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Ich bin aber in einer
gewissen Verlegenheit. Ähm...

Denn ich hab kein Stück,
mit dem ich eröffnen könnte.

Ein Bier bitte.
- Sehr gern.

Hm.

"Joe Fleischhacker",
das ist Ihr Stück.

Es spielt in Amerika
an der Weizenbörse von Chicago.

Wir zeigen die Spekulationen
mit dem Brot der Welt.

Die Verbrechen des Kapitalismus.

Weizenbörse auf der Bühne,
ich weiß nicht.

Das ist doch Raub.
Ausbeutung der Ärmsten!

Schauen Sie, Aufricht, das ist
wie der Diebstahl bei den Löhnen,

wo die Unternehmer den Mehrwert,
den die Arbeiter schaffen,

in die eigene Tasche stecken.

Ich dachte eher an etwas anderes.

Das 1. Verbrechen,
von dem sich alle anderen ableiten.

Ich brauche was Unterhaltsames.

Ich hätte da vielleicht noch
so ein kleines Nebenwerk in Arbeit.

Nur so zum Spaß arbeite ich dran,
verstehn Sie?

"Beggar's Opera".

Was haben Sie mir denn da vorhin
für ein Buch mitgebracht?

"Beggar's Opera" von John Gay.

Eine Bettleroper?

Genau genommen: des Bettlers Oper.

"Beggar's Opera"?

Das Stück ist 200 Jahre alt.

Und es ist trotzdem heute
der Sensationserfolg in London.

Sie atmen falsch, das hat Ihnen doch
der Dr. Schmitt gesagt.

Der Restatem muss raus.

Worum gehts in dem Stück?

Das Personal: Huren, Bettler, Diebe
und ein Anwalt, der ihr Hehler ist.

Alles dreht sich ums Geld?

Lug und Betrug.

Sehr schön.

Und worum geht es?

Dieser Peachum hat in London
ein Bettler-Imperium aufgebaut.

Dazu übernimmt er,
was er auf der Straße findet:

die selbständigen Handwerker
des Bettlertums, die begabten Laien.

Seine Organisation weist ihnen
in der Stadt feste Plätze zu.

Maske und Kostüm stellt die Firma.

Ein Unternehmer
und seine Angestellten, ja?

Also er besitzt
die Produktionsmittel,

und die Bettler
sind seine Ausgebeuteten.

Da gibt es eine interessante Figur,
einen gewissen Macheath,

einen Straßenräuber mit Hang
zu schönen Frauen und Dirnen.

Und der lügt und betrügt
die eine mit der anderen.

Und die 2. mit der 3.

Aber dann kommt ihm
ein richtiger Räuber in die Quere.

Und der stiehlt ihm die Tochter.

Das ist gut.
Das riecht nach Theater.

Genau darum gehts ja
in der Bettleroper.

Die bürgerliche Lebensform
der Verbrecher.

Und die verbrecherische
Lebensform der Bürger.

Und die Vorliebe der Bürger
für Räuber in den Romanen,

oder jetzt auch im Kino,
entsteht ja aus dem Irrtum,

der Räuber sei kein Bürger.

Und das erklärt sich
aus dem Irrglauben,

der Bürger sei kein Räuber.

Aufricht, die Kleinigkeit hier,
die übernehmen Sie doch, oder?

Ja. Warten Sie!
Wann kann ich es lesen?

Morgen Nachmittag

können Sie die ersten Szenen
bei mir abholen lassen.

Spichernstraße 16,
ganz oben unterm Dach.

Danke.

1. Akt. 2. Szene: So ein Räuber
ist auch nur ein Gemütsmensch.

Macheath will jetzt Hochzeit feiern.

In Weiß. Darauf besteht die Braut.

- Die Unschuld.
- - Schon weg.

Trotzdem: Ein Brautbett muss her.

Der schönste Tag
im Leben einer Frau.

Es fehlen noch zur Ausstattung:
die großen Gefühle.

Die Opern singens ja
rauf und runter.

Sie haben es doch gelernt.

Puccini.

Ja, genau. Genau das mein ich.

Jetzt kommt der Moment
der großen Einfühlung.

Das alte Theater zeigt, was es kann.

Der Liebeskitsch.

Das Parkett schließt die Augen.

In den Logen schwimmen sie weg.

Und das schneiden wir jetzt drauf.

Wir zeigen die Fleischlichkeit
der bürgerlichen Liebe.

Das Portemonnaie
und die gefüllte Samenblase,

das ist die Basis.

- Brecht, Sie sind ein Materialist.
- - Ja.

Und von unten zum Überbau:
das liebende Herz.

