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Die Stadt atmete
in jenem Sommer heftiger als sonst.

Ihr Atem fuhr als geballter Rauch

aus 100 Fabrikschornsteinen
in den reinen Himmel.

Wir fanden diesen Himmel
auf einmal ungewöhnlich

und schwer zu ertragen.

Die Luft legte sich schwer auf uns.

Und das Wasser,

dieses verfluchte Wasser,
das nach Chemie stinkt,

seit wir denken können,
schmeckte uns bitter,

Aber die Erde trug uns noch

und würde uns tragen,
solange es sie gab.

So kehrten wir zu unserer
alltäglichen Arbeit zurück,

die wir einen Augenblick
unterbrochen hatten.

Wer hätte gedacht, dass
einem das alles so wichtig ist?

Wir lebten aus dem Vollen,

als gäbe es übergenug
von diesem seltsamen Stoff Leben,

als könnte er nie zu Ende gehen.

Sie sind gesund.

Nervenschock.
Können Sie sich das erklären?

Das Lernen.
Es muss ihr zu viel geworden sein.

- Ein Mann?
- Nein, das wüsste ich.

Sie hat keine Geheimnisse vor mir.

Und nun der letzte Tanz.

- Könnten Sie einen wie mich lieben?
- Ja.

So begann ihre Geschichte,

Eine banale Geschichte, wenn man will.

Übrigens liegt sie hinter ihr.

Zwei Jahre ihres Lebens liegen hinter ihr.

Das braune Fräulein.

In brauner Pelzmütze,
wie in einem russischen Roman.

Genau so hab ich mir das vorgestellt:
im Frost stehen,

auf Kinderbadewannen
und Gießkannen starren

und nicht wissen,
wie's weitergehen soll.

Wieso denn?
Wir lassen den Roman einfach ablaufen.

- Zum Beispiel?
- Zum Beispiel...

sagt die Heldin jetzt zum Helden:

"Du kommst mit zu meinen Leuten,
die noch keine Ahnung von dir haben.

Sie müssen dich kennenlernen, damit sie
dich zur Weihnachtsgans einladen können.”

Genug Handlung für einen Tag?

Genug?

Übergenug.

Auf Ihr Doktor-Examen!

- Und dass alles gut geht.
- Auf die lieben Eltern!

Danke.

Heute Nacht hab ich geträumt,
wir feiern zu Hause Weihnachten,

Mein Vater hebt sein Glas
und trinkt mir zu, und da habe ich,

im Traum natürlich,

alle Teller und Gläser
an die Wand geschmissen.

Musst du die Menschen so erschrecken?

Warum erschrecken sie?

- Dein Vater...
- Mein Vater ist ein deutscher Mann.

Im ersten Krieg hat er durch den Verlust
eines Auges für den zweiten gesorgt.

- So hält er's heute noch: Opfere ein Auge, behalte das Leben!
- Du bist ungerecht.

Warum wollen sie nicht wahrhaben, dass wir
alle ohne Eltern aufgewachsen sind?

Warm,

weich und braun.

Sieh mich ruhig an.

So?

So.

- Ich bin doch nicht die erste Frau, die dir gefällt?
- Nein.

- Du hast viele gehabt?
- Mehrere,

Du gewöhnst mich noch an alles Mögliche.

Du, versprich mir eins:

Versuch niemals, dich meinetwegen
an Unmögliches zu gewöhnen, hörst du?

Was soll mir von dir schon
Unmögliches passieren?

Wie viel insgesamt?

20 Lehrerstudenten geworben.

Nicht schlecht für einen Kreis, 20,
19, Herr Schwarzenbach,

20.

- Ich kann das nicht.
- Sie können es, und Sie wissen es selbst.

Ich habe Angst.

Was gibt es?

Vom Rand der Welt kann man
In ihren Mittelpunkt geschleudert werden.

Auf einmal ist alles möglich,
jedes Märchenwunder und jede große Tat,

Auch heutzutage noch kommt ein Mädchen
zum ersten Mal in die große Stadt,

1000 fremde Gesichter in jeder Minute.

Hier achtete keiner auf keinen.

Wie leicht konnte man hier verloren gehen.

Ist da überhaupt noch Platz
für dein eigenes Erlebnis?

Eingeteilt in Wohnsarg, Esssarg,
Schlafsarg, Kochsarg.

- Komm.
- Warum?

Vielleicht, weil hier nie was Lebendiges
passiert ist, solange ich denken kann.

Keine Angst, braunes Fräulein.
Jetzt zeig ich dir, wo wir wohnen werden.

Jedenfalls solange du darauf bestehst,

mich mit Schreibheften, Nachhilfeschülern

und lamentierenden Eltern zu langweilen.

Du wirst nicht durchhalten.
Du kennst das Leben nicht.

Aha.

Für Blumen
werde ich wohl immer sorgen müssen.

Du bist gut.

Du bist so gut,
wie ein Mädchen nur sein kann.

Dafür mach ich dir auch
die schönsten Salate zum Abend,

Und im Winter...

rösten wir uns Weißbrot
auf der Ofenplatte,

Ja,

Hör mal.

Wenn du nun

diesen letzten Tanz
nicht mit mir getanzt hättest?

Wenn du geschwiegen hättest,
als ich schon ins Haus gehen wollte?

Nicht auszudenken.

Aber ich hatte mir vorher
alles ausgedacht.

- Ich war ganz krank vor Angst.
- Das hat man nicht gemerkt.

Doch. Bei Ihnen ging's.
Geschichte war immer mein Lieblingsfach.

Warten Sie mal.

Dahinten in der Ecke
hab ich immer gesessen.

Als man mich fragte, hab ich auch gesagt:
"Geschichte ist mein Lieblingsfach.”

Später habe ich alles Mögliche
unterrichtet, Geschichte am wenigsten.

- Was machen Sie bis Semesterbeginn?
- Ich gehe ins Waggonwerk.

Es riecht nach Malzkaffee. Westwind.

Es wird Regen geben. Komm.

Mein Schulweg.

Und dort, hinter der Ecke...

der Fluss,

Wie es sich verändert hat.

Also morgen in dieses Werk?

- Muss das sein?
- Ich hab's versprochen.

- Und du meinst, es lohnt sich für dich?
- Ich weiß nicht.

Ich will's versuchen.

- Ihr beide nehmt sie mit.
- Genial, Ermisch,

Der eine zu jung für sie
und der andere zu alt.

Wünsche allerseits guten Appetit.

Früher haben sich die jungen Mädchen
im Internat auf die Ehe vorbereitet,

Heute steckt man sie in die Fabrik,
unter lauter Männer.

Aber Elfriede, früher...

Fräulein Rita ist ein moderner Mensch.
Die Verhältnisse haben sich sehr geändert.

Hast du nicht Feierabend, Ulrich?

Dein Parteiabzeichen hast du doch
schon in der Garderobe abgelegt.

Sieht einfach aus,
will aber alles gelernt sein.

Seht euch doch vor, ihr Pinsel!

So viele Waggons wie heute
sind hier noch nie gebaut worden.

- Nächstens stapeln wir sie noch übereinander.
- Oder auch nicht.

Hast du was gesagt, Kuhl?

Nee, wir sind eine berühmte Brigade,
Eben.

So, jetzt weißt du das Wichtigste,
Mädchen.

- Ja, Herr Meternagel.
- Ein Staat im Staate, die Ermischs,

Aber so, wie es jetzt ist, bleibt es nicht.
Denk an meine Worte,

Der Rolf Meternagel, der ist prima.

Meternagel? Gibt's den auch noch?

Glaubst du, dass jeder liegen bleibt,
den Vater mal kurz stolpern lässt?

Den Ton verbitte ich mir.

Mein Sohn zieht es seit Langem vor, meine
verantwortungsvolle Tätigkeit zu diffamieren.

Niemand kann mir nachsagen,
ich sei ein Despot.

Aber es gibt gewisse Grenzen.

Ulrich, willst du nicht noch Suppe?

Jedenfalls dulde ich dieses
beleidigende Benehmen nicht länger.

Wenn es das Vorrecht der Jugend ist,
unbedacht zu sein,

so sollte doch der schuldige Respekt
vor dem Vater dich vor Rohheit bewahren.

Die Platte kenne ich, aber ich habe
keine Lust, sie mir anzuhören.

Ich habe keine Lust,
mir von dir noch irgendwas anzuhören.

Manfred, er ist dein Vater!

Zerschneide nicht
das Tischtuch zwischen euch.

Alles wegen dieses Meternagel.

Als ob es um ihn ginge!

Ich Kenn ja deinen Meternagel gar nicht.

Wenn du mir sagst, er ist anständig,
dann glaub ich dir das aufs Wort.

Im vorigen Jahr war er
in eurem Betrieb noch Meister.

Das hat er dir nicht gesagt, was?

Sein Pech war:
Er hatte unehrliche Untergebene...

und mein Vater war sein Vorgesetzter,

Er hat ihn in die Falle gehen lassen
und die im richtigen Moment zugeklappt.

