutter käm nach Haus.
955
01:12:49,220 --> 01:12:52,930
Es war ein König in Thule
956
01:12:53,370 --> 01:12:56,890
Gar treu bis an das Grab,
957
01:12:57,330 --> 01:13:04,480
Dem sterbend seine Buhle
Einen goldnen Becher gab.
958
01:13:05,010 --> 01:13:08,590
Und als er kam zu sterben,
959
01:13:09,020 --> 01:13:16,740
Zählt er seine Städt und Reich,
Gönnt alles seinem Erben,
960
01:13:16,870 --> 01:13:20,430
Den Becher nicht zugleich.
961
01:13:20,660 --> 01:13:27,910
Er saß beim Königsmahle,
Die Ritter um ihn her,
962
01:13:28,060 --> 01:13:35,310
Auf hohem Vätersaale,
Dort auf dem Schloß am Meer.
963
01:13:35,350 --> 01:13:42,750
Dort stand der alte Zecher,
Trank letzte Lebensglut
964
01:13:42,790 --> 01:13:50,250
Und warf den heiligen Becher
Hinunter in die Flut.
965
01:13:50,470 --> 01:13:58,070
Er sah ihn stürzen, trinken
Und sinken tief ins Meer,
966
01:13:58,230 --> 01:14:02,410
Die Augen täten ihm sinken,
967
01:14:02,450 --> 01:14:06,850
Trank nie einen Tropfen mehr.
968
01:14:09,390 --> 01:14:12,110
Wie kommt das schöne Kästchen hier herein?
969
01:14:12,750 --> 01:14:19,160
Ich schloß doch ganz gewiß den Schrein.
Es ist doch wunderbar! Was mag wohl drinne sein?
970
01:14:19,540 --> 01:14:23,240
Vielleicht bracht's jemand als ein Pfand,
Und meine Mutter lieh darauf.
971
01:14:23,520 --> 01:14:25,820
Da hängt ein Schlüsselchen am Band
972
01:14:26,230 --> 01:14:28,340
Ich denke wohl, ich mach es auf!
973
01:14:32,780 --> 01:14:38,470
Was ist das? Gott im Himmel! Schau,
So was hab ich mein Tage nicht gesehn!
974
01:14:39,280 --> 01:14:44,950
Ein Schmuck! Mit dem könnt eine Edelfrau
Am höchsten Feiertage gehn.
975
01:14:45,360 --> 01:14:47,720
Wie sollte mir die Kette stehn?
976
01:14:48,270 --> 01:14:50,340
Wem mag die Herrlichkeit gehören?
977
01:14:51,140 --> 01:14:53,850
Wenn nur die Ohrring meine wären!
978
01:14:56,510 --> 01:14:59,050
Man sieht doch gleich ganz anders drein.
979
01:14:59,430 --> 01:15:05,350
Was hilft euch Schönheit, junges Blut?
Das ist wohl alles schön und gut,
Allein man läßt's auch alles sein;
980
01:15:05,490 --> 01:15:08,790
Man lobt euch halb mit Erbarmen.
981
01:15:10,140 --> 01:15:11,820
Nach Golde drängt,
982
01:15:11,860 --> 01:15:16,670
Am Golde hängt
Doch alles. Ach wir Armen!
983
01:15:16,810 --> 01:15:22,850
Bei aller verschmähten Liebe! Beim höllischen Elemente!
Ich wollt, ich wüßte was Ärgers, daß ich's fluchen könnte
984
01:15:22,890 --> 01:15:25,440
Was hast? was kneipt dich denn so sehr?
So kein Gesicht sah ich in meinem Leben!
985
01:15:25,480 --> 01:15:29,400
Ich möcht mich gleich dem Teufel übergeben,
Wenn ich nur selbst kein Teufel wär!
986
01:15:29,440 --> 01:15:32,310
Hat sich dir was im Kopf verschoben?
Dich kleidet's wie ein Rasender zu toben!
987
01:15:32,350 --> 01:15:37,420
Denkt nur, den Schmuck, für Gretchen angeschafft,
Den hat ein Pfaff hinweggerafft!
988
01:15:37,460 --> 01:15:40,940
Die Mutter kriegt das Ding zu schauen
Gleich fängt's ihr heimlich an zu grauen,
989
01:15:40,980 --> 01:15:45,240
Die Frau hat gar einen feinen Geruch,
Schnuffelt immer im Gebetbuch
990
01:15:45,280 --> 01:15:48,910
Und riecht's einem jeden Möbel an,
Ob das Ding heilig ist oder profan;
991
01:15:48,950 --> 01:15:52,630
Die Mutter ließ einen Pfaffen kommen;
Der hatte kaum den Spaß vernommen,
992
01:15:52,670 --> 01:15:58,550
Ließ sich den Anblick wohl behagen.
Er sprach: "So ist man recht gesinnt!
993
01:15:58,590 --> 01:16:03,830
Wer überwindet, der gewinnt.
Die Kirche hat einen guten Magen,
994
01:16:03,870 --> 01:16:09,040
Hat ganze Länder aufgefressen
Und doch noch nie sich übergessen;
995
01:16:09,080 --> 01:16:12,300
Die Kirch allein, meine lieben Frauen,
Kann ungerechtes Gut verdauen."
996
01:16:12,340 --> 01:16:14,000
Das ist ein allgemeiner Brauch,
Ein Jud und König kann es auch.
997
01:16:14,040 --> 01:16:17,290
Strich drauf ein Spange, Kett und Ring',
Als wären's eben Pfifferling',
998
01:16:17,330 --> 01:16:20,670
Dankt' nicht weniger und nicht mehr,
Als ob's ein Korb voll Nüsse wär,
999
01:16:20,710 --> 01:16:24,870
Versprach ihnen allen himmlischen Lohn-
Und sie waren sehr erbaut davon.
1000
01:16:24,910 --> 01:16:25,720
Und Gretchen?
1001
01:16:25,760 --> 01:16:28,760
Sitzt nun unruhvoll,
Weiß weder, was sie will noch soll,
1002
01:16:28,800 --> 01:16:32,340
Denkt ans Geschmeide Tag und Nacht,
Noch mehr an den, der's ihr gebracht.
1003
01:16:32,380 --> 01:16:33,450
Des Liebchens Kummer tut mir leid.
1004
01:16:33,490 --> 01:16:35,280
Schaff du ihr gleich ein neu Geschmeid!
Am ersten war ja so nicht viel.
1005
01:16:35,320 --> 01:16:36,790
O ja, dem Herrn ist alles Kinderspiel!
1006
01:16:36,830 --> 01:16:39,580
Und mach, und richt's nach meinem Sinn,
Häng dich an ihre Nachbarin!
1007
01:16:39,620 --> 01:16:42,620
Sei, Teufel, doch nur nicht wie Brei,
Und schaff einen neuen Schmuck herbei!
1008
01:16:42,660 --> 01:16:48,130
Ja, gnäd'ger Herr, von Herzen gerne.
So ein verliebter Tor verpufft
1009
01:16:48,170 --> 01:16:53,510
Euch Sonne, Mond und alle Sterne
Zum Zeitvertreib dem Liebchen in die Luft.
1010
01:16:53,780 --> 01:16:58,870
Gott verzeih's meinem lieben Mann,
Er hat an mir nicht wohl getan!
1011
01:16:59,020 --> 01:17:03,560
Geht da stracks in die Welt hinein
Und läßt mich auf dem Stroh allein.
1012
01:17:03,890 --> 01:17:10,330
Tät ihn doch wahrlich nicht betrüben,
Tät ihn, weiß Gott, recht herzlich lieben.
1013
01:17:10,740 --> 01:17:15,640
Vielleicht ist er gar tot!- O Pein!-
1014
01:17:15,680 --> 01:17:18,030
Hätt ich nur einen Totenschein!
1015
01:17:18,070 --> 01:17:19,030
Frau Marthe!
1016
01:17:19,070 --> 01:17:20,910
Gretelchen, was soll's?
1017
01:17:20,950 --> 01:17:22,610
Fast sinken mir die Kniee nieder!
1018
01:17:22,650 --> 01:17:26,440
Da find ich so ein Kästchen wieder
In meinem Schrein, von Ebenholz,
1019
01:17:26,480 --> 01:17:30,090
Und Sachen herrlich ganz und gar,
Weit reicher, als das erste war.
1020
01:17:30,130 --> 01:17:33,500
Das muß Sie nicht der Mutter sagen;
Tät's wieder gleich zur Beichte tragen.
1021
01:17:33,540 --> 01:17:36,240
Ach seh Sie nur! ach schau Sie nur!
1022
01:17:36,280 --> 01:17:39,370
O du glücksel'ge Kreatur!
1023
01:17:39,510 --> 01:17:42,400
Darf mich, leider, nicht auf der Gassen
Noch in der Kirche mit sehen lassen.
1024
01:17:42,440 --> 01:17:47,120
Komm du nur oft zu mir herüber,
Und leg den Schmuck hier heimlich an;
1025
01:17:47,160 --> 01:17:52,250
Spazier ein Stündchen lang dem Spiegelglas vorüber,
Wir haben unsre Freude dran;
1026
01:17:52,290 --> 01:17:57,650
Und dann gibt's einen Anlaß, gibt's ein Fest,
Wo man's so nach und nach den Leuten sehen läßt.
1027
01:17:57,790 --> 01:18:06,510
Ein Kettchen erst, die Perle dann ins Ohr;
Die Mutter sieht's wohl nicht, man macht ihr auch was vor
1028
01:18:06,550 --> 01:18:10,880
Wer konnte nur die beiden Kästchen bringen?
Es geht nicht zu mit rechten Dingen!
1029
01:18:11,120 --> 01:18:13,420
Ach Gott! mag das meine Mutter sein?
1030
01:18:14,390 --> 01:18:16,770
Es ist ein fremder Herr
1031
01:18:16,810 --> 01:18:18,220
Herein!
1032
01:18:18,660 --> 01:18:22,640
Bin so frei, grad hereinzutreten,
Muß bei den Frauen Verzeihn erbeten.
1033
01:18:22,680 --> 01:18:25,380
Wollte nach Frau Marthe Schwerdtlein fragen!
1034
01:18:25,420 --> 01:18:29,260
Ich bin's, was hat der Herr zu sagen?
1035
01:18:29,300 --> 01:18:34,120
Ich kenne Sie jetzt, mir ist das genug;
Sie hat da gar vornehmen Besuch.
1036
01:18:34,160 --> 01:18:37,990
Verzeiht die Freiheit, die ich genommen,
Will Nachmittage wiederkommen.
1037
01:18:38,030 --> 01:18:43,290
Denk, Kind, um alles in der Welt!
Der Herr dich für ein Fräulein hält.
1038
01:18:43,430 --> 01:18:47,550
Ich bin ein armes junges Blut;
Ach Gott! der Herr ist gar zu gut:
1039
01:18:47,590 --> 01:18:49,660
Schmuck und Geschmeide sind nicht mein.
1040
01:18:49,700 --> 01:18:52,580
Ach, es ist nicht der Schmuck allein;
1041
01:18:52,620 --> 01:18:57,510
Sie hat ein Wesen, einen Blick so scharf!
1042
01:18:58,770 --> 01:19:01,540
Wie freut mich's, daß ich bleiben darf.
