All language subtitles for Das Netz (The Net) - 2003 - Lutz Dammbeck_german

Eines Tages ging ich durch
den Central Park und spielte Banjo,

da lief mir Jonas Mekas mit seiner 8mm-
Kamera über den Weg. Er filmte mich,

wir unterhielten uns,

und am nächsten Tag war ich neuer Leiter
der "Film-Makers' Cinematheque".

Ich kündigte meinen Job. Er sagte,
er wolle ein Festival ins Leben rufen,

mit dem Schwerpunkt Film,
aber unter Einbeziehung anderer Künste.

Das war der Auftrag. Er machte ein paar
Vorschläge, wir dachten darüber nach,

und ich sollte es organisieren.

Ich nannte es
"Expanded Cinema Festival".

Ich ging zu Rauschenberg,
Oldenburg, Nam June Paik,

zur Usco-Gruppe, zu Carolee Schneemann,

zu Tänzern, Malern,
Dichtern und Klangkünstlern...

Die einzige Bedingung war, dass Film
irgendwie im Kunstwerk vorkommen musste.

Das Ergebnis war eine totale Neuordnung
der Sinne. Man wusste nicht, was man sah0

Sie beschäftigten sich
mit technologischen Dingen.

Niemand sprach damals von Kybernetik,
aber sie alle lasen McLuhan.

Rauschenberg erzählte mir von McLuhan
und empfahl mir, ihn zu lesen.

Cage gab mir Wieners Buch "Kybernetik"
und sagte: "Das ist was für dich.",

weil ich mich sehr für Theorien über
Feedback und Nonlinearität interessierte

Dann bekam ich einen Anruf
von A.K. Salomon,

damals Leiter der
biophysikalischen Fakultät in Harvard.

Er hatte über das "Expanded
Cinema Festival" gelesen und sagte:

"Wir haben hier so viele Wissenschaftler
in Harvard und am MIT,

und einige von uns würden gerne
eine Gruppe Künstler einladen,

um bei einem mehrtägigen Seminar
über gemeinsame Interessen zu sprechen."

Ich wurde gebeten,
das zu organisieren, was ich auch tat,

und dann nahmen sie uns mit,
um DEN Computer zu besichtigen.

Da war ein Raum, und alle in dem Raum
trugen weiße Kittel. Ihnen war kalt,

uns war auch kalt,
und wir betrachteten den Computer,

mit all diesen Karten. Sie wissen schon,
Lochkarten. Ich stand also da,

wie ein Kind, das sich die Nase
am Schaufenster platt drückt.

Es war so aufregend,
und ich hatte keine Ahnung, warum.

Der Biologe JZ Young schrieb in "Zweifel
und Gewissheit in der Wissenschaft":

"Wir bauen Werkzeuge, und passen uns
dann ihren Erfordernissen an."

Ich las das 1964,
und es machte "klick".

Ich erkannte plötzlich:

Realität ist nicht das Stück,
das wir vor uns auf einer Bühne sehen,

sondern diese Realität erfinden wir
selbst. Wir erfinden Technologien,

und dann verwandeln wir uns
in diese Technologien.

Das heißt: Dein Herz ist nicht
WIE eine Pumpe. Es IST eine Pumpe.

Das Gehirn ist nicht WIE ein Computer,
es IST ein Computer. So geht das weiter:

Jetzt bist du ein neuronales Netz
oder ein Informationssystem...

... und die Kreise erweiterten sich:

Da war Heinz von Foerster, der Dekan
der Kybernetiker-Weltvereinigung,

da war Gregory Bateson,
Stewart Brand...

Fast alle waren Autoren, wie ich.
Ich las ihre Bücher,

und niemand in New York hatte
eine Ahnung, dass da etwas im Gange war,

dass da ein neues Bewusstsein
und eine neue Geisteshaltung aufkam,

dass man diese Leute zusammenbringen und
wie dieses miteinander verbinden konnte,

um sie als Teile
eines kollektiven Bewusstseins zu sehen.

Und das waren Bestseller-Autoren,
die vom Verlagswesen betrogen wurden.