Dem Räuber fehlt allerdings
der Ehevertrag vor Staat und Altar.

Und gibt es kein Schriftstück
vom Standesamt

und keine Blumen auf dem Altar,

bleibt doch die Liebe.

Oder nicht?

Sehr gut.

Das soll man jetzt als Duett
der Verliebten singen.

Der Weill
muss uns die Musik dazu machen.

Das setz ich beim Aufricht durch.

Die Liebe dauert...

...oder dauert nicht.

An dem...

...oder jenem Ort.

Brecht wird ja
sehr viele Songs einfügen.

Licht!

Und dafür bau ich
hier im Hintergrund

eine übergroße Jahrmarktsorgel auf.

Die Pfeifen verzier ich mit Putten.

Die Musik soll endlich raus
aus dem Orchestergraben,

raus aus diesem Versteck.

Die Musiker sollen nicht länger
unsichtbar bleiben.

Sie sitzen direkt hier
unter der Orgel.

Alle sollen alles sehen.

Alles hoch über den Köpfen
der Schauspieler,

grad so wie im Zirkus.

Und so sollen auch
die Umbauten ablaufen.

Ja, und hier werd ich einen
halbhohen Vorhang entlangziehen.

Dahinter finden die Umbauten statt,
fast einsehbar, fast offen.

Wir betonen,
das hier ist nur Theater.

Der Weill
wird uns die Musik liefern.

Weill? Kurt Weill?

Der macht doch diese strenge
atonale Katzenmusik?

Ich mein, der scheucht mir
des ganze Publikum raus.

Keine Katzenmusik.

Der Weill schreibt uns
eine schmissige Musik.

Anspruchsvolle,
eingängige Songs mit Niveau.

Wollen Sie nicht gleich den
ganzen Laden übernehmen, Brecht?

Der Weill
hat einen ganz neuen Ton gefunden.

Der unterstreicht
mit seiner Musik die Sätze.

Da fangens an zu denken.

? Soldaten wohnen auf den Kanonen

von Cap bis Couch?Behar.

Wenn es mal regnete und es begegnete

Ihnen ne neue Rasse,
ne braune oder blasse,

da machen Sie vielleicht
daraus ihr Beefsteak Tartar. ?

Das ist gut. Gefällt mir.

In diesem Pferdestall
findet heute meine Hochzeit

mit Fräulein Polly Peachum statt,
die mir aus Liebe gefolgt ist,

um mein weiteres Leben
mit mir zu teilen.

Operette! Von oben bis unten.

Das ist alles viel zu süßlich.

Paulsen, sagen Sie...

Diese blaue Schleife...

Was ist damit?

Könnten Sie vielleicht
darauf verzichten?

Eher verzichte ich auf diese Rolle!

Ich habe eh keinen vernünftigen
Auftritt zu Beginn des Stücks.

Dann müssen Sie mir
noch was schreiben,

damit klar wird,
wer hier die Hauptrolle spielt.

Gut. Tun wir ihm den Gefallen.

Der Weill und ich führen ihn durch
eine Moritat ein, eine blutige.

Und dann besingt er
seine Schandtaten.

Gut, mit hellblauer Fliege.

Das ist schön.

? Und der Haifisch, der hat Zähne.

Und der Haifisch... ?

Ja! Ja!

? ...der hat Zähne...

...und die trägt er
im Gesicht.

Und Macheath, der hat ein Messer.

Doch das Messer sieht man nicht. ?

Das ist gut, Weill. Das ist gut.

Ein schöner ironischer Kontrast.

Dieses fast zärtlich gesungene
? hat ein Messer ?, ja?

Aber es könnt auch scharf sein,
das Wort, sodass es schneidet.

Also: ? Hat ein Messer,
und das Messer sieht man nicht. ?

Besser wärs, wenn der Gerron direkt
als Bänkelsänger das Lied singt.

Gleich am Anfang, in einem Vorspiel,
auf dem Markt von Soho.

Da wird sich der Paulsen
aber freuen.

Der Paulsen.

Operetten-Paulsen schleicht
als Macheath auf der Bühne herum

und hört zu, wie seine
Verbrechen besungen werden.

Zur Rampe.

? Und der Haifisch, der hat Zähne,

und die hat er im Gesicht.

Und Macheath, der hat ein Messer,

doch das Messer sieht man nicht. ?

? Soldaten wohnen auf den Kanonen

von Cap bis Couch?Behar.

Wenn es mal regnete und es begegnete

Ihnen ne neue Rasse,
ne braune oder blasse,

da machen Sie vielleicht
daraus ihr Beefsteak Tartar. ?