1043
01:19:01,580 --> 01:19:05,920
- Was bringt Er denn? Verlange sehr-
- Ich wollt, ich hätt eine frohere Mär!-
1044
01:19:05,960 --> 01:19:10,730
Ich hoffe, Sie läßt mich's drum nicht büßen:
Ihr Mann ist tot und läßt Sie grüßen.
1045
01:19:10,770 --> 01:19:17,120
Ist tot? das treue Herz! O weh!
Mein Mann ist tot! Ach ich vergeh!
1046
01:19:17,160 --> 01:19:21,390
- Ach! liebe Frau, verzweifelt nicht!
- So hört die traurige Geschicht!
1047
01:19:21,430 --> 01:19:25,950
Ich möchte drum mein' Tag' nicht lieben,
Würde mich Verlust zu Tode betrüben.
1048
01:19:26,050 --> 01:19:29,040
Freud muß Leid, Leid muß Freude haben.
1049
01:19:29,080 --> 01:19:31,140
Erzählt mir seines Lebens Schluß!
1050
01:19:31,180 --> 01:19:34,430
Er liegt in Padua begraben
Beim heiligen Antonius
1051
01:19:34,520 --> 01:19:38,370
An einer wohlgeweihten Stätte
Zum ewig kühlen Ruhebette.
1052
01:19:38,410 --> 01:19:43,670
- Habt Ihr sonst nichts an mich zu bringen?
- Ja, eine Bitte, groß und schwer:
1053
01:19:43,710 --> 01:19:51,700
Laß Sie doch ja für ihn dreihundert Messen singen!
Im übrigen sind meine Taschen leer.
1054
01:19:51,740 --> 01:19:55,030
Was! nicht ein Schaustück? kein Geschmeid?
1055
01:19:55,070 --> 01:19:58,510
Was jeder Handwerksbursch im Grund des Säckels spart,
Zum Angedenken aufbewahrt,
1056
01:19:58,550 --> 01:19:59,820
Und lieber hungert, lieber bettelt!
1057
01:19:59,860 --> 01:20:04,430
Madam, es tut mir herzlich leid;
Allein er hat sein Geld wahrhaftig nicht verzettelt.
1058
01:20:04,470 --> 01:20:10,150
Auch er bereute seine Fehler sehr,
Ja, und bejammerte sein Unglück noch viel mehr.
1059
01:20:10,240 --> 01:20:13,180
Ach! daß die Menschen so unglücklich sind!
1060
01:20:13,320 --> 01:20:15,650
Gewiß, ich will für ihn manch Requiem noch beten.
1061
01:20:15,690 --> 01:20:20,270
Ihr wäret wert, gleich in die Eh zu treten:
Ihr seid ein liebenswürdig Kind.
1062
01:20:20,310 --> 01:20:25,690
- Ach nein, das geht jetzt noch nicht an.
- Ist's nicht ein Mann, sei's derweil ein Galan.
1063
01:20:25,730 --> 01:20:30,590
's ist eine der größten Himmelsgaben,
So ein lieb Ding im Arm zu haben.
1064
01:20:30,630 --> 01:20:32,120
Das ist des Landes nicht der Brauch.
1065
01:20:32,160 --> 01:20:34,300
Brauch oder nicht! Das gibt sich auch.
1066
01:20:34,380 --> 01:20:35,920
Erzählt mir doch!
1067
01:20:35,960 --> 01:20:41,370
Ich stand an seinem Sterbebette,
Es war was besser als von Mist
Von halbgefaultem Stroh;
1068
01:20:41,410 --> 01:20:46,120
allein er starb als Christ
Und fand, daß er weit mehr noch auf der Zeche hätte.
1069
01:20:46,160 --> 01:20:52,000
"Wie", rief er, "muß ich mich von Grund aus hassen,
So mein Gewerb, mein Weib so zu verlassen!
1070
01:20:52,040 --> 01:20:56,220
Ach, die Erinnrung tötet mich
Vergäb sie mir nur noch in diesem Leben!"
1071
01:20:56,260 --> 01:20:58,870
Der gute Mann! ich hab ihm längst vergeben.
1072
01:20:58,910 --> 01:21:00,830
"Allein, weiß Gott! sie war mehr schuld als ich."
1073
01:21:00,870 --> 01:21:03,960
Das lügt er! Was! am Rand des Grabs zu lügen!
1074
01:21:04,000 --> 01:21:08,610
Er fabelte gewiß in letzten Zügen,
Wenn ich nur halb ein Kenner bin.
1075
01:21:08,650 --> 01:21:13,340
Er sprach: "Als ich nun weg von Malta ging
Da betet ich für Frau und Kinder brünstig;
1076
01:21:13,380 --> 01:21:17,530
Uns war denn auch der Himmel günstig,
Daß unser Schiff ein türkisch Fahrzeug fing,
1077
01:21:17,570 --> 01:21:22,860
Das einen Schatz des großen Sultans führte.
Da ward der Tapferkeit ihr Lohn,
1078
01:21:22,900 --> 01:21:27,660
Und erhielt denn auch, wie sich's gebührte,
Mein wohlgemeßnes Teil davon."
1079
01:21:27,700 --> 01:21:31,160
Ei wie? Ei wo? Hat er's vielleicht vergraben?
1080
01:21:31,200 --> 01:21:35,540
Wer weiß, wo nun es die vier Winde haben.
1081
01:21:36,990 --> 01:21:43,500
Ein schönes Fräulein nahm sich seiner an,
Als er in Napel fremd umherspazierte;
1082
01:21:43,680 --> 01:21:48,140
Sie hat an ihm viel Liebs und Treus getan,
Daß er's bis an sein selig Ende spürte.
1083
01:21:48,180 --> 01:21:55,020
Der Schelm! der Dieb an seinen Kindern!
Auch alles Elend, alle Not
Konnt nicht sein schändlich Leben hindern!
1084
01:21:55,060 --> 01:21:58,650
Ja seht! dafür ist er nun tot.
1085
01:21:59,030 --> 01:22:03,230
Wär ich nun jetzt an Eurem Platze,
Betraurt ich ihn ein züchtig Jahr,
1086
01:22:03,270 --> 01:22:08,160
- Visierte dann unterweil nach einem neuen Schatze.
- Ach Gott! wie doch mein erster war,
1087
01:22:08,200 --> 01:22:13,500
Find ich nicht leicht auf dieser Welt den andern!
Es konnte kaum ein herziger Närrchen sein.
1088
01:22:13,540 --> 01:22:19,670
Er liebte nur das allzuviele Wandern
Und fremde Weiber und fremden Wein
Und das verfluchte Würfelspiel.
1089
01:22:19,710 --> 01:22:21,750
Nun, nun, so konnt es gehn und stehen,
1090
01:22:21,790 --> 01:22:24,650
Wenn er Euch ungefähr so viel
Von seiner Seite nachgesehen.
1091
01:22:24,690 --> 01:22:31,260
Ich schwör Euch zu, mit dem Beding
Wechselt ich selbst mit Euch den Ring!
1092
01:22:31,300 --> 01:22:33,830
O es beliebt dem Herrn zu scherzen!
1093
01:22:33,870 --> 01:22:39,450
Nun mach ich mich beizeiten fort!
Die hielte wohl den Teufel selbst beim Wort.
1094
01:22:39,540 --> 01:22:42,020
Wie steht es denn mit Ihrem Herzen?
1095
01:22:42,060 --> 01:22:45,290
- Was meint der Herr damit?
- Du guts, unschuldigs Kind!
1096
01:22:45,330 --> 01:22:46,360
Lebt wohl, ihr Fraun!
1097
01:22:46,400 --> 01:22:52,480
O sagt mir doch geschwind!
Ich möchte gern ein Zeugnis haben
Wo, wie und wann mein Schatz gestorben und begraben.
1098
01:22:52,520 --> 01:22:57,340
Ich bin von je der Ordnung Freund gewesen,
Möcht, ihn auch tot im Wochenblättchen lesen.
1099
01:22:57,380 --> 01:23:02,240
Ja, gute Frau, durch zweier Zeugen Mund
Wird allerwegs die Wahrheit kund;
1100
01:23:02,280 --> 01:23:10,470
Habe noch gar einen feinen Gesellen,
Den will ich Euch vor den Richter stellen.
Ich bring ihn her.
1101
01:23:10,510 --> 01:23:11,790
O tut das ja!
1102
01:23:11,830 --> 01:23:14,710
Und hier die Jungfrau ist auch da?
1103
01:23:16,860 --> 01:23:21,600
Ein braver Knab! ist viel gereist,
Fräuleins alle Höflichkeit erweist.
1104
01:23:21,640 --> 01:23:24,450
Müßte vor dem Herren schamrot werden.
1105
01:23:24,630 --> 01:23:27,040
Vor keinem Könige der Erden.
1106
01:23:27,080 --> 01:23:32,130
Da hinterm Haus in meinem Garten
Wollen wir der Herren heut abend warten.
1107
01:23:32,620 --> 01:23:36,150
- Wie ist's? Will's fördern? Will's bald gehn?
- Ah bravo! Find ich Euch in Feuer?
1108
01:23:36,190 --> 01:23:40,130
In kurzer Zeit ist Gretchen Euer.
Heut abend sollt Ihr sie bei Nachbar' Marthen sehn:
1109
01:23:40,170 --> 01:23:44,500
Das ist ein Weib wie auserlesen
Zum Kuppler- und Zigeunerwesen!
1110
01:23:44,540 --> 01:23:46,670
- So recht!
- Doch wird auch was von uns begehrt.
1111
01:23:46,710 --> 01:23:47,810
Ein Dienst ist wohl des andern wert.
1112
01:23:47,850 --> 01:23:52,510
Wir legen nur ein gültig Zeugnis nieder,
Daß ihres Ehherrn ausgereckte Glieder
1113
01:23:52,550 --> 01:23:54,310
Zu Padua an heil'ger Stätte ruhn.
1114
01:23:54,350 --> 01:23:56,070
Sehr klug! Wir werden erst die Reise machen müssen!
1115
01:23:56,110 --> 01:24:01,490
Sancta Simplicitas! darum ist's nicht zu tun;
Bezeugt nur, ohne viel zu wissen.
1116
01:24:01,530 --> 01:24:03,560
Wenn Er nichts Bessers hat, so ist der Plan zerrissen.
1117
01:24:03,600 --> 01:24:08,570
O heil'ger Mann! Da wärt Ihr's nun!
Ist es das erstemal in eurem Leben,
1118
01:24:08,610 --> 01:24:13,240
Daß Ihr falsch Zeugnis abgelegt?
Habt Ihr von Gott, der Welt und was sich drin bewegt,
1119
01:24:13,280 --> 01:24:19,010
Vom Menschen, was sich ihm in den Kopf und Herzen regt,
Definitionen nicht mit großer Kraft gegeben?
1120
01:24:19,050 --> 01:24:22,930
Mit frecher Stirne, kühner Brust?
Und wollt Ihr recht ins Innre gehen,
1121
01:24:22,970 --> 01:24:29,430
Habt Ihr davon, Ihr müßt es grad gestehen,
So viel als von Herrn Schwerdtleins Tod gewußt!
1122
01:24:29,470 --> 01:24:34,050
- Du bist und bleibst ein Lügner, ein Sophiste.
- Ja, wenn man's nicht ein bißchen tiefer wüßte.
1123
01:24:34,090 --> 01:24:38,570
Denn morgen wirst, in allen Ehren,
Das arme Gretchen nicht betören
1124
01:24:38,610 --> 01:24:40,650
Und alle Seelenlieb ihr schwören?