3000 Mark Schaden,

Meternagel soll getobt haben.

Ich wehr mich meiner Haut,
und das tue ich, solange ich denken kann.

Die älteste Geschichte, die ich kenne.

Ich habe sie 100 Mal gehört, wie andere
Kinder Dornröschen oder Rotkäppchen.

Es ist das Märchen meiner Geburt.

Es waren einmal Mann und Frau, die liebten
sich, aber sie bekamen keine Kinder.

Fehlgeburten gab es.

Aber das gehört nicht zum Märchen.

Schließlich wurde das Wunsch-
und Wunderkind doch noch geboren:

ich, eine Frühgeburt.

Zum Leben zu schwach,
nach Meinung der Ärzte.

- Meine Mutter päppelte mich auf.
- Sie tut mir leid, - Ja, mir auch.

Wie oft hab ich Gekeife und Gezänk
aus dem Schlafzimmer gehört...

Da hatte sie mal wieder entdeckt,
dass ihr Mann sie betrog.

Er war Prokurist geworden,
mit eigenem Wagen.

An der Flurgarderobe
hing eine braune Uniform.

Übrigens,
aus dieser Zeit kennt ihn Meternagel.

Nach 45 hatten wir
die Nase so voll von den Erwachsenen,

Da sagten wir:
"Die sollen uns bloß noch mal kommen.”

Damals hast du gerade lesen gelernt.

Meine Mutter riss nach 45 voller Energie
die Führung der Familie an sich,

Und eines Tages erschien im Knopfloch
meines Vaters das Parteiabzeichen.

Ich lachte laut los.

Seitdem ist er schon beleidigt,
wenn er mich bloß sieht.

Überhaupt hat mir seitdem
nichts richtig Spaß gemacht.

Bloß mein Beruf, der ist gut.

Gerade genug Exaktheit, gerade genug...

Fantasie.

Und du. Du bist auch gut.

Gerade genug Exaktheit,
gerade genug Fantasie?

Ja,

braunes Fräulein, genau so.

Hoch soll er leben, hoch soll er leben!

Dreimal hoch!

Es leben unsere 230 Prozent!

Auf den schlauen Bleistift
von unserem Brigadier!

Das ist überhaupt nichts.
Paris, na schön, aber...

Ein Lied,

Drei, vier.

Von den Bergen rauscht ein Wasser,

rauscht, als wär es kühler Wein.

In dem Wasser schwimmt ein Fischlein,

das ist glücklicher als ich.

Lieder, nach denen man mal marschiert ist,
behält man lange.

Glücklich ist, wer das vergisst,

was nun einmal nicht zu ändern ist.

Auch wenn man sie nicht gebrauchen kann.

He, Produktionsleiter! Willst du nicht
meinen Geburtstag begießen?

Unser Brigadier,

Hoch soll er leben, hoch soll er leben,

dreimal hoch!

Wer gut arbeitet, der soll auch feiern.

Oder gönnt uns vielleicht
einer unsere Feier nicht?

Na denn.

Ziemlich jung noch
für einen Produktionsleiter, nicht?

Das habe ich gewusst.

Dein Bier schmeckt nicht, Wirt.

- Du hast auf mich gewartet?
- Nimm's an! - Lange?

Wenn ich sage "lange",
bildest du dir was ein,

kommst abends zu spät
und riechst nach Bier und Rauch.

Nach fremdem Bier und Rauch,
Wie willst du das beweisen?

- Guten Abend.
- 'n Abend,

- Woher kenne ich den bloß?
- Das ist unser neuer Werkleiter,

Der alte Werkleiter
ist nicht zurückgekommen

von einer Dienstreise nach Berlin.

Berlin (W), ihr versteht?

Im Werk ist der Teufel los.

Jetzt schnurrt's,

Was schreibst du gerade?

"CoCI2 wird gefällt
mit 1-Nitroso-2-Naphthol,

stark geglüht bei 800 Grad im Muffelofen,

wobei Co304 entsteht.”

Und was schreibst du wirklich?

Dass dein Pullover schöner blau wird,
wenn ich ihn in diese Flüssigkeit lege

und nicht in jene.

Siehst du, das ist recht von dir.

Du findest also, ich sollte blau tragen.

Unbedingt.

Kobaltblau und kein anderes,

Wann war es noch einmal so?

Das Leben lag vor ihnen
und sie hatten darüber zu befinden.

Alles war möglich, nur dass sie sich
wieder verloren, war unmöglich.

Ein Besuch reißt alles wieder auf.

Der Pfiff unserer Werklokomotive,
wenn sie abends mit den neuen Wagen abzog.

Wohin fuhren sie?

Sibirien? Taiga? Schwarzes Meer?

Überallhin, wenn man wollte.

Alle Neuigkeiten
hängen mit Erinnerungen zusammen.

Was ging sie damals dieses fremde Werk an?

Eine Fabrik wie jede andere, nicht
besonders groß, nicht besonders modern.

Aber wir hatten auf einmal das Gefühl,
dass gerade von uns alles abhing.

Achtung! Hier spricht der Betriebsfunk.

Kollegen, wir beginnen
mit unserem Pausenwunschkonzert.

Keine Arbeit.

Komm.

Kein Material,

Der Alte hat einen guten Riecher gehabt.

- Meine lieben Landsleute...
- Schuld? Hat sich rechtzeitig abgesetzt.

Ich habe schon lange gewusst,
dass ich auf verlorenem Posten stand.

Erst in letzter Zeit gelang es mir,

mich durch die richtige Entscheidung aus
dem Konflikt meines Gewissens zu befreien.

Man kann doch nicht jetzt mich
für alles verantwortlich machen.

Wer hätte nicht unterschrieben,
was der Werkleiter ihm hinhält?

Reg dich doch nicht auf,
Was kann dir schon passieren?

Es gab keine andere Wahl...

Woher nehmen die schon einen
kaufmännischen Leiter, der was versteht?

Ich grüße meine Kollegen,
deren freiheitliche Gesinnung ich kenne,

aus dem glücklicheren Teil Deutschlands.

Eines Tages werden sie vor der
gleichen Entscheidung stehen wie ich.

Dann der Neue:

ein junger Mann, frische Kenntnisse,
gesunder Ehrgeiz. Warum auch nicht?

Ausgesprochener Organisator,

Nur schade, dass so ein Junge hier keine
Zeit kriegt, sich die Hörner abzustoßen.

- Was ist eigentlich los?
- Was los ist? Das Normale.

Das, was kommen musste.

Wenn keiner sich verantwortlich fühlt,
wenn jeder nur in seinem Eckchen kramt,

und das bis hoch hinauf in die Leitung,

dann muss
aus den vielen kleinen Schweinereien

eines Tages
die ganz große Schweinerei werden.

Was starrst du mich so an?

- Gibt's was zu sehen an mir?
- Allerlei.

Du solltest dich auch mal anstarren.

Warum wollen Sie nicht reden,
Herr Meternagel?

Ich? Ich habe
eine rückläufige Kaderentwicklung.

Genossen!

Kollegen!

Ich verlese jetzt
den Bericht der Prüfungskommission

- über die Missstände im Werk.
- In seiner Haut möcht ich nicht stecken.

Bei Überprüfung
der Gesamtsituation des Werkes...

Hier steht alles drin.

Wenn ich in den zwölf Jahren
etwas gelernt habe, dann ist es warten.

Nichts ist so dumm
wie Heldentum am falschen Platz.

Den Wendland, den kenne ich, der knetet
und massiert den Betrieb jetzt durch.

Kannst dich drauf verlassen.

Dabei kommt er auch eines Tages zu uns.

Auf den Tag warte ich.

Uns fehlen vor allem Arbeitskräfte:
Schlosser, Tischler, Schweißer.

Im ganzen Bezirk sieht's nicht anders aus.

Keiner wird uns helfen.

Der Ausweg:

Jeder leistet, so viel er kann.

Ehrlich.

Kannst du nicht schneller,
frischgebackener Herr Doktor?

Mehr!

Du kannst zaubern, braunes Fräulein.

Machst aus mir
noch einen glücklichen Menschen.

Du hast genau die richtigen Hände für mich.

Wie ich's ohne dich
überhaupt ausgehalten habe...

Und dort die große Kanone Isabella,

ein spanisches Beutestück
aus dem Jahre 1583.

Und hier, meine Herrschaften,
sehen Sie West-Deutschland,

- Ach, ja?
- Ach, ja.

Bald schreiben sie in den Reiseprospekten:
"Blick nach West-Deutschland".

Die merkwürdigste der Merkwürdigkeiten
in dieser Stadt,

Ich möchte einen roten Luftballon.

Willst du nicht das schöne Püppchen hier?

So ein großes Mädchen weint doch nicht.

Siehst du? So gleicht sich alles aus.

Ein Luftballon.

Einen Luftballon hat meine Tante einmal
einem anderen Mädchen verweigert,

meinetwegen.