Also wurde ich als Agent angeheuert,
weil ich was von Geschäften verstand,

und sie sagten:

"Kümmere dich doch um unsere Interessen.
Das kostet dich eine Stunde pro Tag."

Ich dachte, damit könnte ich etwas Geld
verdienen, während ich Bücher schrieb.

Aber ich stellte ziemlich schnell fest,
dass ich auf einer Ölquelle saß,

die sich nicht mehr abstellen ließ.
Das ist jetzt 30 Jahre her.

1993 griff jemand Ihr Netzwerk an,

über das wir gerade sprachen.

David Gelernter,
einer Ihrer berühmten Autoren,

erhielt eine Briefbombe des
so genannten "Unabombers". - Richtig.

Warum, glauben Sie,
war er ein Angriffsziel?

Ich weiß, er war ein Angriffsziel...

Dieser kriminelle Verrückte
las wahrscheinlich die New York Times,

und viele der Leute,
die er sich als Opfer aussuchte,

waren dort von John Markoff
porträtiert worden.

Über Gelernter erschien in der Times
eines der größten Porträts überhaupt,

und ich bin sicher,
dass es damit etwas zu tun hatte.

Aber der "Unabomber" studierte
in Harvard und war Mathematiker...

Ja, und er ist
ein kranker Krimineller.

Ich möchte keine ernsthafte
Diskussion über diesen Kerl führen.

Wissen Sie, er ist es nicht wert.

Er ist ein Typ,
der so ein "Manifest" geschrieben hat,

das niemand veröffentlichen wollte,
weil es so schlecht und fehlerhaft war.

Um es an die Öffentlichkeit zu bringen,
hat er Leute umgebracht.

Das war's. Man kann über Umwelt
und Wissenschaft diskutieren,

aber man muss niemanden umbringen,
um seinen Standpunkt zu vertreten.

Ich möchte ihn nicht aufwerten,
indem wir weiter über ihn sprechen.

Lassen Sie uns das Thema wechseln.

Also, ruf mir einen Wagen!

1960/61 war ich Leutnant
der US Army in Fort Dixon, New Jersey.

Wenn ich am Wochenende frei hatte,

ging ich zur Lower East Side in New York
und traf mich mit Künstlern,

weil ich schon 1959/60 in San Francisco
Kontakt zu Künstlern gehabt hatte.

John Brockman gehörte dazu,
ein Typ namens Steve Durkey,

der Dichter Gerd Stern und eine Gruppe
von Künstlern & Ingenieuren namens USCO.

Sie hatte sich gerade gegründet.
Der Name stand für "Us Company".

Ken Kesey lernte ich ganz einfach
durch Indianer kennen.

Durch Zufall

war ich damals Fotojournalist, und durch
einen Freund bekam ich den Auftrag,

im "Warm Springs"-Reservat
Indianer zu fotografieren.

Ich dachte, das ist wirklich
ein interessantes, anderes Amerika,

das ich bis dahin nicht kannte

und das mich sehr bewegte.

Dann erschien Keseys Buch
"Einer flog übers Kuckucksnest",

in dem eine Figur
namens Häuptling Broom vorkommt.

Diese Figur lebt in dem Reservat,
in dem ich fotografiert hatte.

Das berührte mich, und es bestätigte,
was ich schon selbst gefühlt hatte,

nämlich, dass Indianer wichtig waren.
Ich schickte Kesey meine Fotos.

Durch einen gemeinsamen Freund
kannte ich seine Adresse,

und er antwortete: "Komm vorbei."

Ich wurde ganz selbstverständlich
willkommen geheißen und mit einbezogen.

"Im Bus zu sein" hieß,
von Acid-Test zu Acid-Test zu fahren.

Das war Keseys Art
von Performance-Kunst.

Eine Band war dabei, die "Warlocks",
die späteren "Grateful Dead".

Einige Leute waren ehemalige Soldaten
wie ich, einige waren Künstler...

Und das Ganze war extrem improvisiert.

Ob es ein mobiles Laboratorium war?