1125
01:24:40,690 --> 01:24:46,030
Laß das! - Wenn ich empfinde,
Für das Gefühl, für das Gewühl
Nach Namen suche, keinen finde,
1126
01:24:46,070 --> 01:24:50,460
Dann durch die Welt mit allen Sinnen schweife,
Nach allen höchsten Worten greife,
Und diese Glut, von der ich brenne,
1127
01:24:50,490 --> 01:24:54,520
Unendlich, ewig, ewig nenne,
Ist das ein teuflisch Lügenspiel?
1128
01:24:54,560 --> 01:24:55,600
Ich hab doch recht!
1129
01:24:55,640 --> 01:24:57,980
Hör! merk dir dies-
Ich bitte dich, und schone meine Lunge
1130
01:24:58,020 --> 01:25:00,780
Wer recht behalten will und hat nur eine Zunge,
Behält's gewiß.
1131
01:25:00,820 --> 01:25:06,570
Und komm, ich hab des Schwätzens Überdruß,
Denn du hast recht, vorzüglich weil ich muß.
1132
01:25:09,280 --> 01:25:14,780
Ich fühl es wohl, daß mich der Herr nur schont,
Herab sich läßt, mich zu beschämen.
1133
01:25:15,000 --> 01:25:18,840
Ein Reisender ist so gewohnt,
Aus Gütigkeit für lieb zu nehmen;
1134
01:25:18,980 --> 01:25:23,340
Ich weiß zu gut, daß solch erfahrnen Mann
Mein arm Gespräch nicht unterhalten kann.
1135
01:25:23,380 --> 01:25:28,680
Ein Blick von dir, ein Wort mehr unterhält
Als alle Weisheit dieser Welt.
1136
01:25:28,920 --> 01:25:36,570
Inkommodiert Euch nicht! Wie könnt Ihr sie nur küssen?
Sie ist so garstig, ist so rauh!
1137
01:25:36,610 --> 01:25:40,130
Was hab ich nicht schon alles schaffen müssen!
Die Mutter ist gar zu genau.
1138
01:25:40,170 --> 01:25:43,940
Und Ihr, mein Herr, Ihr reist so immer fort?
1139
01:25:43,980 --> 01:25:47,090
Ach, daß Gewerb und Pflicht uns dazu treiben!
1140
01:25:47,130 --> 01:25:52,830
Mit wieviel Schmerz verläßt man manchen Ort
Und darf doch nun einmal nicht bleiben!
1141
01:25:52,870 --> 01:25:58,550
In raschen Jahren geht's wohl an
So um und um frei durch die Welt zu streifen;
1142
01:25:58,590 --> 01:26:06,100
Doch kommt die böse Zeit heran,
Und sich als Hagestolz allein zum Grab zu schleifen,
Das hat noch keinem gut getan.
1143
01:26:06,140 --> 01:26:09,630
Mit Grausen seh ich das von weiten.
1144
01:26:09,670 --> 01:26:13,680
Drum, werter Herr, beratet Euch in Zeiten.
1145
01:26:15,690 --> 01:26:18,940
Ja, aus den Augen, aus dem Sinn!
1146
01:26:18,980 --> 01:26:21,230
Die Höflichkeit ist Euch geläufig;
1147
01:26:21,270 --> 01:26:24,480
Allein Ihr habt der Freunde häufig,
Sie sind verständiger, als ich bin.
1148
01:26:24,520 --> 01:26:28,820
Ach, daß die Einfalt, daß die Unschuld nie
Sich selbst und ihren heil'gen Wert erkennt!
1149
01:26:28,860 --> 01:26:33,360
Daß Demut Niedrigkeit, die höchsten Gaben
Der liebevoll austeilenden Natur-
1150
01:26:33,400 --> 01:26:39,590
Denkt Ihr an mich ein Augenblickchen nur,
Ich werde Zeit genug an Euch zu denken haben.
1151
01:26:40,810 --> 01:26:46,130
- Ihr seid wohl viel allein?
- Ja, unsre Wirtschaft ist nur klein,
Und doch will sie versehen sein.
1152
01:26:46,170 --> 01:26:50,760
Wir haben keine Magd; muß kochen, fegen, stricken
Und nähn und laufen früh und spat;
1153
01:26:50,800 --> 01:26:53,570
Und meine Mutter ist in allen Stücken
So akkurat!
1154
01:26:53,610 --> 01:26:57,690
Doch hab ich jetzt so ziemlich stille Tage:
Mein Bruder ist Soldat,
1155
01:26:57,730 --> 01:27:01,660
Mein Schwesterchen ist tot.
Ich hatte mit dem Kind wohl meine liebe Not;
1156
01:27:01,700 --> 01:27:05,220
Doch übernähm ich gern noch einmal alle Plage,
So lieb war mir das Kind.
1157
01:27:05,260 --> 01:27:07,310
Ein Engel, wenn dir's glich.
1158
01:27:07,450 --> 01:27:09,900
Ich zog es auf, und herzlich liebt es mich.
1159
01:27:09,940 --> 01:27:11,980
Du hast gewiß das reinste Glück empfunden.
1160
01:27:12,020 --> 01:27:16,480
Doch auch gewiß gar manche schwere Stunden.
Des Kleinen Wiege stand zu Nacht
An meinem Bett;
1161
01:27:16,520 --> 01:27:21,780
es durfte kaum sich regen
War ich erwacht;
Bald mußt ich's tränken, bald es zu mir legen
1162
01:27:21,820 --> 01:27:26,160
Bald, wenn's nicht schwieg, vom Bett aufstehn
Und tänzelnd in der Kammer auf und nieder gehn,
1163
01:27:26,200 --> 01:27:32,880
Und früh am Tage schon am Waschtrog stehn;
Dann auf dem Markt und an dem Herde sorgen,
Und immer fort wie heut so morgen.
1164
01:27:32,970 --> 01:27:39,630
Da geht's, mein Herr, nicht immer mutig zu;
Doch schmeckt dafür das Essen, schmeckt die Ruh.
1165
01:27:45,210 --> 01:27:50,510
Die armen Weiber sind doch übel dran:
Ein Hagestolz ist schwerlich zu bekehren.
1166
01:27:50,550 --> 01:27:54,310
Es käme nur auf Euresgleichen an,
Mich eines Bessern zu belehren.
1167
01:27:54,350 --> 01:28:01,240
Sagt grad, mein Herr, habt Ihr noch nichts gefunden?
Hat sich das Herz nicht irgendwo gebunden?
1168
01:28:01,280 --> 01:28:06,210
Das Sprichwort sagt: Ein eigner Herd,
Ein braves Weib sind Gold und Perlen wert.
1169
01:28:06,250 --> 01:28:10,180
Ich meine: ob Ihr niemals Lust bekommen?
1170
01:28:10,220 --> 01:28:13,790
Man hat mich überall recht höflich aufgenommen.
1171
01:28:13,830 --> 01:28:17,870
Ich wollte sagen: ward's nie Ernst in Eurem Herzen?
1172
01:28:17,910 --> 01:28:21,590
Mit Frauen soll man sich nie unterstehn zu scherzen.
1173
01:28:21,630 --> 01:28:24,300
Ach, Ihr versteht mich nicht!
1174
01:28:24,340 --> 01:28:30,460
Das tut mir herzlich leid!
Doch ich versteh- daß Ihr sehr gütig seid.
1175
01:28:31,060 --> 01:28:33,910
Du kanntest mich, o kleiner Engel, wieder,
Gleich als ich in den Garten kam?
1176
01:28:33,950 --> 01:28:36,230
Saht Ihr es nicht, ich schlug die Augen nieder.
1177
01:28:36,270 --> 01:28:38,180
Und du verzeihst die Freiheit, die ich nahm?
1178
01:28:38,220 --> 01:28:41,440
Was sich die Frechheit unterfangen,
Als du jüngst aus dem Dom gegangen?
1179
01:28:41,480 --> 01:28:46,010
Ich war bestürzt, mir war das nie geschehn;
Es konnte niemand von mir Übles sagen.
1180
01:28:46,050 --> 01:28:51,180
Ach, dacht ich, hat er in deinem Betragen
Was Freches, Unanständiges gesehn?
1181
01:28:51,870 --> 01:28:58,340
Gesteh ich's doch! Ich wußte nicht, was sich
Zu Eurem Vorteil hier zu regen gleich begonnte;
1182
01:28:58,970 --> 01:29:03,310
Allein gewiß, ich war recht bös auf mich,
Daß ich auf Euch nicht böser werden konnte.
1183
01:29:03,350 --> 01:29:04,620
Süß Liebchen!
1184
01:29:04,760 --> 01:29:06,040
Laßt einmal!
1185
01:29:07,340 --> 01:29:09,150
Was soll das? Einen Strauß?
1186
01:29:09,190 --> 01:29:11,090
Nein, es soll nur ein Spiel.
1187
01:29:11,130 --> 01:29:11,910
Wie?
1188
01:29:11,950 --> 01:29:13,920
Geht! Ihr lacht mich aus.
1189
01:29:13,960 --> 01:29:16,830
Er liebt mich- liebt mich nicht.
1190
01:29:16,870 --> 01:29:18,050
Was murmelst du?
1191
01:29:18,090 --> 01:29:20,530
Liebt mich- nicht- liebt mich- nicht-
1192
01:29:20,570 --> 01:29:22,130
Du holdes Himmelsangesicht!
1193
01:29:22,170 --> 01:29:26,280
Er liebt mich- nicht-
Er liebt mich!
1194
01:29:26,320 --> 01:29:32,770
Ja, mein Kind! Laß dieses Blumenwort
Dir Götterausspruch sein. Er liebt dich!
Verstehst du, was das heißt? Er liebt dich!
1195
01:29:32,810 --> 01:29:34,430
Mich überläuft's!
1196
01:29:34,470 --> 01:29:37,140
O schaudre nicht!
Laß diesen Blick,
1197
01:29:37,180 --> 01:29:40,520
Laß diesen Händedruck dir sagen
Was unaussprechlich ist:
1198
01:29:40,560 --> 01:29:44,810
Sich hinzugeben ganz und eine Wonne
Zu fühlen, die ewig sein muß!
1199
01:29:44,850 --> 01:29:50,300
Ewig!- Ihr Ende würde Verzweiflung sein
Nein, kein Ende! Kein Ende!
1200
01:29:53,340 --> 01:29:54,660
Die Nacht bricht an.
1201
01:29:54,700 --> 01:29:56,450
Ja,
1202
01:29:56,490 --> 01:29:58,330
und wir wollen fort.
1203
01:29:58,370 --> 01:30:02,460
Ich bät Euch, länger hier zu bleiben,
Allein es ist ein gar zu böser Ort.
1204
01:30:02,500 --> 01:30:06,050
Es ist, als hätte niemand nichts zu treiben
Und nichts zu schaffen,
1205
01:30:06,090 --> 01:30:11,980
Als auf des Nachbarn Schritt und Tritt zu gaffen,
Und man kommt ins Gered, wie man sich immer stellt.
1206
01:30:12,020 --> 01:30:16,110
- Und unser Pärchen?
- Ist den Gang dort aufgeflogen.
Mutwill'ge Sommervögel!
1207
01:30:16,150 --> 01:30:20,500
- Er scheint ihr gewogen.