Kannst du das verstehen?

Ich könnte immer noch heulen,
wenn ich daran denke,

Du bist ein weißer Rabe.

- Und das Beste ist: Du weißt es nicht.
- Was ich nicht weiß, weißt du.

Woher kenne ich den bloß?

Komm, wir gehen mal hin.

Guten Tag.

Tag.

- Wir haben uns schon mal gesehen, nicht wahr?
- Stimmt.

- Ich weiß auch, wo.
- Ich auch.

Auf der Schule hatten wir
einen Kellerklub, war harmlos.

Als man ein Oppositionszentrum daraus
machen wollte, hat er uns rausgehauen.

Sie waren damals
in der FDJ-Leitung der Stadt.

Stimmt. Ihr hattet Lehrer, die euch
zu offensichtlich zu Fall bringen wollten.

Darum ließ ich etwas für euch tun.
Ich weiß bis heute nicht,

- ob die Verhandlung nicht aufs politische Gleis gehört hätte.
- Zweifellos.

Zumindest nach der Theorie, dass alles,
was ein Mensch sagt, tut, fühlt, denkt,

Politik ist. Wir sind nun mal
die politische Generation.

Mein Junge.

Ganz so weitherzig
leg ich die Theorie gar nicht aus.

- Nun?
- Ein schöner Tag.

- Dann vergiss deinen Ärger auf Wendland.
- Du kennst nicht diese alte Geschichte.

Dafür kenne ich dich.

So wie jetzt siehst du aus, wenn du
Unrecht hast und es nicht zugeben willst.

So? Jetzt fängst du auch noch an,
mich zu bessern?

- So eine Frau hast du nicht gewollt.
- Nein, aber was nützt jetzt alle Reue?

Reiten!

Nein, jetzt geht's nach Hause,

Reiten sollst du haben.

- Na? Was macht die Brigade Meternagel?
- Alles beim Alten: Sie zanken sich.

- Meternagel macht zu viel Dampf, was?
- Überhaupt nicht. Er redet kein Wort.

- Und das enttäuscht Sie?
- Ja.

Ich verstehe,

Er spürt Misstrauen.

Dieses Misstrauen trifft uns immer wieder,

Für die Älteren ist es die zweite Haut,

eine Art historischer Schutzschicht,
denke ich mir.

Sie nennen ihn
hinter seinem Rücken "Meister",

- Hier wohnen wir.
- Nein, ich wohne hier, nicht du.

Ich bin geschieden.
Meine Mutter zieht ihn groß.

Weißt du, dass ich noch nie
so einen schönen Tag hatte?

Dass ich mir gar nicht vorstellen konnte,
was für schöne Tage es gibt?

Gerade in dieser Sekunde
wird jemand 20 Jahre alt.

Mitternacht.

Zieht rüber nach Takt 8!

Überstunden bewilligt.
Die Kohlen stimmen wieder,

Hast einen fixen Bleistift, Brigadier.,

Na, wie hat Ermisch das wieder gemacht?

Wann geht's los?

Heute, - Prima,
meine Kleine braucht einen neuen Hut.

- Zwei Überstunden.
- Gut.

Na ja... Jeder arbeitet, so viel er kann.

Ehrlich.
Sagte irgendwann mal der Werkleiter,

Quatsch. Wenn's anders nicht geht,
sind wir die Letzten, die Nein sagen.

Klar.
Und die Ersten, die das Geld einstecken.

- Unser Geld. Gönnst es uns wohl nicht?
- Unser Geld? Weißt du das genau?

Beweise das Gegenteil,

Dir haben sie das Beweisen verleidet,
was, Meister?

- Warum macht er das? - Was?
- Schweigen.

Der Meister? Der hat genug vom Reden.

Was meinst du, wie der getobt hat
wegen der 3000 Mark.

Ihr habt ihn drum betrogen.

Frag Ermisch,

Ist ja auch egal. Abgesetzt ist abgesetzt.

Sag mal,
was ist eine rückläufige Kaderentwicklung?

Er tut ja, als sei nichts geschehen.

Aber es wurmt ihn.
Mir macht er nichts vor.

- Dann müsste er doch gerade...
- Damit alle sagen, er trumpft auf,

damit er wieder Meister wird.

Hab ein paar neue erwischt.

Nicht allzu aufregend, wie?
Na ja, BB steil von oben...

Beeilung, Leute,
der Meister guckt nach der Uhr.

Die Uhr von Meternagel
kennt schon der ganze Betrieb.

- Wer ist hier Brigadier? Du oder ich?
- Natürlich du.

Meternagel, der will mehr.
Wir sind doch Fußvolk für den.

Braucht doch keiner zu wissen,
was der noch vorhat.

Wir denken doch nur an uns selber,
machen doch alles mit.

Und eines Tages kommt er
wieder groß raus und wir...

Ich red ja nicht von mir.

Wir dürfen uns wieder überzeugen lassen.

Hab doch recht, Genosse Meternagel?

Die Ermischs fangen die zweite Schicht an.

Ihr wisst doch,
dass ihr den Betrieb das Doppelte kostet.

Mensch, Ernst!

- Wenn du unsere Überstunden nicht mehr brauchst...
- Aber ihr braucht sie doch.

- Wie viele Rahmen schafft ihr pro Schicht?
- Acht.

Und wie viele könntet ihr schaffen?

Auf Wiedersehen, Herr Meternagel.

Fräulein Rita!

Geben Sie mal die Uhrzeit! Genau!

Sechs vor sieben.

Kommen Sie mal her mit der Uhr!

- Zeit?
- Acht nach sieben.

14 Minuten,

ein Rahmen.

So was kriegt ein Meternagel
nicht zu sehen.

- 60 Minuten ist die Normzeit für einen Rahmen?
- Das weißt du doch.

Warum ändern Sie nichts daran,
Herr Meternagel?

Wie lange willst du noch
Herr Meternagel zu mir sagen?

Ich heiße Rolf, und das hat sich
bis jetzt jeder merken können.

14 Minuten, sagst du?

Toller Bursche.

Der will mich provozieren.

Kann er haben.

Was meinst du,
was in dem alles drinsteckt!

Den juckt's unter der Haut, bloß er kratzt
sich immer an der verkehrten Stelle.

Ich komme einfach nicht an ihn ran.

- Was meinst du, wenn so einer mitmachen würde...
- Hänschen sagt:

Wer die Norm anrührt,
dem brechen sie das Genick.

Jetzt mache ich das Buch auf.

- 117 Stunden. - Zeig das der Werkleitung.
- Für die hab ich auch ein Blatt angelegt.

Mir geht es um unsere Stunden,
Mir nicht.

Müsst ihr denn immer alles
auf die Spitze treiben?

- Etwas lässt sich schon noch machen.
- Ja.

"Kräht der Hahn früh auf dem Mist,

ändert sich's Wetter
oder es bleibt, wie es ist.”

Irr dich bloß nicht, du!

10 Rahmen pro Schicht.

Nun sagt mir nicht,
dass das nicht möglich ist.

Möglich ist vieles,

Bloß sein eigenes Nest bescheißen, das ist
unmöglich für einen normalen Menschen,

- Was nennst du normal?
- Was normal ist, das werd ich dir sagen.

Normal ist, was uns nützt,

was unsereinen zu Menschen macht.

Unnormal ist,
was uns zu Arschkriechern macht

und zu Marschierern,
die wir lange genug gewesen sind,

Das wirst du nie begreifen,
du Leutnant, du.

Da hast du einen Fehler gemacht, Rolf.

So einen Fehler mache ich gerne noch mal.

Was will denn dein Meternagel?

Normerhöhung. Mehr produzieren.

Das ist ja nichts Neues
in der Weltgeschichte.

Aber da muss man

sachlich auf sein Ziel losgehen

und nicht unnötig noch die Leute reizen.

Du meinst, ein Mann wie Kuhl
könnte nie anders werden?

Ich bin doch kein Fantast.

Wofür arbeitet man dann?

Du willst uns wohl auf den Arm nehmen?

Ich dachte, entweder man ist in der Partei
oder man ist es nicht.

Denkst du,
ich mach nicht auch alles für die Partei?

So möge denn
zum Schluss des offiziellen Teils

unser großer Nationaldichter
Johann Wolfgang von Goethe zu Wort kommen,

der da sagte:

"Tages Arbeit, abends Gäste!
Saure Wochen, frohe Feste!”

In diesem Sinne.

Die hat er sich doch aus
einer seiner Karten rausgeschnitten, was?

Festredner ist schwer,
Den Leuten hat's gefallen.

Die denken, das muss so sein.

Mein Fräulein,
Sie sind die Königin des Balles,

Weißt du, dass wir heute zum zweiten Mal
in unserem Leben miteinander tanzen?

Tatsächlich?

Noch können wir unsere Freuden zählen,
jede einzeln.

- Du findest das schön, ja?
- Ja, mir gefällt es.

Ich hab Sie tanzen sehen.