Ja, für Kesey war es das sicher.

Er sagte:

"Die Wissenschaftler sprechen davon,
dass sie 'Versuche' machen.

Aber wir, wir betreiben 'Suche'.

Und wenn wir nicht 'Steine kochen'
und dann dieses Wasser trinken,

woher sollen wir dann wissen,
ob es uns nicht stark macht?"

Und wir "kochten Steine", das heißt,
wir probierten absolut alles aus.

Und da waren ziemlich interessante
Experimente dabei, zum Beispiel dieses:

Ein ganzer Haufen Leute sitzt rum,
ziemlich stoned, ungefähr 15 Personen,

Man nimmt einen Gartenschlauch, zerteilt
ihn in Stücke von ca. 3 Metern Länge,

bindet alle zu einem Knoten zusammen,
nimmt sich zwei Enden,

spricht in eins hinein
und lauscht an dem anderen.

Du weißt zwar, wen du hörst,
aber du weißt nicht, mit wem du redest.

Und das alles in einer Gruppe von 15
Leuten. Nur um zu sehen, was passiert.

Das war "Suche".

Das "Whole Earth Catalog"-Projekt

hatte diesen Bezugsrahmen, aber konkret
entstand es an einem LSD-Nachmittag.

Ich hing auf einem Hausdach herum,

hatte ungefähr 200 Mikrogramm LSD intus
und nichts Besseres zu tun...

und dachte über eine gerade gehörte
Vorlesung von Buckminster Fuller nach.

Und Fuller war wie McLuhan einer
von denen, auf die wir damals hörten.

Wiener kam in dem Heft vor,
ein bisschen was von Cage...

Die ersten Leser und Kunden
waren Kommunen, also jene Leute,

die eine neue Gesellschaft aufbauen
wollten. Ich bot ihnen das Werkzeug an.

Es stellte sich heraus, dass eine
Menge Leute daran interessiert waren.

Die Kommunen, die versuchten,
zu den Ursprüngen zurückzukehren,

mit Landwirtschaft
und solchen Sachen...

Sie hatten wirklich Erfolge und lernten
ernsthaft etwas über Landwirtschaft.

Ein Buch, das wir vertrieben, hieß
"Ziegenhaltung". Es war sehr beliebt.

Man holt sich das Buch und eine Ziege
und macht es einfach.

Aber das führte dann nicht sehr weit.

Es war im Grunde eine Art Sackgasse,
wie Drogen,

während z.B. die alternative Energie-
technologie sehr vielversprechend war.

Langsam ging es mit der Solarenergie
los, und das wächst heute noch.

Computertechnologie natürlich auch.

Und da der Gegenkultur-Hippie-Rahmen für
alle möglichen Außenseiter offen war,

zog das auch die Computer-Hacker an
und wurde zu deren Bezugsrahmen.

Und in einer
wirtschaftlich erfolgreichen Variante

wurde das auch die Basis für PCs
und allgemein zugängliche Software,

dann für das Internet,
für das World Wide Web usw.

Deshalb besteht das Haupterbe der 60er
meines Erachtens darin,

alles, was mit Computern zu tun hat,
als offenes System zu begreifen.

Stewart, Sie boten
in Ihrem Katalog zwei Wege an:

"Wie benutze ich einen Computer?"

und "Wie baue ich mir
eine Hütte in der Wildnis?",

wie Thoreau, eine der Ikonen Amerikas.

Sie boten Technologie und Anti-
Technologie an, zusammen in einem Buch.

Das stimmt.

Führte das nicht zu Konflikten oder
Diskussionen, auch mit Ihren Lesern?

Wir waren auf einer Seite des Konflikts
zwischen Technologie und deren Gegnern.

Wie landeten
auf der Seite der Technologie.

Hauptsächlich wegen der Theorie, dass
der Einsatz von Technologie bedeutet:

Greif zu, lass es laufen und tu damit,
was du für richtig hältst.

Wenn es so läuft und diese Technologien
grundsätzlich demokratisiert werden,

dann werden sie gut sein.