- Und sie ihm auch. Das ist der Lauf der Welt.
1208
01:30:20,880 --> 01:30:25,730
- Er kommt!
- Ach, Schelm, so neckst du mich! Treff ich dich!
1209
01:30:31,330 --> 01:30:34,150
Bester Mann! von Herzen lieb ich dich!
1210
01:30:34,330 --> 01:30:36,340
- Wer da?
- Gut Freund!
1211
01:30:36,680 --> 01:30:39,060
- Ein Tier!
- Es ist wohl Zeit zu scheiden.
1212
01:30:39,100 --> 01:30:41,540
- Ja, es ist spät, mein Herr.
- Darf ich Euch nicht geleiten?
1213
01:30:41,580 --> 01:30:44,330
Die Mutter würde mich - Lebt wohl!
1214
01:30:44,430 --> 01:30:47,400
Muß ich denn gehn? Lebt wohl!
1215
01:30:47,540 --> 01:30:51,600
- Ade!
- Auf baldig Wiedersehn!
1216
01:30:53,090 --> 01:30:57,410
Du lieber Gott! was so ein Mann
Nicht alles, alles denken kann!
1217
01:30:57,550 --> 01:31:01,880
Beschämt nur steh ich vor ihm da
Und sag zu allen Sachen ja.
1218
01:31:02,020 --> 01:31:06,620
Bin doch ein arm unwissend Kind,
Begreife nicht, was er an mir findt.
1219
01:31:07,460 --> 01:31:14,800
Erhabner Geist, du gabst mir, gabst mir alles,
Warum ich bat. Du hast mir nicht umsonst
Dein Angesicht im Feuer zugewendet.
1220
01:31:14,940 --> 01:31:21,300
Gabst mir die herrliche Natur zum Königreich,
Kraft, sie zu fühlen, zu genießen. Nicht
Kalt staunenden Besuch erlaubst du nur,
1221
01:31:21,340 --> 01:31:24,950
Vergönnest mir, in ihre tiefe Brust
Wie in den Busen eines Freunds zu schauen.
1222
01:31:24,990 --> 01:31:29,040
O daß dem Menschen nichts Vollkommnes wird,
Empfind ich nun. Du gabst zu dieser Wonne,
1223
01:31:29,080 --> 01:31:32,190
Die mich den Göttern nah und näher bringt,
Mir den Gefährten, den ich schon nicht mehr
1224
01:31:32,230 --> 01:31:36,900
Entbehren kann, wenn er gleich, kalt und frech,
Mich vor mir selbst erniedrigt und zu Nichts,
1225
01:31:36,940 --> 01:31:39,110
Mit einem Worthauch, deine Gaben wandelt.
1226
01:31:39,150 --> 01:31:42,970
Er facht in meiner Brust ein wildes Feuer
Nach jenem schönen Bild geschäftig an.
1227
01:31:43,010 --> 01:31:47,140
So tauml ich von Begierde zu Genuß,
Und im Genuß verschmacht ich nach Begierde.
1228
01:31:47,180 --> 01:31:51,210
Habt Ihr nun bald das Leben gnug geführt?
Wie kann's Euch in die Länge freuen?
1229
01:31:51,250 --> 01:31:54,800
Es ist wohl gut, daß man's einmal probiert
Dann aber wieder zu was Neuen!
1230
01:31:54,840 --> 01:31:57,770
Verstehst du, was für neue Lebenskraft
Mir dieser Wandel in der Öde schafft?
1231
01:31:57,810 --> 01:32:00,840
Ja, würdest du es ahnen können,
Du wärest Teufel gnug, mein Glück mir nicht zu gönnen.
1232
01:32:00,880 --> 01:32:04,770
Ein überirdisches Vergnügen.
In Nacht und Tau auf den Gebirgen liegen
1233
01:32:04,810 --> 01:32:09,180
Und Erd und Himmel wonniglich umfassen,
Zu einer Gottheit sich aufschwellen lassen,
1234
01:32:09,220 --> 01:32:13,940
In stolzer Kraft ich weiß nicht was genießen,
Bald liebewonniglich in alles überfließen,
1235
01:32:13,980 --> 01:32:18,460
Verschwunden ganz der Erdensohn,
Und dann die hohe Intuition-
1236
01:32:18,500 --> 01:32:19,950
Ich darf nicht sagen, wie- zu schließen.
1237
01:32:19,990 --> 01:32:20,640
Pfui über dich!
1238
01:32:20,680 --> 01:32:23,920
Das will Euch nicht behagen;
Ihr habt das Recht, gesittet pfui zu sagen.
1239
01:32:23,960 --> 01:32:26,220
Man darf das nicht vor keuschen Ohren nennen,
1240
01:32:26,260 --> 01:32:28,840
Was keusche Herzen nicht entbehren können.
1241
01:32:28,880 --> 01:32:33,320
Mich dünkt, anstatt in Wäldern zu thronen,
Ließ' es dem großen Herren gut,
1242
01:32:33,360 --> 01:32:36,870
Das arme affenjunge Blut
Für seine Liebe zu belohnen.
1243
01:32:36,910 --> 01:32:43,070
Die Zeit wird ihr erbärmlich lang;
Sie steht am Fenster, sieht die Wolken ziehn
1244
01:32:43,110 --> 01:32:50,140
Über die alte Stadtmauer hin.
"Wenn ich ein Vöglein wär!" so geht ihr Gesang
1245
01:32:50,180 --> 01:32:55,360
Tage lang, halbe Nächte lang.
Einmal ist sie munter, meist betrübt,
1246
01:32:55,400 --> 01:33:01,400
Einmal recht ausgeweint,
Dann wieder ruhig, wie's scheint,
Und immer verliebt.
1247
01:33:01,440 --> 01:33:04,860
- Schlange! Schlange!
- Gelt! daß ich dich fange!
1248
01:33:04,900 --> 01:33:08,000
Verruchter! hebe dich von hinnen,
Und nenne nicht das schöne Weib!
1249
01:33:08,040 --> 01:33:12,280
Bring die Begier zu ihrem süßen Leib
Nicht wieder vor die halb verrückten Sinnen!
Entfliehe, Kuppler!
1250
01:33:12,320 --> 01:33:14,510
Schön! Ihr schimpft, und ich muß lachen.
1251
01:33:14,550 --> 01:33:19,610
Der Gott, der Bub' und Mädchen schuf,
Erkannte gleich den edelsten Beruf,
Auch selbst Gelegenheit zu machen.
1252
01:33:19,650 --> 01:33:25,660
Nur fort, es ist ein großer Jammer!
Ihr sollt in Eures Liebchens Kammer,
Nicht etwa in den Tod.
1253
01:33:25,700 --> 01:33:30,320
Was ist die Himmelsfreud in ihren Armen?
Laß mich an ihrer Brust erwarmen!
Fühl ich nicht immer ihre Not?
1254
01:33:30,360 --> 01:33:34,360
Bin ich der Flüchtling nicht? der Unbehauste?
Der Unmensch ohne Zweck und Ruh,
1255
01:33:34,400 --> 01:33:40,010
Sie, ihren Frieden mußt ich untergraben!
Du, Hölle, mußtest dieses Opfer haben.
1256
01:33:40,050 --> 01:33:45,160
Hilf, Teufel, mir die Zeit der Angst verkürzen.
Was muß geschehn, mag's gleich geschehn!
1257
01:33:45,200 --> 01:33:50,860
Mag ihr Geschick auf mich zusammenstürzen
Und sie mit mir zugrunde gehn!
1258
01:33:50,900 --> 01:33:56,610
Wie's wieder siedet, wieder glüht!
Geh ein und tröste sie, du Tor!
1259
01:33:56,650 --> 01:34:01,110
Wo so ein Köpfchen keinen Ausweg sieht,
Stellt er sich gleich das Ende vor.
1260
01:34:01,150 --> 01:34:05,460
Es lebe, was sich tapfer hält!
Du bist doch sonst so ziemlich eingeteufelt.
1261
01:34:05,500 --> 01:34:11,810
Nichts Abgeschmackters find ich auf der Welt
Als einen Teufel, der verzweifelt.
1262
01:34:13,450 --> 01:34:18,640
Meine Ruh ist hin,
Mein Herz ist schwer;
1263
01:34:18,880 --> 01:34:22,440
Ich finde sie nimmer
und nimmermehr.
1264
01:34:22,880 --> 01:34:27,290
Wo ich ihn nicht hab,
Ist mir das Grab,
1265
01:34:27,530 --> 01:34:30,860
Die ganze Welt
Ist mir vergällt.
1266
01:34:31,100 --> 01:34:33,840
Mein armer Kopf
Ist mir verrückt,
1267
01:34:34,080 --> 01:34:37,090
Meiner armer Sinn
Ist mir zerstückt.
1268
01:34:37,330 --> 01:34:41,670
Meine Ruh ist hin,
Mein Herz ist schwer,
1269
01:34:41,810 --> 01:34:45,630
Ich finde sie nimmer
und nimmermehr.
1270
01:34:45,970 --> 01:34:49,040
Nach ihm nur schau ich
Zum Fenster hinaus,
1271
01:34:49,180 --> 01:34:52,080
Nach ihm nur geh ich
Aus dem Haus.
1272
01:34:52,420 --> 01:34:56,700
Sein hoher Gang,
Sein edle Gestalt,
1273
01:34:56,940 --> 01:35:01,570
Seines Mundes Lächeln,
Seiner Augen Gewalt,
1274
01:35:01,810 --> 01:35:04,550
Und seiner Rede
Zauberfluß,
1275
01:35:04,690 --> 01:35:11,800
Sein Händedruck,
Und ach! sein Kuß!
1276
01:35:12,040 --> 01:35:16,150
Meine Ruh ist hin,
Mein Herz ist schwer,
1277
01:35:16,190 --> 01:35:19,280
Ich finde sie nimmer
und nimmermehr.
1278
01:35:19,620 --> 01:35:22,820
Mein Busen drängt
Sich nach ihm hin,
1279
01:35:23,060 --> 01:35:26,660
Ach dürft ich fassen
Und halten ihn,
1280
01:35:27,010 --> 01:35:30,740
Und küssen ihn,
So wie ich wollt,
1281
01:35:31,080 --> 01:35:36,250
An seinen Küssen
Vergehen sollt!
1282
01:35:38,590 --> 01:35:39,850
Versprich mir, Heinrich!
1283
01:35:39,890 --> 01:35:41,330
Was ich kann!
1284
01:35:42,620 --> 01:35:46,500
Nun sag, wie hast du's mit der Religion?
1285
01:35:46,590 --> 01:35:50,640
Du bist ein herzlich guter Mann,
Allein ich glaub, du hältst nicht viel davon.
1286
01:35:50,680 --> 01:35:53,400
Laß das, mein Kind! Du fühlst, ich bin dir gut;
1287
01:35:53,440 --> 01:35:57,560
Für meine Lieben ließ' ich Leib und Blut,
Will niemand sein Gefühl und seine Kirche rauben.
1288
01:35:57,600 --> 01:36:01,500
Das ist nicht recht, man muß dran glauben.
1289
01:36:01,830 --> 01:36:02,730
Muß man?
1290
01:36:02,770 --> 01:36:06,770
Ach! wenn ich etwas auf dich konnte!
Du ehrst auch nicht die heil'gen Sakramente.
1291
01:36:06,810 --> 01:36:08,480
- Ich ehre sie.