Ein schöner Abend,

nach so viel Anstrengung.

- So, bitte schön.
- Danke.

Ziemlich viel Verantwortung
als Werkleiter, wie?

- Ja, aber man gewöhnt sich dran.
- Klar, wie alles in der Geschichte,

Der Mensch gewöhnt sich an alles Mögliche,

Sind Sie sicher?

Danke dir,

Sie streiten sich über Geschichte.

Das denkst du. Aber lass nur.

Wendland ist ein richtiger Mann geworden.

- Trink deinen Kaffee aus.
- Ja, ich trink schon.

Wie alt sind...
Wie alt bist du eigentlich, Rolf?

Fast 50.

Das Haus, in dem ich geboren bin,
kannst du heute noch besichtigen.

Zweiter Hinterhof. Fünf Jungs.

Sie bestreiten doch nicht, dass sich die
Geschichte auf Gleichgültigkeit gründet.

Vater war gefallen,
Mutter hat Wäsche gewaschen.

Wo's sauber ist, da herrscht keine Not.
Sagte die Fürsorgerin.

Seit wann fühlt sich die Menschheit
durch Vernunft beglückt?

Dabei hätte uns damals eine heile Hose
besser auf dem Hintern geholfen.

Was war man denn schon?

Gelernter Tischler,
Und da war man auch noch stolz drauf,

Dabei hat der Krieg nur so lange gelauert,
bis dass wir groß waren.

Drei Jahre hab ich Bäume gefällt
in Sibirien. Später hab ich gemerkt,

dass das mehr mit Tischlerei zu tun hat
als über Kimme und Korn zu schießen.

Leiten wir nicht
aus den Zufälligkeiten der Geschichte

zu viele Forderungen an uns selber ab?

Also: "Lasst, die ihr einkehrt,
alle Hoffnung fahren.”

Vielleicht nicht die Hoffnung,
aber die Illusionen.

"Und der Geist Gottes
schwebt über den Wassern."

Sagen Sie, Doktor,

den Klassenkampf
haben wir aus lauter Bosheit erfunden?

Die haben die Macht, das verstand ich.

Sie setzten mich dann auch gleich
auf einen leeren Instrukteur stuhl,

Das war die letzte ruhige Minute
in meinem Leben.

Was hab ich nicht alles
gelenkt und regiert und angeleitet.

Und inzwischen haben die jungen Leute
in aller Ruhe so viel gelernt,

wie sie brauchen, um mich abzulösen,
Aber das ist doch ungerecht.

Das plagt dich?

Man gibt dir Aufgaben,

die zu schwer sind.

Man betrügt dich sogar.

Fehler ist Fehler.

Wo kämen wir sonst hin?

Bestreiten Sie, dass die Entstehung
des Lebens ein kosmischer Zufall ist?

Doktor, mit mir nicht.

Wenn ich einen Salto mortale sehen will,
geh ich in den Zirkus.

- Na, Rolf?
- Na, Ernst?

- Was wünschst du dir jetzt?
- Immer das Gleiche,

Eine einzige Haut um uns,
einen einzigen Atem für uns beide.

Ich habe geträumt.

Wir beide sitzen in einem Boot und
schwimmen durch die Straßen einer Stadt.

Es regnet und regnet.

Die Straßen sind von Menschen leer,
das Wasser steigt unaufhaltsam.

Die Häuser, die Bäume, die Kirchen
versinken in der Flut.

Nur wir beide
schaukeln noch auf den Wellen,

ganz allein,
in einem sehr zerbrechlichen Kahn,

- Was tust du?
- Wir sind der Leuchtturm,

und da draußen auf dem Meer
ist unser kleines Boot.

Es gibt Notsignale.
Wir erwidern seine Zeichen.

- Wird es den Hafen erreichen?
- Unbedingt.

Und es findet noch Menschen
in der untergegangenen Stadt?

Die Stadt ist gar nicht untergegangen.
Der Kahn war zu weit abgetrieben.

So sieht jeder, der in Not ist,
unseren Leuchtturm.

Ja, jeder.

Wenn er will.

- Und keiner wird mehr einsam untergehen?
- Keiner,

Acht Monate später
ist das Boot untergegangen.

Sie stehen an verschiedenen Ufern.

Hat niemand ihre Zeichen erwidert

und ihre Not bemerkt?

Lange hat sie Vergessen gesucht.

Jetzt wird ihr angst,
dass sie vergessen könnte.

Sein Gesicht.

100 Mal geht sie jeder Linie
in diesem Gesicht nach,

das schwindet,
wenn sie es ganz erfassen will.

Dieser Sommer ist ihr verloren gegangen.

Damals lag dieses Jahr noch vor uns.

Vielleicht wird man später sagen:
ein historisches Jahr.

Ist was, Sigrid?

Und da nutzbringende Arbeit
nur in der Gesellschaft

und durch die Gesellschaft möglich ist,

gehört der Arbeitsertrag
allen Gesellschaftsmitgliedern.

Soeben haben Sie falsch zitiert.

Falsch? Sie meinen wirklich?

Lassen Sie mich nachsehen...

Tatsächlich.

Ein Versehen,

Es steht richtig im Manuskript.

Wenn Sie sich überzeugen wollen,
Genosse Mangold? Bitte!

Gestatten Sie, gnädiges Fräulein?
Einen Fensterplatz, bitte!

Liebst du mich?

Es geht.

Ärgern sie dich?

Wird's dir doch zu viel?

Ja, was ist denn eigentlich?

Sie sind alle so klug dort.

Sie wissen schon alles,
sie wundern sich über nichts mehr.

Das kenne ich.
Meistens hält sich das nicht lange.

- Wenn erst mal was passiert ist.
- Denen passiert nie was, das ist es doch.

Jedem passiert was. Verlass dich drauf.

Nimm doch bloß mal mich.

Was ist denn?

Nichts Besonderes,

Sie wollen mein Verfahren nicht.

- Aber...
- Aber es ist doch gut. Ist doch besser als das alte. Na und?

Wer sagt, dass hier nach dem
besseren Verfahren produziert werden muss?

Das lässt du dir nicht gefallen.

"Bestreiten Sie
die dauernde Wiederkehr des Gleichen?"

Dieser Julien Sorel,

Den soll es nur in einem
bestimmten Jahrhundert gegeben haben?

Vielleicht nur in einem Jahrzehnt? Unsinn.

Ich könnte mich
ganz gut in seiner Haut zurechtfinden,

egal, was für eine Revolution
gerade vor oder hinter uns liegt.

Charaktere sind doch dauerhafter
als Regierungssysteme.

Na schön.

Man wird zufällig gerade jetzt
und gerade hier geboren.

Aber es ist doch albern,
daraus eine Art Gesetz zu machen,

womöglich noch mit moralischen Ablegern.
Das ist was für Fantasielose!

Dann bin ich schrecklich fantasielos,
Du?

Schrecklich bescheiden bist du.

- Wenn beispielsweise heute Julien Sorel...
- Sorel?

Kann mich nicht erinnern,
dass er Chemiker war,

- Indiskutabel für uns.
- Darf ich vorstellen?

Hilfsassistent Martin Jung.
Staatlich geprüfter Optimist.

Im Nebenberuf
Bannerträger für unser neues Verfahren,

- Pfefferkuchen aus meinem Dorf.
- Morgen geht's los, Meister.

Wir gehen gleich zum VWVB-Leiter,
Mit Kleinigkeiten geben wir uns nicht ab.

Jawoll!

Das Wichtigste dabei: sicher sein.

Die müssen sich geehrt fühlen, wenn wir
gerade ihnen das neue Verfahren anbieten.

- Verstehen Sie?
- Transparente führen wir nicht mit?

Ich stecke Ihnen
eine Losung in die Hosentasche.

- Welche Losung?
- "Um der Gerechtigkeit willen!”

Das ist das Stichwort für Schnaps.

Manfred ist ein Glückspilz. Erst findet er
dieses Verfahren und dann...

Pfefferkuchen,
Sie haben keine Freundin?

- Die Mädchen laufen mir nach.
- Das macht die Männer hochmütig.

Hören Sie, Martin.

Wenn er morgen unbesonnen wird...

- Er ist leicht unhöflich.
- Unhöflich? Grob ist er.

Weiß nicht, wie man mit Leuten redet,
wird überheblich,

Aber sein Verfahren ist gut.

Wissen Sie,
auch ein Held ist er nicht gerade,

Held? Für Helden gibt's keine Planstellen,
Chemiker werden da gebraucht.

Sie werden ihn ein bisschen
an die Leine nehmen?

Du hast mir Glück gebracht,
braunes Fräulein,

Sie wird sich verspätet haben.

Schon am Nachmittag fuhren
kaum mehr Straßenbahnen wegen des Nebels.

Seht es euch doch wenigstens an.

Die sind für dich, mein Sohn.

- Woher der Segen?
- Deine Tante Agnes hat sich unserer erinnert.