Wenn man aber nur sagt: "Oh,
sie sind böse, rühr sie bloß nicht an!",

dann lässt man ihnen die Freiheit,
so böse zu sein, wie sie wollen.

Wer ist denn in Thoreaus Hütte gelandet?
Der Unabomber! Ted Kaczynski.

Er sagte: "Technologie ist böse, und...

ich werde das beweisen und einige der
Leute umbringen, die so was erfinden."

Und das führt dann zu Bill Joy,
der sagt:

Ted Kaczynski hat in einigen Dingen
Recht. Man liest seine Sachen,

und die enthalten manche vernünftige
Kritik, die wir ernst nehmen sollten.

Was ist, wenn wir Massenvernichtungs-
waffen demokratisieren? Ist das gut?

Es war gut, PCs
und das Internet zu demokratisieren,

aber was ist mit
Massenvernichtungswaffen?

Das ist eine gute Frage, die uns am
Anfang des 21. Jahrhunderts beschäftigt.

Ich denke,
das wird sich irgendwann regeln,

aber es ist eine wichtige Frage.

Nun, er sagte: "Die Kultur geht hier
in eine bestimmte Richtung,

in eine gefährliche Richtung,

und ich werde alles tun,
um das zu stoppen."

Und er hat sich Gehör verschafft.
Durch Gewalt zwar, aber er wurde gehört.

Im Kalten Krieg,
als der 2. Weltkrieg vorbei war,

wandten wir unsere Aufmerksamkeit
den Russen zu und brauchten zweierlei:

1. etwas zum Schutz unseres Luftraums
und 2. etwas, das der US-Bevölkerung

ein Gefühl der Sicherheit gab.

Und da kam SAGE ins Spiel. SAGE ist der
größte Computer, der je gebaut wurde.

Dies ist nur ein Teil davon.
Das hier ist ein anderer Teil,

und damit haben wir weniger
als 10 Prozent einer SAGE-Maschine.

Modems wurden hier erstmals
in größerem Umfang angewandt:

Man sah auf dem Bildschirm einen Punkt,
der sich bewegte,

und man konnte dem Computer Eigen-
schaften dieses Flugobjekts mitteilen,

indem man
mit einer Lichtpistole drauf klickte.

Wenn es Informationen von der
Luftraumüberwachung gab, wurde das

dem Computer angezeigt. Wenn nicht,
musste das System abgeschaltet werden.

Hier können Sie
den großen Bildschirm sehen.

Es war die erste Anwendung von Modems,
ein "dezentrales Netzwerk".

Wenn eine Bombe einen der Netzknoten
erwischt hätte, hätte man immer noch

die Inputs von einer anderen
Station aus kontrollieren können.

Das war sehr durch die ersten Konzepte
des sogenannten ARPANET beeinflusst,

von der Idee, das Netzwerk am Laufen
zu halten, auch wenn ein Knoten ausfiel.

Man zeigte an,
was im Anflug war,

dann konnte man Abwehrjets dirigieren
oder sogar Bodenraketen abfeuern.

Man hatte auch die Möglichkeit,
andere Luftsektoren anzuwählen

und deren Flugraum
ebenfalls zu kontrollieren.

Wenn man da reinzoomen und mit einer
bestimmten Division operieren wollte

und wenn man Zugang dazu hatte,
zeigte der Computer ein Kontrollbild.

Ein sehr, sehr
fortschrittliches Frühwarnsystem.

Es gab Standby, Aus und Ein. Oder man
konnte nur die Kühlung laufen lassen.

Sogar Zigarettenanzünder
und Aschenbecher waren da.

Das Rauchen half dabei,
nicht verrückt zu werden.

Die ARPA wurde 1957 gegründet,
vielleicht war es auch 1958,

als Reaktion auf den Sputnik.

Der Sputnik startete im Oktober 1957
und kam für die USA sehr überraschend.