- Doch ohne Verlangen.
1292
01:36:08,520 --> 01:36:12,590
Zur Messe, zur Beichte bist du lange nicht gegangen.
1293
01:36:12,830 --> 01:36:15,270
Glaubst du an Gott?
1294
01:36:15,510 --> 01:36:19,180
Mein Liebchen, wer darf sagen: Ich glaub an Gott?
1295
01:36:19,220 --> 01:36:23,360
Magst Priester oder Weise fragen,
Und ihre Antwort scheint nur Spott
Über den Frager zu sein.
1296
01:36:23,400 --> 01:36:27,650
- So glaubst du nicht?
- Mißhör mich nicht, du holdes Angesicht!
1297
01:36:27,690 --> 01:36:31,230
Wer darf ihn nennen?
Und wer bekennen:
"Ich glaub ihn!"?
1298
01:36:31,270 --> 01:36:35,280
Wer empfinden,
Und sich unterwinden
Zu sagen: "Ich glaub ihn nicht!"?
1299
01:36:35,420 --> 01:36:38,890
Der Allumfasser,
Der Allerhalter,
1300
01:36:38,930 --> 01:36:43,240
Faßt und erhält er nicht
Dich, mich, sich selbst?
1301
01:36:43,280 --> 01:36:47,630
Wölbt sich der Himmel nicht da droben?
Liegt die Erde nicht hier unten fest?
1302
01:36:47,670 --> 01:36:51,370
Und steigen freundlich blickend
Ewige Sterne nicht herauf?
1303
01:36:51,410 --> 01:36:55,760
Schau ich nicht Aug in Auge dir,
Und drängt nicht alles
Nach Haupt und Herzen dir,
1304
01:36:55,800 --> 01:37:00,820
Und webt in ewigem Geheimnis
Unsichtbar sichtbar neben dir?
1305
01:37:00,960 --> 01:37:05,650
Erfüll davon dein Herz, so groß es ist,
Und wenn du ganz in dem Gefühle selig bist,
1306
01:37:05,690 --> 01:37:10,930
Nenn es dann, wie du willst,
Nenn's Glück! Herz! Liebe! Gott
1307
01:37:10,970 --> 01:37:13,600
Ich habe keinen Namen
Dafür! Gefühl ist alles;
1308
01:37:13,640 --> 01:37:17,200
Name ist Schall und Rauch,
Umnebelnd Himmelsglut.
1309
01:37:17,240 --> 01:37:19,760
Das ist alles recht schön und gut;
1310
01:37:19,900 --> 01:37:23,450
Ungefähr sagt das der Pfarrer auch,
Nur mit ein bißchen andern Worten.
1311
01:37:23,490 --> 01:37:26,380
Es sagen's allerorten
Alle Herzen unter dem himmlischen Tage,
1312
01:37:26,420 --> 01:37:29,340
Jedes in seiner Sprache;
Warum nicht ich in der meinen?
1313
01:37:29,380 --> 01:37:32,060
Wenn man's so hört, möcht's leidlich scheinen,
1314
01:37:32,100 --> 01:37:35,380
Steht aber doch immer schief darum;
Denn du hast kein Christentum.
1315
01:37:35,420 --> 01:37:41,150
- Liebs Kind!
- Es tut mir lange schon weh,
Daß ich dich in der Gesellschaft seh.
1316
01:37:41,290 --> 01:37:42,750
Wieso?
1317
01:37:42,790 --> 01:37:47,260
Der Mensch, den du da bei dir hast,
Ist mir in tiefer innrer Seele verhaßt;
1318
01:37:47,400 --> 01:37:52,160
Seine Gegenwart bewegt mir das Blut.
Ich bin sonst allen Menschen gut;
1319
01:37:52,200 --> 01:37:56,360
Aber wie ich mich sehne, dich zu schauen,
Hab ich vor dem Menschen ein heimlich Grauen,
1320
01:37:56,400 --> 01:38:01,000
Und halt ihn für einen Schelm dazu!
Gott verzeih mir's, wenn ich ihm unrecht tu!
1321
01:38:01,040 --> 01:38:04,500
Das übermannt mich so sehr,
Daß, wo er nur mag zu uns treten,
1322
01:38:04,540 --> 01:38:09,560
Mein ich sogar, ich liebte dich nicht mehr.
Auch, wenn er da ist, könnt ich nimmer beten,
1323
01:38:09,600 --> 01:38:13,850
Und das frißt mir ins Herz hinein;
Dir, Heinrich, muß es auch so sein.
1324
01:38:13,890 --> 01:38:16,360
Du hast nun die Antipathie!
1325
01:38:16,400 --> 01:38:18,120
Ich muß nun fort.
1326
01:38:18,590 --> 01:38:24,030
Ach kann ich nie
Ein Stündchen ruhig dir am Busen hängen
Und Brust an Brust und Seel in Seele drängen?
1327
01:38:24,070 --> 01:38:28,740
Ach wenn ich nur alleine schlief!
Ich ließ dir gern heut nacht den Riegel offen;
1328
01:38:28,780 --> 01:38:32,160
Doch meine Mutter schläft nicht tief,
Und würden wir von ihr betroffen,
Ich wär gleich auf der Stelle tot!
1329
01:38:32,200 --> 01:38:34,670
Du Engel, das hat keine Not.
Hier ist ein Fläschchen!
1330
01:38:34,710 --> 01:38:38,740
Drei Tropfen nur In ihren Trank umhüllen
Mit tiefem Schlaf gefällig die Natur.
1331
01:38:38,780 --> 01:38:41,160
Was tu ich nicht um deinetwillen?
1332
01:38:41,590 --> 01:38:42,860
Es wird ihr hoffentlich nicht schaden!
1333
01:38:42,900 --> 01:38:46,100
Würd ich sonst, Liebchen, dir es raten?
1334
01:38:46,400 --> 01:38:52,970
Seh ich dich, bester Mann, nur an,
Weiß nicht, was mich nach deinem Willen treibt,
1335
01:38:53,130 --> 01:39:00,780
Ich habe schon so viel für dich getan,
Daß mir zu tun fast nichts mehr übrigbleibt.
1336
01:39:08,760 --> 01:39:12,310
Der Grasaff! ist er weg?
1337
01:39:12,590 --> 01:39:13,720
Hast wieder spioniert?
1338
01:39:13,760 --> 01:39:17,820
Ich hab's ausführlich wohl vernommen,
Herr Doktor wurden da katechisiert;
1339
01:39:17,860 --> 01:39:21,240
Hoff, es soll Ihnen wohl bekommen.
Die Mädels sind doch sehr interessiert,
1340
01:39:21,280 --> 01:39:26,680
Ob einer fromm und schlicht nach altem Brauch.
Sie denken: duckt er da, folgt nach uns eben auch.
1341
01:39:26,820 --> 01:39:29,740
Du Ungeheuer siehst nicht ein,
Wie diese treue liebe Seele
1342
01:39:29,780 --> 01:39:33,170
Von ihrem Glauben voll,
Der ganz allein
Ihr seligmachend ist, sich heilig quäle,
1343
01:39:33,210 --> 01:39:34,940
Daß sie den liebsten Mann verloren halten soll.
1344
01:39:34,980 --> 01:39:39,910
Du übersinnlicher sinnlicher Freier,
Ein Mägdelein nasführet dich.
1345
01:39:39,950 --> 01:39:42,670
Du Spottgeburt von Dreck und Feuer!
1346
01:39:42,710 --> 01:39:51,880
Und die Physiognomie versteht sie meisterlich:
In meiner Gegenwart wird's ihr, sie weiß nicht wie,
Mein Mäskchen da weissagt verborgnen Sinn;
1347
01:39:51,920 --> 01:39:57,630
Sie fühlt, daß ich ganz sicher ein Genie,
Vielleicht wohl gar der Teufel bin.
1348
01:39:57,670 --> 01:39:59,340
Nun, heute nacht-?
1349
01:39:59,380 --> 01:40:00,560
Was geht dich's an?
1350
01:40:00,600 --> 01:40:04,390
Hab ich doch meine Freude dran!
1351
01:40:06,810 --> 01:40:11,360
- Hast nichts von Bärbelchen gehört?
- Kein Wort. Ich komm gar wenig unter Leute.
1352
01:40:11,400 --> 01:40:15,630
Gewiß, Sibylle sagt' mir's heute:
Die hat sich endlich auch betört.
1353
01:40:15,670 --> 01:40:17,310
Das ist das Vornehmtun!
1354
01:40:17,350 --> 01:40:18,070
- Wieso?
1355
01:40:18,110 --> 01:40:21,870
- Es stinkt!
Sie füttert zwei, wenn sie nun ißt und trinkt.
- Ach!
1356
01:40:21,910 --> 01:40:25,010
So ist's ihr endlich recht ergangen.
Wie lange hat sie an dem Kerl gehangen!
1357
01:40:25,050 --> 01:40:27,800
Das war ein Spazieren,
Auf Dorf und Tanzplatz Führen,
1358
01:40:27,840 --> 01:40:31,330
War doch so ehrlos, sich nicht zu schämen,
Geschenke von ihm anzunehmen.
1359
01:40:31,370 --> 01:40:34,820
War ein Gekos und ein Geschleck;
Da ist denn auch das Blümchen weg!
1360
01:40:34,860 --> 01:40:36,930
Das arme Ding!
1361
01:40:38,020 --> 01:40:40,360
Bedauerst sie noch gar!
1362
01:40:40,400 --> 01:40:45,470
Wenn unsereins am Spinnen war,
Uns nachts die Mutter nicht hinunterließ,
Stand sie bei ihrem Buhlen süß;
1363
01:40:45,510 --> 01:40:49,350
Auf der Türbank und im dunkeln Gang
Ward ihnen keine Stunde zu lang.
1364
01:40:49,390 --> 01:40:53,480
Da mag sie denn sich ducken nun,
Im Sünderhemdchen Kirchbuß tun!
1365
01:40:53,520 --> 01:40:57,870
- Er nimmt sie gewiß zu seiner Frau.
- Er wär ein Narr! Ein flinker Jung
1366
01:40:57,910 --> 01:41:01,200
Hat anderwärts noch Luft genung.
Er ist auch fort.
1367
01:41:01,240 --> 01:41:02,290
Das ist nicht schön!
1368
01:41:02,330 --> 01:41:08,820
Kriegt sie ihn, soll's ihr übel gehn,
Das Kränzel reißen die Buben ihr,
Und Häckerling streuen wir vor die Tür!
1369
01:41:11,300 --> 01:41:16,460
Wie konnt ich sonst so tapfer schmälen,
Wenn tät ein armes Mägdlein fehlen!
1370
01:41:16,610 --> 01:41:20,650
Wie konnt ich über andrer Sünden
Nicht Worte gnug der Zunge finden!
1371
01:41:21,210 --> 01:41:29,530
Und segnet mich und tat so groß,
Und bin nun selbst der Sünde bloß!
1372
01:41:30,160 --> 01:41:38,250
Doch- alles, was dazu mich trieb,
Gott! war so gut! ach, war so lieb!
1373
01:41:51,170 --> 01:41:55,310
Ach neige,
Du Schmerzenreiche,
Dein Antlitz gnädig meiner Not!
1374
01:41:55,350 --> 01:42:00,220
Das Schwert im Herzen,
Mit tausend Schmerzen
Blickst auf zu deines Sohnes Tod.