- Ich denke, ihr seid verkracht.
- Missverständnisse,

In schweren Zeiten
müssen Schwestern zusammenhalten.

Komm, schreib auch einen Gruß dazu.

- Kann ich bitte Herrn Schwarzenbach sprechen?
- Ja.

Kommen Sie doch rein.

So lange
sollte sie dich aber nicht warten lassen.

Man macht sich doch schließlich Sorgen.

Ich hole sie,

Wo warst du?

Bei Schwarzenbach.

Feucht.

Du wirst dich erkälten.

Er hat gar nicht erst gesagt: "Warten Sie
eine Weile, Sie werden sich gewöhnen.”

Worum ging es denn?

Schwarzenbach verstand mich gleich,
als ich sagte,

man fordert uns die ganze Zeit auf,
von Mangold zu lernen.

Das kann ich nicht, sagte ich.
Ich will's auch nicht.

- Muss man denn wirklich so werden wie er?
- Wie ist er denn?

Es gibt nichts,
was er nicht besser wüsste.

- Er schüchtert uns alle ein.
- Bist du nicht ein bisschen empfindlich?

Das macht nichts.
Gerade die Empfindlichen brauchen wir.

Ich kann den Empfindlichen nur raten,
sich ihre Empfindlichkeit abzugewöhnen.

Mangold muss Jahre dazu verwandt haben,
alle Zitate auswendig zu lernen.

Jeder Fortschritt hat seinen Preis,

Dass wir mit den Mangolds
auskommen müssen, das ist unser Preis,

Wir haben kein Recht,
vor ihnen Angst zu haben

und sie für unverbesserlich zu halten.

Man soll's natürlich
auch nicht dramatisieren.

Ein junger Mann mit verstiegenen Idealen
stürzt ins Leben,

da kriegt er zwei-, dreimal
was über den Kopf,

dann zieht er den Kopf ein,

da haut er lieber selbst zu:
Und fertig ist der Mangold.

Niemand spricht mehr offen. Seit einer
Woche geht auch Sigrid mir aus dem Weg.

- Was soll werden?
- Eine schlimme Sache,

Noch schlimmer wäre es, mutlos zu werden.

Glauben Sie mir, Rita:

- Entweder die oder wir.
- Mit "wir" hat er auch mich gemeint.

Was Zäheres als den Spießer gibt es nicht.

Am gefährlichsten sind die,
die sich an uns hängen.

Sie scheinen uns zu dienen
und schaden uns umso schlimmer.

Dein Schwarzenbach ist Kommunist.
Du nicht.

Soll er kämpfen, so viel und gegen wen
er will, Aber was verlangt er von dir?

Ich weiß nicht.

Er dachte wohl,
dass wir einer Meinung seien.

Wenn du meinen Rat hören willst:
Halte dich da raus.

Ich möchte schon.

Eines Morgens ist alles verändert,

Ein wenig blendet noch
das nüchterne Licht der Gegenwart,

wenn man sich lange nach den unscharfen
Konturen der Vergangenheit gesehnt hat.

Jetzt heißt es,
in diesem Licht zu bestehen.

Es ist nicht mehr nötig, krank zu sein.
Wir können wieder alle Worte vertragen.

Sogar seinen Namen hört man,

als sagte jemand "Haus" oder "Mond".

Warten war nicht das Schwerste,

aber das Warten aufgeben,
auf einen Brief, auf ein Wunder...

Auch das ist vorbei.

Es bleibt keinem erspart.

Und wir haben es doch schon gewusst.

Gegen Unglück kommt man nur an,
wenn man ihm in die Augen sieht.

Jetzt weißt du alles,

- Du hättest mit ihm reden sollen.
- Mit meinem Vater?

Du kennst ihn nicht.

Ich bin nicht nach Hause gegangen,
eine Nacht und einen Tag.

Dann war die Wohnung leer.

Jetzt sind sie drüben.

Schön und gut.

Aber anderswo dringt die Wissenschaft
schneller in den Alltag ein als bei uns.

- Westlich der Elbe zum Beispiel.
- Zum Beispiel.

- Wann?
- Vor zwei Wochen.

Und seitdem?

Seitdem entschuldige ich meinen Vater
wegen Krankheit im Betrieb,

meine Brüder wegen Masern in der Schule,

Seitdem denke ich mir
Tag und Nacht neue Ausreden aus.

Auf unseren VVB-Leiter,
Auf dich, der du ihn weichgeklopft hast.

Wie war das noch?

"Keiner kann auf die Dauer
einen Stein zu Boden fallen sehen

und jemand dazu sagen hören:
Er fällt nicht.”

Feiern wir den Sieg der Vernunft.

Meinst du, sie behalten mich am Institut,
wenn alles rauskommt?

Aber ich bin doch hiergeblieben.

Was soll ich machen?

Da gibt's nur eins...

Was wollen
diese Durchschnittsleute von uns?

Ein Haus, das funktioniert
wie eine gut geölte Maschine.

Städte, die sich selbst regenerieren.
Lebensverlängerung ins biblische Alter.

- Automatisch geregelte Kinderaufzucht.
- Auch das,

- Ich geh jetzt.
- Sag alles so bald wie möglich.

Ich weiß.

Natürlich. Alles sagen, das ist immer gut.
Das mögen die Männer.

Nun setzen Sie sich wieder hin. Wir essen
jetzt alle zusammen Liebesknochen.

Was bekommst du von den Verantwortlichen
zu hören? Kinderbelehrungen.

"Die allgemeine Lage,
unsere besondere Situation" usw.

Hier.

So weit müssten wir sein.

- Also Beeilung, meine Herren Alchimisten!
- Wie reden Sie mit Ihrem Vorgesetzten?

Demokratisch.

Und die IG-Farben-Leute
machen keine Fehler?

Das haben die denen längst abgewöhnt.
Das ist ein eingespielter Apparat,

spuckt aus, was ihn hemmt.

Was mich betrifft:

Lieber kritisiert als ausgespuckt.

Nicht nur dass ich mich
mit dir abplagen muss,

jetzt macht mir dieser Mensch
auch noch Schwierigkeiten,

Jetzt geh ich aber.

Geh zu Schwarzenbach,
gleich morgen.

Lass mir Zeit.

Drei Wochen Schweigen?

- Ich hab's gewusst.
- So?

Das ist ja eine nette Verschwörung.

Ein Arbeiter verlässt seinen Staat.
Seine Tochter belügt diesen Staat.

Und ihre Freundin hilft ihr dabei.

Na, darüber wird zu reden sein,
Richtig, darüber wird zu reden sein.

So redet doch! Redet doch gleich!

Auf so etwas muss man sich vorbereiten.

Die schmeißen uns raus.

Ich wusste es ja.

- Ich muss weg.
- Jetzt geht's ums Ganze.

Ein Betrieb soll unser Verfahren prüfen.

Wir müssen dabei sein,
sonst geht's schief,

- Wie lange?
- Ein paar Tage.

Und dann machen wir ein Fest.

„Immer wieder von vorne an.
Wir müssen unsere Forderungen...

Endlich mal ein vernünftiger Mensch.

Gehen Sie mal rein. Sagen Sie denen mal,
sie sollen nicht so schreien!

Blödsinn: "ersuchen", "bitten".
Nächstens noch "untertänigst".

- Wir fordern.
- Komm doch rein.

- Also nun du mal hier: "bitten" oder "fordern"?
- Was? An wen?

An die Werkleitung, wegen der Taktstraße,
die sie immer wieder hinausschieben.

- Fordern.
- Na bitte,

Dass wir die studieren lassen,
ist kein raus geschmissenes Geld,

Ist was?

Ach, Sie sind's,

Unser Junge wird operiert.
Blinddarmentzündung.

Er war gestern Nachmittag allein zu Hause.
Wir...

hatten doch beide zu tun.

Das werd ich mir nie verzeihen.

Ach, Sie verreisen?

- Sind denn Ferien?
- Nein.

Da tun sie aber recht daran.
Einmal so richtig ausspannen.

Glauben Sie, ich habe nicht bemerkt,
wie schlecht Sie manchmal aussehen?

Grüßen Sie Ihre Frau Mutter von mir.

Die wird Sie schon gesund pflegen.

Ja, ja, mein liebes Kind,
zur Mutter kehrt man immer zurück.

Soll ich Manfred
etwas von Ihnen ausrichten?

Nicht nötig.

Ja?

Hatte ich Angst um dich!

Du, na sag doch was!

- Kann nicht.
- Ah, bist wohl nicht allein?

Gut. Lass mich reden.

Ich weiß genau, was du jetzt
für ein Gesicht machst, - Ich auch.

Hast du noch immer diese Falte,
wenn du dich ärgerst?

Ja, aber ich ärgere mich nicht.

- Du, hier geht alles gut.
- Hier auch,

Also hab ich mich getäuscht,

Ja, hast dich getäuscht.

- Ehrenwort?
- Ehrenwort,

- Du, mir machst du nichts vor.
- Würde ich nie wagen.