1958, unmittelbar nach dem Sputnik,

bat Präsident Eisenhower
das Verteidigungsministerium,

eine Behörde namens ARPA einzurichten,
die "Advanced Research Projects Agency",

also eine Behörde
für Forschungsprojekte,

die auf langfristige
Erwartungen hin angelegt waren,

in der Hoffnung, nicht wieder so über-
rascht zu werden wie durch die Russen.

Die ersten ARPA-Programme hatten also
alle mit dem Weltraum zu tun,

nicht mit der Computerforschung.

Dann wurde 1960
die NASA ins Leben gerufen,

und zwar von Kennedy.

Die ARPA-Weltraumprogramme
wurden alle der NASA übergeben.

Damit hatte die ARPA
ab 1961/62 die Möglichkeit,

sich anderen Sachen zu widmen.

Und eine dieser Sachen
war die Computerforschung.

Meine und auch andere Abteilungen
der ARPA gingen folgendermaßen vor:

Man sucht sich Leute

mit wirklich großen Ideen,
die funktionieren könnten,

und wenn sie wirklich funktionieren,
wird sich das bezahlt machen.

Und dann waren da Leute,
Labore, Büros und Firmen...

Können Sie skizzieren,

wie daraus ein Netzwerk wurde?

Also, diese Gruppe hat ihren eigenen
Computer, diese auch, und so weiter.

Aber diese Computer können nur dann
miteinander sprechen und kommunizieren,

wenn Sie überall einen
kleinen Übersetzer danebensetzen.

Dieser Computer schickt etwas hierher,
und es läuft durch den Übersetzer.

Der Übersetzer übersetzt
diese Sprache oder diese Bits

in eine gemeinsame Sprache,
die der hier versteht und der auch,

aber diese beiden verstehen sie nicht.

Und so geht die Übersetzung
wieder hier durch und kommt hier an.

Dieser Typ übersetzt das Ganze in etwas,
was der hier dann empfangen kann.

Und dasselbe gilt hier und hier

und sogar hier,

sodass alles mehrfach
miteinander verbunden ist.

Manche Historiker
haben sich das angesehen und gesagt:

"Na ja, die ARPA hat das ARPANET für den
Fall einer Atomkatastrophe entwickelt."

Nein! Das war nicht der Grund.

Wir haben das ARPANET entwickelt,
um Leuten an verschiedenen Orten,

die gemeinsame Interessen haben,
die Chance zu geben, sich auszutauschen.

Das Internet ist einfach
eine Weiterentwicklung des ARPANET,

sowohl philosophisch
als auch technologisch.

All das fand ungefähr
zwischen 1971 und 1976 statt,

und das erste funktionierende
Internet hatten wir dann...

... '75 oder '76,

als wir das Ethernet
und das ARPANET zusammenschlossen.

Das waren gute Jahre. Es gab viel
zu tun, und es war klar, was zu tun war,

und all diese verschiedenen Sachen
mussten gut zusammenpassen.

Das hat Spaß gemacht.

Robert, Ihnen hat es Spaß gemacht,

aber andere hatten Angst vor diesen
Netzwerken. Es war für sie wie Krebs,

oder wie eine Maschine, die wir irgend-
wann nicht mehr kontrollieren können.

Was halten Sie von solchen Kritikern
wie z.B. Ted Kaczynski?

Er ist verrückt! Es gibt
in unserer Gesellschaft Leute wie ihn.

Aber er war Mathematiker,
er hat in Harvard studiert...

Na und? Hitler war Künstler
und hat in Wien studiert.

Haben Sie sein "Manifest" gelesen?

Meinen Sie "Mein Kampf"?
- Nein, das Manifest des Unabombers.

Nein, das habe ich nicht gelesen.
"Mein Kampf" ebenfalls nicht.

Wovor habe ich Angst?

Ich habe Angst vor Al Qaida,
ich habe Angst vor Krebs.

Aber ich weiß nicht genug.
Wenn wir Krebs heilen könnten,

mit anderen Worten: Wenn wir mehr über
Krebs wüssten, hätten wir keine Angst.

Aber wie Sie wissen, ist Krebs eine
Krankheit der modernen Gesellschaft,

eine Zivilisationskrankheit.