1375
01:42:00,260 --> 01:42:07,060
Zum Vater blickst du,
Und Seufzer schickst du
Hinauf um sein' und deine Not.
1376
01:42:08,170 --> 01:42:10,090
Wer fühlet,
Wie wühlet
1377
01:42:10,130 --> 01:42:14,510
Der Schmerz mir im Gebein?
Was mein armes Herz hier banget,
1378
01:42:14,550 --> 01:42:20,770
Was es zittert, was verlanget,
Weißt nur du, nur du allein!
1379
01:42:21,160 --> 01:42:27,080
Wohin ich immer gehe
Wie weh, wie weh, wie wehe
Wird mir im Busen hier!
1380
01:42:27,120 --> 01:42:36,930
Ich bin, ach! kaum alleine,
Ich wein, ich wein, ich weine,
Das Herz zerbricht in mir.
1381
01:42:37,600 --> 01:42:40,940
Die Scherben vor meinem Fenster
Betaut ich mit Tränen, ach!
1382
01:42:40,980 --> 01:42:43,840
Als ich am frühen Morgen
Dir diese Blumen brach.
1383
01:42:43,880 --> 01:42:46,540
Schien hell in meine Kammer
Die Sonne früh herauf,
1384
01:42:46,580 --> 01:42:50,260
Saß ich in allem Jammer
In meinem Bett schon auf.
1385
01:42:50,300 --> 01:42:52,520
Hilf!
1386
01:42:52,560 --> 01:42:57,140
rette mich von Schmach und Tod!
1387
01:43:06,680 --> 01:43:12,910
Ach neige,
Du Schmerzenreiche,
Dein Antlitz gnädig meiner Not!
1388
01:43:23,080 --> 01:43:29,220
Wenn ich so saß bei einem Gelag,
Wo mancher sich berühmen mag,
1389
01:43:29,360 --> 01:43:34,870
Und die Gesellen mir den Flor
Der Mägdlein laut gepriesen vor,
1390
01:43:35,010 --> 01:43:43,190
Saß ich in meiner sichern Ruh,
Hört all dem Schwadronieren zu
Und streiche lächelnd meinen Bart
1391
01:43:43,230 --> 01:43:49,820
Und kriege das volle Glas zur Hand
Und sage: "Alles nach seiner Art!
1392
01:43:49,860 --> 01:43:59,170
Aber ist eine im ganzen Land,
Die meiner trauten Gretel gleicht,
Die meiner Schwester das Wasser reicht?"
1393
01:43:59,330 --> 01:44:05,880
Und nun!- um's Haar sich auszuraufen
Und an den Wänden hinaufzulaufen!-
1394
01:44:05,920 --> 01:44:10,240
Mit Stichelreden, Naserümpfen
Soll jeder Schurke mich beschimpfen!
1395
01:44:10,280 --> 01:44:15,000
Soll wie ein böser Schuldner sitzen
Bei jedem Zufallswörtchen schwitzen!
1396
01:44:15,040 --> 01:44:22,050
Und möcht ich sie zusammenschmeißen
Könnt ich sie doch nicht Lügner heißen.
1397
01:44:23,750 --> 01:44:28,430
Was kommt heran? Was schleicht herbei?
Irr ich nicht, es sind ihrer zwei.
1398
01:44:28,470 --> 01:44:34,670
Ist er's, gleich pack ich ihn beim Felle
Soll nicht lebendig von der Stelle!
1399
01:44:34,920 --> 01:44:39,550
Wie von dem Fenster dort der Sakristei
Aufwärts der Schein des Ew'gen Lämpchens flämmert
1400
01:44:39,590 --> 01:44:46,600
Und schwach und schwächer seitwärts dämmert,
Und Finsternis drängt ringsum bei!
So sieht's in meinem Busen nächtig.
1401
01:44:46,640 --> 01:44:49,280
Und mir ist's wie dem Kätzlein schmächtig,
1402
01:44:49,320 --> 01:44:54,250
Das an den Feuerleitern schleicht,
Sich leis dann um die Mauern streicht;
1403
01:44:54,290 --> 01:44:59,850
Mir ist's ganz tugendlich dabei,
Ein bißchen Diebsgelüst, ein bißchen Rammelei.
1404
01:44:59,890 --> 01:45:04,670
So spukt mir schon durch alle Glieder
Die herrliche Walpurgisnacht.
1405
01:45:04,710 --> 01:45:08,060
Die kommt uns übermorgen wieder,
Da weiß man doch, warum man wacht.
1406
01:45:08,100 --> 01:45:14,070
Jetzt, da der Himmel voller Sterne glüht,
Sollt Ihr ein wahres Kunststück hören:
1407
01:45:14,110 --> 01:45:18,990
Ich sing ihr ein moralisch Lied,
Um sie gewisser zu betören.
1408
01:45:22,660 --> 01:45:26,240
Was machst du mir
Vor Liebchens Tür,
1409
01:45:26,280 --> 01:45:31,330
Kathrinchen, hier
Bei frühem Tagesblicke?
1410
01:45:31,370 --> 01:45:34,780
Laß, laß es sein!
Er läßt dich ein
1411
01:45:34,820 --> 01:45:43,040
Als Mädchen ein,
Als Mädchen nicht zurücke.
1412
01:45:51,060 --> 01:45:54,940
Als Mädchen nicht zurücke.
1413
01:45:55,040 --> 01:45:58,360
Nehmt euch in acht!
Ist es vollbracht,
1414
01:45:58,400 --> 01:46:03,260
Dann gute Nacht'
Ihr armen, armen Dinger!
1415
01:46:03,300 --> 01:46:08,370
Habt ihr euch lieb,
Tut keinem Dieb
Nur nichts zulieb
1416
01:46:08,410 --> 01:46:16,120
Als mit dem Ring am Finger.
1417
01:46:23,040 --> 01:46:25,320
Als mit dem Ring am Finger.
1418
01:46:25,360 --> 01:46:28,630
Wen lockst du hier? beim Element!
Vermaledeiter Rattenfänger!
1419
01:46:28,670 --> 01:46:32,370
Zum Teufel erst das Instrument!
Zum Teufel hinterdrein den Sänger!
1420
01:46:32,410 --> 01:46:36,170
Herr Doktor, nicht gewichen! Frisch!
Hart an mich an, wie ich Euch führe.
1421
01:46:36,210 --> 01:46:40,050
Heraus mit Eurem Flederwisch!
Nur zugestoßen! ich pariere.
1422
01:46:40,090 --> 01:46:42,040
- Pariere den!
- Gewiß!
1423
01:46:42,080 --> 01:46:44,330
- Auch den!
- Warum denn nicht?
1424
01:46:44,910 --> 01:46:48,020
- Ich glaub, der Teufel ficht! Was ist denn das?
Schon wird die Hand mir lahm.
- Stoß zu!
1425
01:46:48,060 --> 01:46:53,000
- O weh!
- Nun ist der Lümmel zahm! Nun aber fort!
1426
01:46:53,040 --> 01:46:55,030
- Heraus! Heraus!
- Herbei ein Licht!
1427
01:46:55,070 --> 01:46:58,440
- Man schilt und rauft, man schreit und ficht.
- Da liegt schon einer tot!
1428
01:46:58,480 --> 01:47:02,150
- Die Mörder, sind sie denn entflohn?
- Wer liegt hier?
1429
01:47:02,190 --> 01:47:06,370
- Deiner Mutter Sohn.
- Allmächtiger! welche Not!
1430
01:47:07,520 --> 01:47:13,160
Ich sterbe! das ist bald gesagt
Und bälder noch getan.
1431
01:47:13,870 --> 01:47:17,440
Mein Gretchen, sieh! du bist noch jung,
1432
01:47:17,480 --> 01:47:21,990
Bist gar noch nicht gescheit genung,
Machst deine Sachen schlecht.
1433
01:47:22,030 --> 01:47:26,540
Ich sag dir's im Vertrauen nur:
Du bist doch nun einmal eine Hur,
1434
01:47:26,580 --> 01:47:28,410
So sei's auch eben recht!
1435
01:47:28,450 --> 01:47:33,690
- Mein Bruder! Gott! Was soll mir das?
- Laß unsern Herrgott aus dem Spaß!
1436
01:47:33,730 --> 01:47:38,840
Geschehn ist leider nun geschehn
Und wie es gehn kann, so wird's gehn.
1437
01:47:38,880 --> 01:47:43,220
Du fingst mit einem heimlich an
Bald kommen ihrer mehre dran,
1438
01:47:43,260 --> 01:47:47,000
Und wenn dich erst ein Dutzend hat,
So hat dich auch die ganze Stadt.
1439
01:47:47,040 --> 01:47:51,130
Ich seh wahrhaftig schon die Zeit,
Daß alle brave Bürgersleut,
1440
01:47:51,170 --> 01:47:56,370
Wie von einer angesteckten Leichen,
Von dir, du Metze! seitab weichen.
1441
01:47:56,420 --> 01:48:01,300
Und, wenn dir dann auch Gott verzeiht,
Auf Erden sein vermaledeit!
1442
01:48:01,340 --> 01:48:05,910
Befehlt Eure Seele Gott zu Gnaden!
Wollt Ihr noch Lästrung auf Euch laden?
1443
01:48:05,950 --> 01:48:10,780
Könnt ich dir nur an den dürren Leib,
Du schändlich kupplerisches Weib!
1444
01:48:10,820 --> 01:48:14,760
Da hofft ich aller meiner Sünden
Vergebung reiche Maß zu finden.
1445
01:48:14,800 --> 01:48:19,890
- Mein Bruder! Welche Höllenpein!
- Ich sage, laß die Tränen sein!
1446
01:48:19,930 --> 01:48:25,520
Da du dich sprachst der Ehre los,
Gabst mir den schwersten Herzensstoß.
1447
01:48:25,580 --> 01:48:33,670
Ich gehe durch den Todesschlaf
Zu Gott ein als Soldat und brav.
1448
01:49:14,150 --> 01:49:18,630
Wie anders, Gretchen, war dir's,
Als du noch voll Unschuld
Hier zum Altar tratst
1449
01:49:18,670 --> 01:49:22,870
Betst du für deiner Mutter Seele, die
Durch dich zur langen, langen Pein hinüberschlief?
1450
01:49:22,910 --> 01:49:26,010
- Und unter deinem Herzen
Regt sich's nicht quillend schon
1451
01:49:26,050 --> 01:49:28,940
Und ängstet dich und sich
Mit ahnungsvoller Gegenwart?
1452
01:49:28,980 --> 01:49:32,480
Weh! Weh!
Wär ich der Gedanken los,
1453
01:49:32,520 --> 01:49:35,490
Die mir herüber und hinüber gehen
Wider mich!
1454
01:49:35,730 --> 01:49:41,990
Dies irae, dies illa
1455
01:49:42,380 --> 01:49:49,690
Solvet saeclum in favilla.
1456
01:49:49,730 --> 01:49:51,180
Wär ich hier weg!
1457
01:49:51,220 --> 01:49:53,950
Mir ist, als ob die Orgel mir
Den Atem versetzte,
1458
01:49:53,990 --> 01:49:58,070
Judex ergo cum sedebit,
1459
01:49:58,110 --> 01:50:02,050
Quidquid latet adparebit,
1460
01:50:02,090 --> 01:50:09,670
Nil inultum remanebit.