- Ich komme bald.
- Ja, komm!

Ich fasse zusammen:

strenge Bestrafung von Sigrid und Rita,

weil sie unser Vertrauen
missbraucht haben.

Sigrid, mit dem Verschweigen
der Republikflucht ihrer Eltern,

besitzt nicht die moralischen Qualitäten
einer Erzieherin junger Menschen,

Wir fordern deshalb
ihren Ausschluss vom Institut.

Für wen sprechen Sie?

Für die Genossen,
Es gibt da einen Beschluss,

- in dem festgelegt wurde...
- Einen Beschluss?

Und was sagt der
über die Gründe von Sigrids Verhalten?

Warum hatte sie kein Vertrauen zu uns?

Warum?

Weil sie die Parteilinie nicht versteht,
darum!

Was stellen Sie sich
unter Parteilinie vor, Genosse Mangold?

Nicht den Widersprüchen ausweichen,
zuspitzen, den Kern bloßlegen.

Sorgen Sie lieber dafür, dass eine Sigrid
merkt: Für sie ist die Partei da,

Was ihr auch passiert.

Für wen denn sonst,

wenn nicht für sie,
Das ist doch politisch naiv.

Der Weltimperialismus holt nur wenig
entfernt zum entscheidenden Schlag aus.

- Und wir?
- Wie alt waren Sie bei Kriegsende?

18.

Wissen Sie,

dass ich, Sohn eines Arbeiters,

in den "Werwolf” gehen oder mich umbringen
wollte, als der Krieg zu Ende ging?

Damals hatten wir Hass und Verachtung
erwartet und verdient.

Aber die Partei
war nachsichtig und geduldig mit uns.

Und seitdem halte ich etwas
von diesen Eigenschaften.

Revolutionäre Eigenschaften,
Genosse Mangold.

Sie waren nie darauf angewiesen.

Es muss nicht leicht
für Mangold gewesen sein.

Wahrscheinlich hat er
zu viele schlechte Erfahrungen gemacht,

dass er nicht
an die Menschen glauben kann.

Guck doch mal,
passt die überhaupt zum Anzug?

Und du? Du glaubst an Menschen?

Vor Jahren hatte ich mal einen Freund,

den einzigen außer Martin.

Wir haben nächtelang zusammengesessen
und über alles Mögliche geredet.

Ob ich mit dem Anzug noch gehen kann?

- Zieh den anderen an.
- Den grauen?

- Ich bitte dich, dunkel ist Pflicht bei den Chef-Empfängen.
- Also behalt ihn an.

Er wurde Journalist,

Zwei Jahre später traf ich ihn
auf einem großen Hochschul-Kongress.

Dort hab ich eine Rede gehalten
über falsche Lehrmethoden,

- über Heuchelei, die mit guten Noten belohnt wurde.
- Das hast du gesagt?

Ich hab auch mal Rosinen im Kopf gehabt.

Damals sind alle gegen mich losgegangen,

wie gefährlich und wie verdorben
meine Ansichten wären.

Ich blickte nur auf meinen Freund,

Der kannte mich.

Der wusste genau, was ich meinte,

Er hat mich nicht mal angesehen.

Er ging als Erster aus dem Saal.

Manchmal denke ich,

für dich
müsste ich ein paar Jahre älter sein.

- So ist Ihr Gatte auch heute noch, nicht?
- Ja. - Aber nein.

Ja! Sie haben selbstverständlich recht.

Man muss ihn fast zwingen, sein geistiges
Primat an einer neuen Idee zuzugeben.

Ich kapituliere,

- Götzendienst.
- Warum sind Sie gekommen?

Er ist ein großer Chemiker.
Das muss nicht heißen: ein großer Mensch.

Wir sind allzumal Sünder.

Ich höre, Sie setzen Ihr Verfahren durch,
Dr. Herrfurth.

- Es ist so gut wie sicher, Herr Professor.
- Gratulor. Sie haben es verdient.

"Niemand nenne sich glücklich,
bevor er unter der Erde liegt”,

sagen die alten Lateiner,

Aber, Sie sind zu misstrauisch,
lieber Dr. Seifert,

Nun, Herr Schwabe...

Wie fühlen Sie sich denn so
in unserem Kreis?

Autoritäten werden hier keine anerkannt,
es sei denn die Wissenschaft,

Sie glauben nicht, wie froh ich über
eine Zusammenarbeit mit Herrn Schwabe bin.

Im Prorektorat gibt's
so viele heikle Probleme,

- die er mit Fingerspitzengefühl löst.
- Tja, die Wissenschaft,

"Du sollst keine anderen Götter haben
neben mir.”

Deshalb ist ja der Staat
auf seine Wissenschaftler angewiesen.

Jeder Staat, Herr Schwabe.

Gewiss, Herr Doktor.

Deshalb unterstützt
auch der Staat seine Wissenschaftler.

Komm, trinken wir einen.

Dann erträgt man sie besser.

Keep smiling, Meister.

- Wir sind abgelehnt.
- Abgelehnt? Was heißt das?

Das heißt, es gibt Leute im Betrieb,
die ihr Verfahren anbringen wollen,

denen wir im Wege sind,

- So?
- Das hab ich gewusst. Aber jetzt geht der Kampf richtig los.

Wir müssen ihnen beweisen:
Dein Verfahren ist besser,

Müssen wir?

Muss ich?

Ich muss überhaupt nichts mehr,

Durchschütteln müsste man ihn.

Heutzutage wird in Deutschland ja
alles doppelt betrieben, auch die Chemie.

Daher also: Wenn gewisse Umstände

einen Wissenschaftler zwingen,
den Staat zu wechseln,

wechselt er ja nicht die Sprache,
nicht das Volk.

Er gibt seinen deutschen Namen
einem anderen deutschen Unternehmen.

Firmenwechsel.

Ganz legitim.

- Welche gewissen Umstände haben Sie dabei im Auge?
- Nun,

zu spät erteilte Privilegien.

Wir Söhne der Wissenschaft
sind doch darauf angewiesen.

Altersversorgung zum Beispiel.

Denken Sie, schon abzuleben?

Na?

Ob wir das alles überstehen?

Jetzt müsste die Zeit stillstehen.

Deutschland war immer führend
in der Chemie,

So etwas setzt man doch nicht aufs Spiel,

Aber welches Deutschland
setzt die Traditionen fort?

Das östliche?

Das westliche?

Es hängt von Realitäten ab.

Und so eine Realität sind unsere Köpfe.

- Nicht wahr, Herrfurth?
- Gewiss,

Nein, Sie irren.

Aber manche Leute brauchen
die Fehler der Revolution als Vorwand

- für ihre eigene Faulheit oder Feigheit.
- Revolution.

Revolution in Deutschland?
Ein Widerspruch in sich.

- Nicht wahr?
- Immerhin lebt es sich ganz gut von diesem Widerspruch.

Hier ist der Deutsche Freiheitssender 904
mit einer wichtigen Durchsage:

Achtung, Achtung, wir rufen Alligator.

Land ist in Sicht.

Man kommt zurück,

ohne heimzukehren.

Der Schmerz erreicht sie noch.

Kann man mit allem Fertigwerden?

Liebe Rita,

ich habe lange überlegt,
ob ich Ihnen schreiben

und damit vielleicht Ihren Kummer
und Ihre Bitterkeit vergrößern soll.

Aber wenn ich Sie richtig kenne,
wird es Sie trotz allem freuen,

dass unser Verfahren
nun doch angewendet wird.

Eine Kommission der Partei ist im Betrieb
und interessiert sich dafür,

Manfred hat mir aus West-Berlin geschrieben.
Der Versuch einer Rechtfertigung.

Jeder, der hier wegging,
suchte uns seinen Schritt zu begründen.

Alle fühlten sie,
dass sie Unersetzliches zurückließen,

ein paar Menschen,

vielleicht einen Freund,

eine Frau.

Acht Monate standhaft sein,

das war für manchen schon zu lang.

Da konnte uns vor unseren Augen
ein Mensch allmählich verloren gehen.

„Land ist in Sicht. Ende der Durchsage.

Martin fliegt aus dem Institut.

Warum?

Er ist wild geworden,
schreit im Betrieb jeden an,

- nennt ihn Saboteur.
- Das hat er deinetwegen getan.

Ich war bei Schwabe.

Wie der mich angesehen hat, als ich
gesagt habe, Martin sei mein Freund,

"So? Ihr Freund?
Hat aber erstaunliche Unreife gezeigt.

Wir werden ihn
vom Institut entfernen müssen.”

Und ich rede und ich rede,
bis mir ganz übel ist.

Aber der hört ja nicht mal das,
was man ihm sagt.

Was wird Martin jetzt tun?

Er ist verrückt geworden. Er geht in den
Betrieb, wo sie ihn fertiggemacht haben.

- Wär ich an seiner Stelle...
- Ja? Du?

Wie mich das alles ankotzt.