Ja, aber ich glaube, eines Tages
werden wir wissen, wie man Krebs heilt

oder wie man Krebs verhindert.

Das wird viel eher geschehen, als
dass wir ein elektronisches Schlachtfeld

oder eine Maschine haben,
die wir nicht kontrollieren können.

Und wenn wir wissen,
wie man Krebs heilt oder verhindert,

werden wir keine Angst mehr davor haben.
Es ist eine Frage des Wissens,

des Sieges über die Unwissenheit.

Ignoranz ist ein Zustand
von Unwissenheit. Ignoranz!

Nicht Dummheit. Das ist etwas anderes.

Unwissenheit erzeugt Angst.

Heute Abend: Der Kaczynski-Prozess.
Wenn Wahnsinn auf das Gesetz trifft.

Es war ein verrückter Prozessauftakt.
Und "verrückt" ist das richtige Wort.

Die Staatsanwälte bringen ihn mit bis zu
16 Bombenanschlägen in Verbindung,

bei denen in verschiedenen Staaten drei
Menschen getötet und 23 verletzt wurden.

Der Ex-Eremit lehnt alle vom Gericht
angeordneten psychologischen Tests ab.

Er hat Angst vor Psychiatern und regt
sich schon auf, wenn man sie erwähnt.

"Paranoide Wahnvorstellungen
bestimmen Mr. Kaczynskis Leben.

Er sieht überall Agenten, Satelliten,
Elektroden und Bewusstseinskontrolle."

Es überrascht mich nicht, wenn
ein paranoider Schizophrener glaubt,

dass seine Wahnvorstellungen real sind.

Und was Ted Kaczynskis von ihm
so genannten Rachefeldzug angeht:

Wenn er für verrückt erklärt wird, haben
seine Taten keine politische Wirkung

und keine Bedeutung
für die Gesellschaft.

Juristen und Psychiater sind sich einig:
Ted Kaczynski ist anders als wir.

Ist es eine Bombenfabrik
oder die Behausung eines Schizophrenen?

Das fragen sich die Prozessbeteiligten
in Bezug auf Ted Kaczynskis "cabin",

die heute kurz vor 12 Uhr
auf einem LKW eintraf...

Ein wichtiges Beweisstück
ist auf dem Weg nach Sacramento:

Kaczynskis Hütte wurde
aus Montana abtransportiert,

als Beweisstück für die Verteidigung...

Der Fahrer wird für die 1.100 Meilen
nach Sacramento etwa drei Tage brauchen.

Die Hütte ist wichtig
für die Verteidigung,

um Kaczynski als geistig gestört
darstellen zu können.

Die Hütte ist nur knapp 3 mal 4 Meter
groß. Es gibt keinen Strom

und kein fließendes Wasser. FBI-Beamte
fanden darin haufenweise Beweismaterial,

das den Ex-Professor mit fast allen Una-
bomber-Anschlägen in Verbindung bringt.

Ted Kaczynski hatte mehr als nur eine
"cabin". Seine eigenen Anwälte sagten,

die Behörden hätten
weitere geheime Hütten finden müssen,

die Kaczynski offenbar gebaut habe,
um der Zivilisation zu entfliehen.

Teds erste "cabin", wo er wohnte...
Da waren immer mehr Leute drumherum.

Da war Lärm, und er hatte nicht mehr die
Ruhe und Abgeschiedenheit wie zu Anfang.

Als Ted 1971 hierher zog,
lebten hier oben nur vier Leute,

also hatte Ted seine Ruhe.

Aber bis zu seiner Verhaftung

waren Butch und alle möglichen Leute
dazugekommen. Ted wollte allein sein,

damit er arbeiten konnte, ohne dass
jemand vorbeikam und an die Tür klopfte.

Deshalb baute er diese zweite, geheime
Hütte, wo er ganz für sich sein konnte

und nicht damit rechnen musste,
von jemandem überrascht zu werden.

Sie sehen hier
so eine Art Schrotthaufen,

und genau unter dieser Dose lagen
einige angebohrte Rohrverbindungsstücke.