1461
01:50:11,880 --> 01:50:13,490
Mir wird so eng!
1462
01:50:13,530 --> 01:50:15,380
Die Mauernpfeiler
Befangen mich!
1463
01:50:15,420 --> 01:50:17,790
Das Gewölbe
Drängt mich!- Luft!
1464
01:50:17,830 --> 01:50:21,080
Verbirg dich! Sünd und Schande
Bleibt nicht verborgen.
1465
01:50:21,120 --> 01:50:23,900
Luft? Licht?
Weh dir!
1466
01:50:23,940 --> 01:50:30,360
Quid sum miser tunc dicturus?
1467
01:50:30,480 --> 01:50:38,450
Quem patronum rogaturus?
1468
01:50:38,490 --> 01:50:45,960
Cum vix justus sit securus.
1469
01:50:46,000 --> 01:50:48,840
Ihr Antlitz wenden
Verklärte von dir ab.
1470
01:50:48,880 --> 01:50:52,070
Die Hände dir zu reichen,
Schauert's den Reinen.
Weh!
1471
01:50:52,110 --> 01:50:58,300
Dies irae, dies illa Solvet saeclum in favilla,
1472
01:50:58,340 --> 01:51:00,700
Nachbarin! Euer Fläschchen!
1473
01:51:23,820 --> 01:51:26,940
Die Hexen zu dem Brocken ziehn,
1474
01:51:27,470 --> 01:51:30,790
Die Stoppel ist gelb, die Saat ist grün.
1475
01:51:31,130 --> 01:51:34,780
Dort sammelt sich der große Hauf,
1476
01:51:34,820 --> 01:51:39,290
Herr Urian sitzt oben auf.
1477
01:51:42,030 --> 01:51:45,000
Es trägt der Besen, trägt der Stock
1478
01:51:45,720 --> 01:51:48,560
Die Gabel trägt, es trägt der Bock
1479
01:51:49,200 --> 01:51:51,880
Wer heute sich nicht heben kann
1480
01:51:52,920 --> 01:51:55,340
Ist ewig ein verlorner Mann.
1481
01:52:00,250 --> 01:52:03,330
Und wenn wir um den Gipfel ziehn,
1482
01:52:03,970 --> 01:52:06,830
So streichet an dem Boden hin
1483
01:52:07,500 --> 01:52:10,120
Und deckt die Heide weit und breit
1484
01:52:10,950 --> 01:52:12,930
Mit eurem Schwarm der Hexenheit
1485
01:52:12,970 --> 01:52:20,080
Platz! Junker Voland kommt.
Platz! süßer Pöbel, Platz!
1486
01:52:20,120 --> 01:52:26,680
Der ganze Strudel strebt nach oben;
Du glaubst zu schieben, und du wirst geschoben.
1487
01:52:26,720 --> 01:52:28,300
Doch droben möcht ich lieber sein!
1488
01:52:28,340 --> 01:52:31,660
Schon seh ich Glut und Wirbelrauch.
Dort strömt die Menge zu dem Bösen;
1489
01:52:31,700 --> 01:52:33,250
Da muß sich manches Rätsel lösen.
1490
01:52:33,290 --> 01:52:37,340
Doch manches Rätsel knüpft sich auch.
1491
01:52:50,110 --> 01:52:55,310
Daß ich mich nur nicht selbst vergesse!
Heiß ich mir das doch eine Messe!
1492
01:53:00,150 --> 01:53:03,500
Da sitzen zwei, die Alte mit der Jungen;
Die haben schon was Rechts gesprungen!
1493
01:53:03,540 --> 01:53:08,640
Das hat nun heute keine Ruh.
Es geht zum neuen Tanz, nun komm! wir greifen zu.
1494
01:53:12,370 --> 01:53:18,470
Einst hatt ich einen schönen Traum
Da sah ich einen Apfelbaum,
1495
01:53:18,510 --> 01:53:24,500
Zwei schöne Äpfel glänzten dran,
Sie reizten mich, ich stieg hinan.
1496
01:53:24,540 --> 01:53:28,210
Der Äpfelchen begehrt ihr sehr,
Und schon vom Paradiese her.
1497
01:53:28,850 --> 01:53:32,690
Von Freuden fühl ich mich bewegt,
Daß auch mein Garten solche trägt.
1498
01:53:33,030 --> 01:53:38,840
Einst hatt ich einen wüsten Traum
Da sah ich einen gespaltnen Baum,
1499
01:53:38,880 --> 01:53:45,140
Der hatt ein riesengroβes Loch;
So groß es war, gefiel mir's doch.
1500
01:53:45,530 --> 01:53:49,470
Ich biete meinen besten Gruß
Dem Ritter mit dem Pferdefuß!
1501
01:53:49,710 --> 01:53:54,310
Halt Er einen rechten Pfropf bereit,
Wenn Er das große Loch nicht scheut.
1502
01:54:18,460 --> 01:54:21,970
Mephisto, siehst du dort
Ein blasses, schönes Kind allein und ferne stehen?
1503
01:54:22,010 --> 01:54:24,960
Sie schiebt sich langsam nur vom Ort,
Sie scheint mit geschloßnen Füßen zu gehen.
1504
01:54:25,000 --> 01:54:27,300
Ich muß bekennen, daß mir deucht,
Daß sie dem guten Gretchen gleicht.
1505
01:54:27,340 --> 01:54:33,860
Laß das nur stehn! dabei wird's niemand wohl.
Es ist ein Zauberbild, ist leblos, ein Idol.
1506
01:54:33,900 --> 01:54:36,710
Fürwahr, es sind die Augen einer Toten,
Die eine liebende Hand nicht schloß.
1507
01:54:36,750 --> 01:54:40,020
Das ist die Brust, die Gretchen mir geboten,
Das ist der süße Leib, den ich genoß.
1508
01:54:40,060 --> 01:54:45,540
Das ist die Zauberei, du leicht verführter Tor!
Denn jedem kommt sie wie sein Liebchen vor.
1509
01:54:45,580 --> 01:54:48,630
Welch eine Wonne! welch ein Leiden!
Ich kann von diesem Blick nicht scheiden.
1510
01:54:48,670 --> 01:54:54,890
Wie sonderbar muß diesen schönen Hals
Ein einzig rotes Schnürchen schmücken,
Nicht breiter als ein Messerrücken!
1511
01:54:58,310 --> 01:55:01,180
Im Elend! Verzweifelnd!
Und nun gefangen!
1512
01:55:01,220 --> 01:55:07,380
Als Missetäterin Im Kerker zu entsetzlichen
Qualen eingesperrt, das holde unselige Geschöpf!
1513
01:55:07,420 --> 01:55:11,680
Bösen Geistern übergeben und der richtenden
gefühllosen Menschheit!
1514
01:55:11,730 --> 01:55:14,220
Und mich wiegst du indes in abgeschmackten
Zerstreuungen,
1515
01:55:14,260 --> 01:55:17,240
verbirgst mir ihren wachsenden Jammer
und lässest sie hilflos verderben!
1516
01:55:17,280 --> 01:55:19,580
Sie ist die erste nicht.
1517
01:55:19,620 --> 01:55:22,730
Hund! abscheuliches Untier!
1518
01:55:22,770 --> 01:55:23,680
"Die erste nicht!"
1519
01:55:23,720 --> 01:55:26,240
Mir wühlt es Mark und Leben durch,
das Elend dieser einzigen -
1520
01:55:26,280 --> 01:55:30,330
du grinsest gelassen über das
Schicksal von Tausenden hin!
1521
01:55:30,570 --> 01:55:35,820
Nun sind wir schon wieder an der Grenze unsres Witzes, da,
wo ich den Menschen der Sinn überschnappt.
1522
01:55:35,860 --> 01:55:39,360
Warum machst du Gemeinschaft mit uns, wenn
Du sie nicht durchführen kannst?
1523
01:55:39,400 --> 01:55:43,030
Willst fliegen und bist vorm Schwindel nicht sicher?
1524
01:55:43,070 --> 01:55:46,810
Drangen wir uns dir auf, oder du dich uns?
1525
01:55:46,850 --> 01:55:49,880
Rette sie! oder weh dir!
Den gräßlichsten Fluch über dich auf Jahrtausende!
1526
01:55:49,920 --> 01:55:53,180
Wer war's, der sie ins Verderben stürzte? Ich oder du?
1527
01:55:53,220 --> 01:55:54,960
Führe mich hin, sag ich, und befrei sie.
1528
01:55:55,000 --> 01:56:00,460
Ich will dich führen, und was ich tun kann, höre!
Des Türners Sinne will ich umnebeln,
1529
01:56:00,500 --> 01:56:04,420
bemächtige dich der Schlüssel und führe
sie heraus mit Menschenhand!
1530
01:56:04,460 --> 01:56:07,540
Ich wache, ich entführe euch. Das vermag ich.
1531
01:56:07,580 --> 01:56:09,040
Auf und davon!
1532
01:56:09,930 --> 01:56:13,020
Meine Mutter, die Hur
Die mich umgebracht hat!
1533
01:56:13,060 --> 01:56:16,240
Mein Vater, der Schelm
Der mich gessen hat!
1534
01:56:16,480 --> 01:56:19,470
Mein Schwesterlein klein
Hub auf die Bein
1535
01:56:19,510 --> 01:56:22,030
An einem kühlen Ort;
1536
01:56:22,130 --> 01:56:28,120
Da ward ich ein schönes Waldvögelein;
Fliege fort, fliege fort!
1537
01:56:28,160 --> 01:56:32,370
Mich faßt ein längst entwohnter Schauer,
Der Menschheit ganzer Jammer faßt mich an
1538
01:56:32,410 --> 01:56:36,300
Hier wohnt sie hinter dieser feuchten Mauer
Und ihr Verbrechen war ein guter Wahn
1539
01:56:36,340 --> 01:56:42,230
Du zauderst, zu ihr zu gehen!
Du fürchtest, sie wiederzusehen!
Fort! dein Zagen zögert den Tod heran.
1540
01:56:42,270 --> 01:56:45,350
- Weh! Sie kommen. Bittrer Tod!
- Still! Still! ich komme, dich zu befreien.
1541
01:56:45,390 --> 01:56:47,670
Bist du ein Mensch, so fühle meine Not.
1542
01:56:47,710 --> 01:56:50,240
Du wirst die Wächter aus dem Schlafe schreien!
1543
01:56:50,280 --> 01:56:53,340
Wer hat dir Henker diese Macht
Über mich gegeben!
1544
01:56:53,380 --> 01:56:57,070
Du holst mich schon um Mitternacht.
Erbarme dich und laß mich leben!
1545
01:56:57,110 --> 01:57:00,850
Fasse mich nicht so gewaltsam an!
Schone mich! Was hab ich dir getan?
1546
01:57:00,890 --> 01:57:04,290
Laß mich nicht vergebens flehen,
Hab ich dich doch mein Tage nicht gesehen!
1547
01:57:04,330 --> 01:57:05,860
Werd ich den Jammer überstehen!
1548
01:57:05,900 --> 01:57:10,720
Ich bin nun ganz in deiner Macht.
Laß mich nur erst das Kind noch tränken.
1549
01:57:10,760 --> 01:57:17,080
Ich herzt es diese ganze Nacht;
Sie nahmen mir's, um mich zu kränken,
1550
01:57:17,120 --> 01:57:20,820
Und sagen nun, ich hätt es umgebracht.