Der Bodensatz der Geschichte...

ist immer das Unglück des Einzelnen.

Du?

Was auch geschieht,
wir lieben uns, hörst du?

Kann man mit mir nicht mehr sprechen?

Bin ich unerträglich geworden, wie?

Du redest dir gern was ein.

Gib mir einen Kuss,

Stell dir vor, Wendland hätte uns
nicht zur Probefahrt eingeladen

und wir würden verreisen,
einfach mit dem Wagen mitfahren,

nach Sibirien, in den Kaukasus...

Komm, ich zeig dir den Wagen,

Eins, zwei, drei, vier.
Gustav, Anton.

In vier Minuten Bremsprobe,

Na, gefällt Ihnen unser Waggon?

Gut.

Ein Stein auf der langen Straße
zum Sozialismus.

- Worauf wollen Sie hinaus?
- Auf eine Kleinigkeit:

die Tatsache der historischen Verspätung,
die wir als Deutsche ja kennen sollten.

Für uns, verdorben durch
Individualismus und Zivilisation,

führt kein Weg zurück zu den
einfachen Vorzügen der neuen Gesellschaft.

Viele Irrtümer auf kleinem Raum.

Er meint es ja nicht so.

Doch, doch.

Er meint es so.

Seht ihr denn nicht? Was ihr braucht,
sind ungebrochene Helden,

Was ihr findet,
ist eine gebrochene Generation.

Alles fertig zur Bremsprobe.

- Tragischer Widerspruch.
- Ihrer Resignation fehlt der Zorn,

mein lieber Faust der Neuzeit.

Zwischen Faust und uns
liegen die Jahrhunderte,

Das ist es, was ich sage.

Bremsweg zu lang.

He! Wisst ihr's schon?

Die Russen haben einen Mann im Kosmos.

"Ich seh die Wolken
und ihre leichten Schatten

auf der fernen und doch so lieben Erde.

Und für einen Moment
erwachte in mir der Bauernsohn:

Der vollkommen schwarze Himmel
sah wie ein frisch gepflügtes Feld aus

und die Sterne waren die Saatkörner.”

Alles, was geschehen ist,
bekommt seinen Sinn.

Ein Bauernsohn pflügt den Himmel

und zerstreut die Sterne
als Saatkörner über ihn.

Wird unser bisschen Menschenwärme
der Kälte des Kosmos standhalten können?

Ich weiß schon, was jetzt kommt:
Propagandaschlacht größten Stils.

Aber deshalb
haben wir alle es nicht leichter,

nicht durch die
Extravaganz in der Stratosphäre.

Die 60er Jahre:
großes Aufatmen der Menschheit.

Mein Gott, muss man
diesen ziemlich belanglosen Zufall,

der auf diesem Planeten
Leben entstehen ließ, so ernst nehmen?

- Hat Ihr Vater sich in seine neuen Aufgaben hineingefunden?
- Wovon sprechen Sie?

Hat er Ihnen nicht gesagt, dass er seit
vier Wochen als Hauptbuchhalter arbeitet?

Also degradiert?

- Ich glaube, ihm ist jetzt wohler.
- Ach so.

Die alte Leier: "Der Mohr hat
seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann..."

Gestatten Sie mir eine Frage:

Welchen Nutzen sehen Sie in dem heute
so übermäßig verbreiteten Misstrauen,

genannt Wachsamkeit?

- Sie vermengen da verschiedene Dinge.
- So,

ich vermenge. Na gut.

Immerhin habe ich den Sinn
für die Pikanterie gewisser Widersprüche,

zum Beispiel den Widerspruch
zwischen Mittel und Zweck.

Ja, es ist oft schwer,
beides in Übereinstimmung zu bringen.

Sagen Sie doch, es ist unmöglich.
Ehrlichkeit ziert jeden Menschen,

Und würde auch dich zieren.

Ja, ich werd mich bemühen.

Mir scheint,
ich werde hier missverstanden.

Ich bedauere nur die Unmasse
an Energie und Illusion,

die an Unmögliches verschwendet wird.

- Wozu brauchen Sie diese Rückendeckung?
- Rückendeckung?

Ich spreche von Erfahrung
mit Menschlichkeit.

Habsucht, Eigenliebe, Misstrauen, Neid:
Darauf kann man sich immer verlassen.

- Aber Menschlichkeit?
- Auch Dreck schleppt man nur so lange mit, wie es nützt.

Für große Gefühle bin ich nicht zuständig.

Abschminken die tönenden Phrasen,
die großen Gefühle.

Abschminken.

Was hast du?

Ich suche...

den festen Punkt, den man braucht,

um sich nicht ganz zu verlieren.

Bei mir suchst du ihn?

Wo sonst?

Du warst meiner nicht mehr sicher?

Doch, braunes Fräulein,

Lass mich immer sicher sein.

Ja?

So sicher du willst.

Meine Liebe.
Endlich hat mein Sohn Vernunft angenommen.

- Weggegangen.
- Nicht zurückgekommen. Das ist ein Unterschied,

Der Professor selbst
hat ihn auf diesen Kongress geschickt.

Er hat dabei auch an Sie gedacht.

Bis Sie zu ihm können, wohnen Sie
selbstverständlich weiter bei uns.

Innerhalb von zwei Stunden
können wir packen.

Und dann weg.

Weg? Wohin?

Mann Gottes! Er weiß es nicht.

Eltern gehören zu ihrem Kind.

Wer behängt sich denn dort
mit überaltertem Personal?

Meine Tropfen,

Schnell.

Tschüss, Rita!

Wiedersehen!

Hallo, Rita!

Du kommst mir gerade recht.
Bin heute mächtig kritisiert worden.

Wieso denn? Es geht doch alles gut.

Der Westen hat uns Metalle gekündigt.

- Und dafür werden Sie kritisiert?
- Sollen wir Krupp kritisieren?

Die Leute sagen, es gibt Krieg.

Und was denkst du?

Ich hab manchmal Angst.

Die Leute sagen, wenn der August erst
vorbei ist und ein Stück vom September,

- dann fängt kein Krieg mehr an.
- So?

Die Leute haben Erfahrung
mit Kriegsanfängen.

Mir passiert das oft,
dass ich zu wenig sage,

auch damals, als ich mit ihm,
mit Manfred sprach.

Immer denkt man, da ist noch Zeit,
alles in Ordnung zu bringen.

Auf einmal ist gar keine Zeit mehr,

Bei dir täte es mir leid, wenn ich
zu wenig sagte oder nicht das Richtige.

Du weißt wohl,
dass du auf mich rechnen kannst.

Bitte,

- Danke.
- Rauchen Sie?

- Danke sehr.
- Bitte schön.

Das Medusenhaupt der Zeit.
Jeder hat seine Schwierigkeiten.

Die einen Plastikbomben
und die anderen dieses Zahnpastalächeln.

Wenn man der Illustrierten glauben darf,

- Doch sehr verschiedene Schwierigkeiten. Nicht?
- Gewiss,

Wie Sie meinen.

Sie fahren zu Besuch nach Berlin?

Mein Verlobter.

Bitte halten Sie Ihre Personalausweise
zur Kontrolle bereit.

Ich hoffe, Ihr Verlobter wohnt
in Pankow oder Schöneweide,

Warum?

Man könnte Sie danach fragen.

Ja, Pankow.

Er wohnt in Pankow.

20.

Und wenn man zurückkommen will?

Also 40.

Rita.

Du hast dich aber verändert.

Die Vorhölle,

Na, sieh dich um.

Die freie Welt liegt dir zu Füßen.

Ich habe mich immer gefragt, welchen
Sinn es habe, dass wir auf der Welt sind.

Mit ihm verschwand diese Frage,
als habe sie sich beantwortet.

Haben Sie nie daran gedacht,
ihm nachzufahren?

Ich bin ihm nachgefahren.

Und?

Ich hatte Sehnsucht.

Ich erinnere mich,
dass der Sonntag sehr heiß war.

Damals hab ich das kaum gemerkt.

Die Straßenschluchten
waren wie Hitzeschächte.

Übrigens...

ähneln sich Häuser überall.

Natürlich mehr Glas und Cellophan
in den Geschäftsstraßen,

Ich konnte mir genau vorstellen, wie gern
ich in solchen Läden einkaufen würde.

Aber schließlich läuft doch alles
auf Essen und Trinken,

Sich-Kleiden und Schlafen hinaus.

Wozu aß man? Wohin fuhr man
in den Straßenbreiten Wagen?

Und woran dachte man in dieser Stadt,
ehe man einschlief?

Nicht doch. Der Reihe nach!
Das denken Sie heute.

- Waren Sie schon einmal dort?
- Ja, vor Jahren.

Dann wissen Sie ja, wie das ist.

Vieles gefällt einem,

aber man hat nicht
die rechte Freude daran.

Man ist auf schreckliche Weise allein,

schlimmer als im Ausland,
weil man die eigene Sprache hört.

Natürlich, du hast noch
diese politische Brille.