Die Anfänge von Sprengkörpern. Bomben.

Und wer hat das hier fotografiert?
- Ich.

Aber ich habe auch ein paar FBI-Fotos.

Das war die "cabin", bevor...
- Bevor irgendwas passierte.

Als ich mit den FBI-Beamten sprach,

fast jedes Mal mit Max Noel...

Vor der Verhaftung hab ich
30 Tage lang mit ihm zusammengearbeitet,

hab Fotoaufklärung gemacht,
Videoaufnahmen,

hab Ted hinter dem Haus beobachtet, aber
nie mit Kamera, nur mit Tonaufnahmen.

Das war Teds Landkarte. - Teds Karte?
- Ja, das ist seine Handschrift:

"Wanderstrecken ab Spätherbst 1971..."

All diese schwarzen, handgezeichneten
Linien sind Teds Wanderwege.

Von Ted eingezeichnet!
- Ja, von Ted eingezeichnet.

Es ist ein Rätsel... Das ist
das beste Wort, das mir dafür einfällt,

denn alles, was er tat, waren für ihn
Experimente, die er protokollierte.

Nicht nur die Bomben-Experimente,
auch andere Dinge.

Wissenschaftlich exakt schrieb er auf,
was er verwendete und ob's Erfolg hatte.

Und in Bezug auf seine Bomben
war er sehr pingelig.

Wenn er eine neue Mischung gefunden
hatte, eine neue Art von Sprengkopf,

dann schrieb er die Reichweiten auf

und wie effektiv sie waren
und lauter solche Sachen.

Als das FBI dann schließlich anfing,
mit mir zusammenzuarbeiten,

gaben sie mir Kopien seiner Notizen
über seine Aufenthaltsorte im Wald.

Er benutzte Begriffe wie "mein
Lieblingsplatz", "mein heiligster Ort".

Sieh dir das an... - Ich hab die Kopien
mitgebracht. - Du hast welche hier.

Ich hab die codierten. Eine Menge davon!
- Das ist codiert!

Und er kann dir vorlesen, wie Ted
es geschrieben hat. Es ist unglaublich.

Und das FBI
saß hier in Lincoln und wartete?

Das FBI war hier überall in der Gegend
und hat sich versteckt.

Die haben sich als Geologen getarnt,
als LKW-Fahrer, als dieses und jenes.

Sehr gute Tarnung. Wir wussten
nicht mal, dass bei der "7up Ranch"

noch 70 weitere Beamte mit Computern
saßen und andere Dinge bearbeiteten.

Die hatten das wirklich gut getarnt.

Und hier draußen in der direkten
Umgebung waren noch mal ungefähr 15,

die ziemlich regelmäßig kamen.
- Ja, genau!

Max rief mich in der Nacht
vor der Verhaftung an und fragte:

"Kann ich die Mühle als
Stützpunkt für die Verhaftung nehmen?

Ich glaub, ich hab genug zusammen."

Ich fragte Max: "Was wird morgen
passieren? Was fährst du alles auf?"

Er sagte: "Das wird der Wahnsinn.
Es werden viele Presseleute kommen."

Wegen der Verhaftung fragte er: "Wie
holen wir ihn aus dem Haus?" Ich sagte:

"Lass ihn doch einfach
von Jerry, dem Förster, rauslocken.

Der steht an der Straße, schreit 4- oder
5-mal 'Hey, Ted!', dann kommt er raus.

Er kommt dann zu euch,
ihr müsst nicht zu ihm hingehen.

Wenn er nahe genug ist, könnt ihr ihn
fassen." Genau so haben sie's gemacht.

Das hat hervorragend funktioniert.

Der Grundgedanke
des Buches "Spiegelwelten" war der,

dass die Institutionen
und Organisationen,

mit denen wir täglich zu tun haben
und die ständig komplizierter werden,

in Software gespiegelt werden.

Wenn ich dann wissen wollte,
was an der Universität geschieht,

könnte ich eine Software-Abbildung der
Universität anklicken, um rauszufinden,

was gelehrt wird, wer was sagt,
was heute passiert und so weiter.