Und niemals werd ich wieder froh...
1551
01:57:20,860 --> 01:57:24,170
Ein Liebender liegt dir zu Füßen,
Die Jammerknechtschaft aufzuschließen.
1552
01:57:24,210 --> 01:57:26,830
O laß uns knien, die Heil'gen anzurufen!
1553
01:57:26,870 --> 01:57:30,610
Sieh! unter diesen Stufen,
Unter der Schwelle
Siedet die Hölle!
1554
01:57:30,650 --> 01:57:32,890
Der Böse,
Mit furchtbarem Grimme,
Macht ein Getöse!
1555
01:57:32,930 --> 01:57:36,170
Gretchen! Gretchen!
1556
01:57:36,300 --> 01:57:41,710
Das war des Freundes Stimme!
Wo ist er? ich hab ihn rufen hören.
1557
01:57:41,750 --> 01:57:44,720
Ich bin frei! mir soll niemand wehren.
An seinen Hals will ich fliegen,
1558
01:57:44,760 --> 01:57:48,740
An seinem Busen liegen!
Er rief Gretchen! Er stand auf der Schwelle.
1559
01:57:48,780 --> 01:57:55,040
Mitten durchs Heulen und Klappen der Hölle,
Durch den grimmigen, teuflischen Hohn
Erkannt ich den süßen, den liebenden Ton.
1560
01:57:55,080 --> 01:57:56,690
Ich bin's!
1561
01:57:56,930 --> 01:57:59,090
Du bist's!
1562
01:57:59,430 --> 01:58:01,830
O sag es noch einmal!
1563
01:58:02,570 --> 01:58:05,900
Er ist's! Er ist's!
1564
01:58:06,040 --> 01:58:10,470
Wohin ist alle Qual?
Wohin die Angst des Kerkers? der Ketten?
1565
01:58:10,510 --> 01:58:13,710
Du bist's! Kommst, mich zu retten.
Ich bin gerettet!
1566
01:58:13,750 --> 01:58:15,130
Komm mit! Komm mit!
1567
01:58:15,170 --> 01:58:17,510
- O weile weil ich doch so gern, wo du weilest.
1568
01:58:17,550 --> 01:58:19,250
- Eile!
Wenn du nicht eilest
Werden wir's teuer büßen müssen.
1569
01:58:19,290 --> 01:58:23,510
Wie? du kannst nicht mehr küssen?
Mein Freund, so kurz von mir entfernt
1570
01:58:23,550 --> 01:58:26,970
Und hast's Küssen verlernt?
Warum wird mir an deinem Halse so bang?
1571
01:58:27,010 --> 01:58:33,540
Wenn sonst von deinen Worten, deinen Blicken
Ein ganzer Himmel mich überdrang
Und du mich küßtest, als wolltest du mich ersticken.
1572
01:58:33,580 --> 01:58:37,450
Küsse mich!
Sonst küß ich dich!
1573
01:58:37,580 --> 01:58:40,670
O weh! deine Lippen sind kalt,
Sind stumm.
1574
01:58:40,710 --> 01:58:42,730
Wo ist dein Lieben
Geblieben?
Wer brachte mich drum?
1575
01:58:42,770 --> 01:58:45,580
Komm! Folge mir! Liebchen, fasse Mut!
Ich herze dich mit tausendfacher Glut
1576
01:58:45,620 --> 01:58:47,260
Nur folge mir! Ich bitte dich nur dies!
1577
01:58:47,300 --> 01:58:49,430
Und bist du's denn? Und bist du's auch gewiß?
1578
01:58:49,470 --> 01:58:51,060
Komm! komm! schon weicht die tiefe Nacht.
1579
01:58:51,100 --> 01:58:53,590
Meine Mutter hab ich umgebracht,
1580
01:58:53,630 --> 01:58:57,480
Mein Kind hab ich ertränkt.
1581
01:58:57,580 --> 01:59:02,820
War es nicht dir und mir geschenkt?
Dir auch.
1582
01:59:02,860 --> 01:59:08,070
- Du bist's! ich glaub es kaum.
Gib deine Hand! Es ist kein Traum!
1583
01:59:08,110 --> 01:59:14,260
Deine liebe Hand!- Ach, aber sie ist feucht!
Wische sie ab!
Wie mich deucht,
1584
01:59:14,300 --> 01:59:17,000
Ist Blut dran.
Ach Gott! was hast du getan!
1585
01:59:17,040 --> 01:59:18,930
Stecke den Degen ein,
Ich bitte dich drum!
1586
01:59:18,970 --> 01:59:21,370
Laß das Vergangne vergangen sein,
Du bringst mich um.
1587
01:59:21,410 --> 01:59:23,650
Nein, du mußt übrigbleiben!
1588
01:59:23,690 --> 01:59:27,290
Ich will dir die Gräber beschreiben,
Für die mußt du sorgen
Gleich morgen;
1589
01:59:27,530 --> 01:59:31,130
Der Mutter den besten Platz geben,
Meinen Bruder sogleich daneben,
1590
01:59:31,170 --> 01:59:36,360
Mich ein wenig beiseit',
Nur nicht gar zu weit!
1591
01:59:36,400 --> 01:59:41,760
Und das Kleine mir an die rechte Brust.
Niemand wird sonst bei mir liegen!-
1592
01:59:41,800 --> 01:59:45,980
Mich an deine Seite zu schmiegen,
Das war ein süßes, ein holdes Glück!
1593
01:59:46,020 --> 01:59:49,850
Aber es will mir nicht mehr gelingen;
Mir ist's, als müßt ich mich zu dir zwingen,
1594
01:59:49,890 --> 01:59:55,220
Als stießest du mich von dir zurück;
Und doch bist du's und blickst so gut, so fromm.
1595
01:59:55,260 --> 01:59:56,890
Fühlst du, daß ich es bin, so komm!
1596
01:59:56,930 --> 02:00:00,240
Ist das Grab drauß,
Lauert der Tod, so komm!
1597
02:00:00,280 --> 02:00:04,190
Von hier ins ewige Ruhebett
Und weiter keinen Schritt
1598
02:00:04,230 --> 02:00:06,730
Du gehst nun fort?
O Heinrich, könnt ich mit!
1599
02:00:06,770 --> 02:00:08,500
Du kannst! So wolle nur! Die Tür steht offen!
1600
02:00:08,540 --> 02:00:13,220
Ich darf nicht fort; für mich ist nichts zu hoffen.
Was hilft es, fliehn? Sie lauern doch mir auf.
1601
02:00:13,260 --> 02:00:16,100
Es ist so elend, betteln zu müssen
Und noch dazu mit bösem Gewissen!
1602
02:00:16,140 --> 02:00:18,680
Es ist so elend, in der Fremde schweifen
Und sie werden mich doch ergreifen!
1603
02:00:18,720 --> 02:00:19,860
Ich bleibe bei dir
1604
02:00:19,900 --> 02:00:22,780
Geschwind! Geschwind!
Rette dein armes Kind!
1605
02:00:22,820 --> 02:00:24,500
Fort! immer den Weg
Am Bach hinauf,
Über den Steg,
1606
02:00:24,540 --> 02:00:26,630
In den Wald hinein,
Links, wo die Planke steht,
Im Teich.
1607
02:00:26,670 --> 02:00:28,100
Faß es nur gleich!
Es will sich heben,
1608
02:00:28,140 --> 02:00:30,860
Es zappelt noch!
Rette! rette!
1609
02:00:30,900 --> 02:00:33,960
Besinne dich doch!
Nur einen Schritt, so bist du frei!
1610
02:00:34,000 --> 02:00:37,890
Wären wir nur den Berg vorbei!
Da sitzt meine Mutter auf einem Stein,
1611
02:00:37,930 --> 02:00:41,120
Es faßt mich kalt beim Schopfe!
Da sitzt meine Mutter auf einem Stein
1612
02:00:41,160 --> 02:00:46,880
Und wackelt mit dem Kopfe
Sie winkt nicht, sie nickt nicht, der Kopf ist ihr schwer
1613
02:00:46,920 --> 02:00:53,960
Sie schlief so lange, sie wacht nicht mehr.
Sie schlief, damit wir uns freuten.
1614
02:00:54,000 --> 02:00:59,070
- Es waren glückliche Zeiten!
- Hilft hier kein Flehen, hilft kein Sagen,
So wag ich's, dich hinwegzutragen.
1615
02:00:59,110 --> 02:01:02,240
Laß mich! Nein, ich leide keine Gewalt!
1616
02:01:02,280 --> 02:01:06,700
Fasse mich nicht so mörderisch an!
Sonst hab ich dir ja alles zulieb getan.
1617
02:01:06,740 --> 02:01:09,530
Der Tag graut! Liebchen! Liebchen!
1618
02:01:09,570 --> 02:01:16,370
Tag! Ja, es wird Tag! der letzte Tag dringt herein;
1619
02:01:16,460 --> 02:01:19,570
Mein Hochzeittag sollt es sein!
1620
02:01:19,610 --> 02:01:22,550
Sag niemand, daß du schon bei Gretchen warst.
1621
02:01:22,590 --> 02:01:26,470
Weh meinem Kranze!
Es ist eben geschehn!
1622
02:01:26,510 --> 02:01:30,850
Wir werden uns wiedersehn;
Aber nicht beim Tanze.
1623
02:01:30,890 --> 02:01:35,790
Die Menge drängt sich, man hört sie nicht.
Der Platz, die Gassen
Können sie nicht fassen.
1624
02:01:35,830 --> 02:01:39,490
Die Glocke ruft, das Stäbchen bricht.
1625
02:01:39,530 --> 02:01:43,150
Wie sie mich binden und packen!
Zum Blutstuhl bin ich schon entrückt.
1626
02:01:43,190 --> 02:01:48,370
Schon zuckt nach jedem Nacken
Die Schärfe, die nach meinem zückt.
1627
02:01:48,710 --> 02:01:53,740
Stumm liegt die Welt wie das Grab!
1628
02:01:54,280 --> 02:01:56,480
O wär ich nie geboren!
1629
02:01:56,520 --> 02:02:00,540
Auf! oder ihr seid verloren.
Unnützes Zagen! Zaudern und Plaudern!
1630
02:02:00,580 --> 02:02:03,040
Mein Pferde schaudern,
Der Morgen dämmert auf.
1631
02:02:03,080 --> 02:02:09,010
Der! der! Schick ihn fort!
Was will der an dem heiligen Ort?
Er will mich!
1632
02:02:09,050 --> 02:02:13,120
- Du sollst leben!
- Gericht Gottes! dir hab ich mich übergeben!
1633
02:02:13,160 --> 02:02:15,570
Komm! komm! Ich lasse dich mit ihr im Stich.
1634
02:02:15,610 --> 02:02:20,820
Dein bin ich, Vater! Rette mich!
Ihr Engel! Ihr heiligen Scharen,
1635
02:02:20,860 --> 02:02:24,250
Lagert euch umher, mich zu bewahren!
1636
02:02:24,290 --> 02:02:28,320
Heinrich! Mir graut's vor dir.
1637
02:02:28,360 --> 02:02:29,720
Sie ist gerichtet!
1638
02:02:29,760 --> 02:02:33,230
Ist gerettet!
1639
02:02:36,690 --> 02:02:40,250
Her zu mir!
1640
02:02:41,640 --> 02:02:47,120
Heinrich! Heinrich!
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