Ich weiß selbst:
Es ist nicht leicht, sie loszuwerden.

Aber in West-Deutschland ist alles anders,
Wendland hat gesagt:

"Ich verzeihe das manchem, ihm nicht.
Er wusste, was er tat.”

Wendland?

Ich will dir was sagen:
Hier weiß ich, woran ich bin.

Hier bin ich auf alles Mögliche gefasst.
Drüben...

- Dein Wendland kann mir leid tun.
- Warum bist du dann so wütend?

- Wir haben gerade eine schwere Zeit.
- Wer wir?

Alle. Der Druck nimmt zu.

Selbst im Werk haben wir's gemerkt.

Das alles liegt jetzt hinter mir,
diese sinnlosen Schwierigkeiten,

Ich krieg jetzt eine Arbeit,
da werden andere dafür bezahlt,

dass sie mir
alle Schwierigkeiten wegorganisieren.

Das hab ich mir
immer schon mal gewünscht.

Sie waren es doch, der immer zu uns sagte:
"Zeit brauchen wir, nur Zeit.”

Eines Tages hab ich Sie genau verstanden.

Ich habe gesehen,
was aus Herbert Kuhl geworden ist.

Meternagel hatte erneut gefordert: mehr
produzieren! Wieder sträubten sich alle.

Da baute Kuhl auf einmal
in einer Nachtschicht 14 Rahmen ein.

Ist dir wohl nicht recht,
dass einer wie ich damit angefangen hat?

Du bist ja vernagelt.
Aber ich wüsste gern: Warum tust du das?

Ja, das glaube ich.

Jeder andere kann weniger tun,
er ist ein Held,

Nur bei mir fragst du:
"Warum tust du das?”

Warum bei mir? Weil ich Leutnant war?

Jawohl, ich war's, mit ganzer Seele,

Ich hab niemals was halb getan.

Aus jedem Menschen
kann man einen Schweinehund machen.

He, nun komm mal wieder zu dir.

Zehn Jahre hast du dir beweisen wollen,
dass du ein Schwein bist.

Nun hast du dir selber
einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Der Parteisekretär sagte zu Meternagel:

"Hör mit deinen Überspitzungen auf.
Du treibst mir die Leute nach dem Westen.”

Um Gottes willen, nicht so laut!

Entsinnst du dich,

dass wir uns manchmal über die
Gewohnheiten der Erwachsenen entsetzten?

Heute hab ich Angst, auch ich könnte mich
an die schlimmsten Sachen gewöhnen.

- Auch du.
- An was für Sachen?

Dass man anders spricht, als man denkt.
Dass man weniger arbeitet, als man kann.

Dass es mehr Bomben gibt als man braucht,
um die Erde in die Luft zu sprengen.

Und dass ein Mensch, zu dem man gehört,

für immer
von einem weggetrieben werden kann,

- und es bleibt nur ein Brief.
- Rita,

Mädchen,
meinst du, für mich war das leicht?

Das war zu viel für dich.
Du bringst ja alles durcheinander:

dein Werk, die Bombe und mich.

Eine Stadt ohne Hinterland.
Grausam, sage ich dir.

Daran gibst du mir die Schuld?

Entschuldige.

Ich bin selbst schon verrückt.

Hören wir doch auf,
uns gegenseitig zu beschuldigen...

wie zwei feindliche Politiker.

Dich liebe ich und keine andere,
für immer.

Und ich weiß, was ich sage.

Das hat noch keine von mir gehört.

Ist es denn zu viel verlangt,
dich zu bitten: "Geh mit"?

Mach doch mal die Augen zu.
Hör mal ein paar Namen:

Bodensee. Rhein.

Schwarzwald,

Ist das nicht auch Deutschland?

Man sieht ja dieser Stadt nichts an.

Die Leute bemitleiden uns sogar.

Sie denken: Das muss doch jeder sehen,

wer in diesem Land reicher
und wer ärmer ist.

Vor einem Jahr wäre ich mit ihm gegangen,
überallhin.

Heute?

Manchmal frage ich mich:

Ist die Welt überhaupt mit unserem Maß
zu messen? Mit "gut" oder "böse"?

Ist sie nicht einfach da? Weiter nichts?

Aber dann wäre es ja völlig sinnlos,
dass ich nicht bei ihm geblieben bin.

Wissen Sie,
warum ich Sie heute sprechen wollte?

Ich wollte wissen: Hat es einen Sinn,

die Wahrheit, die man kennt,
immer und unter allen Umständen zu sagen?

Das wollen Sie von mir hören?

- Ich habe es von Ihnen gehört.
- Was?

Sie wissen ja:
Manchmal kommt alles auf einmal.

Man hat mir gesagt,
zu viel Vertrauen verderbe den Menschen,

Etwas Wahres ist dran.

Ich bin selbst unsicher geworden.

Doch wie gierig die Menschen
nach Aufrichtigkeit sind,

Zum ersten Mal sind wir reif,
der Wahrheit ins Gesicht zu sehen.

Schweres nicht in leicht umwandeln,
Dunkles nicht in hell.

Vertrauen nicht missbrauchen.

Das ist das Kostbarste,
was wir uns erworben haben.

Heile, Kätzchen, heile!

Die Katze hat vier Beine.

Vier Beine und einen langen Schwanz.

Morgen ist wieder alles heil und ganz.

"Ich will dir folgen
durch Wälder und Meer,

durch Eis und Eisen,
durch feindliches Heer.”

Heißt es nicht so?

Was wussten denn die,

als sie solche Lieder machten?

Früher suchten sich die Liebespaare
vor der Trennung einen Stern,

an dem sich abends
ihre Blicke treffen konnten.

Was sollen wir uns suchen?

Den Himmel wenigstens
können sie uns nicht zerteilen.

Doch, der Himmel teilt sich zuallererst.

Leb wohl,

braunes Fräulein,

So endet die Geschichte.

Eine banale Geschichte, wenn man will.

Wenn es das nur einmal im Leben gibt,
liegt es hinter ihr.

So, wie es war, wird es nie wieder werden.

Sie sind, entschuldigen Sie meine
Offenheit, ein merkwürdiger Mensch.

Ihre Rückkehr damals ist mir
ehrlich gesagt bis heute ein Rätsel.

Zu meiner Zeit war die Liebe romantischer.

Warum hat mein Sohn mich gehasst?

Er hasst Sie nicht mehr.

Wirklich nicht.

Martin Jung ist wieder im Institut.

Mancher würde heute viel darum geben,

gewisse Schroffheiten
zurücknehmen zu können.

Sie sehen, wie gegenwärtig
alles von Zufällen abhängt.

Und Rolf Meternagel?

Haben Sie den Zufall,
der damals seine Arbeitsstelle kostete,

- aus seinen Akten gestrichen?
- Aber ich bitte Sie! Er ist doch wieder Meister,

Und die 3000 Mark? Eine Lappalie,

Mein Mann ist krank.

- Ich werd schon etwas anderes finden.
- Glauben Sie, der würde Sie weglassen?

Er ist doch nicht wie andere Menschen.

Die anderen stellen sich
einen Fernseher und einen Kühlschrank hin

und für ihre Frau eine Waschmaschine,

Wissen Sie, was er mit seinem Geld macht?
Er spart es,

Er denkt, ich weiß nicht, wofür,
aber ich weiß es.

Er will die...

„die 3000 Mark zurückgeben,
die er damals zu viel ausgezahlt hat.

Der ist verrückt.

Der ist wirklich verrückt.

Fehlt denn so einem Betrieb 3000 Mark?
Mir fehlen sie.

Sie können sich nicht vorstellen,
was Ihr Mann leistet.

Weiß ich ja.
Darum muss er auch so sein, wie er ist.

Wer hat dir denn gesagt,
dass du mich ablösen sollst?

Setz dich, Mädel.

Tja.

Nun hat's mich erwischt.

Herz, Nerven,

Kreislaufstörungen
und weiß der Teufel was noch alles.

Ich fahre jetzt zur Kur,
Damit sie mich wieder zusammenflicken.

Und wer vertritt dich?

Wenn man immer im Voraus wüsste,
was so auf einen zukommt.

Es gab mal eine Zeit,

da hab ich gedacht,
mir kann nichts passieren.

Mich schmeißt so schnell nichts um.

Denk das ruhig.
Dich schmeißt ja nichts um.

Vielleicht wird man jetzt begreifen,

dass von der Kraft ungezählter Menschen

das Schicksal der Nachgeborenen abhängt,

in jedem einzigen Augenblick.

Wir werden manchmal müde sein,

manchmal zornig und böse.

Aber wir haben keine Angst.

Das wiegt alles auf:

dass wir uns gewöhnen, ruhig zu schlafen,

dass wir aus dem Vollen leben,

als gäbe es übergenug
von diesem seltsamen Stoff Leben,

als könnte er nie zu Ende gehen.

Untertitelung: SUBS Hamburg
Stefan Pethke, Antje Harbeck