Ob ich es nun
mit einer Behörde zu tun hätte

oder mit einer Firma, einem Krankenhaus
oder einer anderen Organisation...

Diese Organisation würde
in der Software gespiegelt werden,

wie ein Gebäude im Wasser.

Und die Softwareversion wäre für mich
leichter zu verstehen und zu bedienen.

Es schien mir so, dass das Auftauchen
globaler Computernetzwerke

und immer leistungsfähigerer PCs so eine
Entwicklung unumgänglich machen würde.

Niemand kann es kontrollieren,
das ist wahr.

Aber das ist nicht
notwendigerweise schlecht.

Es ist ein organisches System,
ein Netzwerk,

das aus vielen Hundert
Millionen Menschen besteht,

von denen jeder
seine eigenen Entscheidungen trifft.

Die Unkontrollierbarkeit
ist nicht unbedingt schlecht.

Sie macht die Sache interessant.

Sicher, es gibt widersprüchliche Trends.

Lange Zeit ging die Qualität
des amerikanischen Journalismus zurück,

weil wir in Yale und anderen US-Unis die
Studenten schlecht ausgebildet haben.

High Schools haben
Schüler schlecht ausgebildet,

weil Computer es einfach machen, schicke
Bilder zu haben statt gut zu schreiben.

Andererseits stellen wir jetzt fest,

dass es einfacher wird, einen neuen
TV-Sender oder eine Zeitung zu gründen.

Computer haben auch damit viel zu tun,
weil man jetzt

keine Setzmaschine mehr braucht. Es ist
einfacher, eine Zeitung herzustellen

und sie über das Internet
oder das Web zu verkaufen.

Technologie hilft also,
die Irrtümer zu korrigieren

und die Fehler zu beseitigen,
die durch Technologie entstanden sind.

Das Pendel schwingt hin und her. Eine
alte Theorie, aber nichtsdestotrotz...

Aber was ist die Konsequenz
von immer mehr Fernsehsendern?

Als Sie eine Briefbombe bekamen,
war das nicht virtuell, sondern real.

Und Sie, das Opfer,
und der mutmaßliche Täter

waren das tägliche Frischfleisch
für die Medien. Man hat Sie sogar

in einem fiktiven Dialog gleichgesetzt.
Warum haben Sie das kritisiert?

Es erscheint mir immer gefährlich,

menschliches Leben so zu betrachten,
als gäbe es keine moralische Komponente,

als wären ein Mörder und ein normaler
Mensch vergleichbar und austauschbar.

Das ist eine Sichtweise
mit katastrophalen Folgen.

Ein moralischer Relativismus,
den ich aufs entschiedenste ablehne

und immer ablehnen werde.

Bei der Vorbereitung des Films
sprach ich auch mit Stewart Brand.

Sie kennen ihn,
er ist auch ein "Digerati"...

Er sagte mir, es sei ein
originäres Phänomen der Gegenkultur,

was der Unabomber getan habe.
Der habe einfach gesagt:

"Die Kultur geht in die falsche
Richtung, ich werde das bekämpfen."

Ich finde, das ist abstoßend
und verabscheuungswürdig.

Es ist verabscheuungswürdig,
so etwas zu sagen.

Wir sprechen hier über jemanden,
der Menschen umgebracht hat.

Wenn er, wie ich, den Witwen
und Kindern der Männer begegnet wäre,

die dieser Kriminelle ermordet hat,

wäre er weniger erpicht darauf, ihn als
Phänomen der "Gegenkultur" anzusehen.

So etwas macht mich wütend!

Es ist kein Angriff
in einer "politischen Sprache"...

Sie wissen, in der Geschichte...

Wenn einer zum Mörder wird,
sind mir seine Ansichten scheißegal.

Seine Ansichten
interessieren mich nicht.

Ich weiß über ihn, dass er ein Mörder
ist. Er hat Leid und Schmerz verursacht.

Seine Ansichten sind deshalb

für zivilisierte Menschen
nicht von Interesse.