Bravo!

Die Zeitungen prophezeien
eine Serie von 500 Aufführungen.

500 Vorstellungen in Berlin!
Jetzt hast die Stadt erobert.

Das ist der Ruhm!

Prost!

Und was ist mit München,
Leipzig, Dresden?

Hamburg? Köln? Königsberg?

Und was ist mit London und Paris?

New York!

Und Moskau?

Ganz in Weiß.

Brecht und Helene Weigel
mit ihren Kindern

Stefan und Barbara
im eigenen Sommerhaus am Ammersee.

Auch Brechts und Mariannes Tochter
Hanne ist gelegentlich dabei.

Brecht?

"Der Dichter Bert Brecht, der sich

mit der Berliner Bühnenkünstlerin
Helene Weigel vermählte..."

Das ist gegen die Verabredung.

"Auf dich wurden Lasten gelegt,

die man nur auf die
sichersten Schultern legt.

Du wurdest übersehen
wie das Nächstliegende."

Von dir wurde erwartet
die besondere Einsicht,

so essen am Letzten die, denen das
Werk am Nächsten steht: die Köche.

Die Köche. Ich kenns sehr gut.

"Setze also deinen Namen nicht

auf die nicht abreißende Liste
der Abgefallenen."

So ist es aber auch.
So schwer war es.

Es war schwer.

Für jeden irgendwie.

Aber besonders für die,
die nun immer da waren. Nicht wahr?

Wie soll man das bezeichnen?

Er war aber jemand,
der Besitz haben wollte.

Der Besitz haben wollte,
auch von Menschen.

Er hat immer einen Kreis
um sich gehabt von guten Freunden,

auch von Frauen.

Die gab er auch nicht gerne her.

Marianne Zoff
und Tochter Hanne.

Nach ihrer Scheidung von Brecht

hatte sie 1928
Theo Lingen geheiratet.

Der beliebte Schauspieler
schaffte es,

seine jüdische Frau,
ihre Mutter und Brechts Tochter

heil durch den Terror
in Nazideutschland zu bringen.

Goebbels wollte
für sein Unterhaltungskino

nicht auf den beliebten Komödianten
verzichten.

Was für Gesichter.

Maxim Gorkis Roman
"Die Mutter" im Kino.

Ein Film von Pudowkin

über die Vorgeschichte
der russischen Revolution.

Das wär ne Rolle für dich.

Dafür bin ich viel zu jung.

Pelagea Wlassowa
verliert in den Kämpfen ihren Sohn.

Sie übernimmt
die Fahne der Revolution.

Wie man sie gejagt hat am 1. Mai.

Wie man auf sie geschossen hat.

Vor unseren Augen,
direkt vor dem Liebknechthaus.

Das war arg.

Ich hätts nicht
für möglich gehalten.

Eine Demonstration
habens zusammengeschossen.

20 Tote
stand nachher in der Zeitung.

Die Sozialdemokraten
habens auf dem Gewissen.

Nein Helli, ich meine...

Ich meine, wie wirklich das
mit einem Mal war.

Wie nah.

Hyperinflation,
Weltwirtschaftskrise,

Massenarbeitslosigkeit.

Das ganze Elend

unter der glänzenden Oberfläche
der Weimarer Republik

versteht Brecht als notwendige
Systemkrise des Kapitalismus.

Die Schriften von Marx, Engels und
Lenin haben ihm die Augen geöffnet.

Gemeinsam mit Günther Weisenborn

bearbeitet Brecht
Gorkis Roman für die Bühne.

Nach dem Tod ihres Sohnes
übernimmt die Mutter die Führung.

Sie eignet sich das Wissen
der Bourgeoisie an,

enteignet sie geradezu.

Sie durchschaut den Zusammenhang

zwischen dem Besitz
an Produktionsmitteln

in den Fabriken und der Ausbeutung.

So übernimmt sie die Führung,
wird eine Mutter für alle Söhne.

Was spricht gegen den Kommunismus?

? Er ist vernünftig,
jeder versteht ihn.

Er ist leicht.

Du bist doch kein Ausbeuter.

Du kannst ihn begreifen.

Er ist gut für dich,
erkundige dich nach ihm.

Die Dummköpfe nennen ihn dumm.

Und die Schmutzigen
nennen ihn schmutzig.

Er ist gegen den Schmutz
und gegen die Dummheit.

Wir aber wissen,
er ist das Ende der Verbrechen.

Er ist keine Tollheit,
sondern das Ende der Tollheit.

Er ist nicht das Chaos,
sondern die Ordnung.

Er ist das Einfache,

das schwer zu machen ist. ?

"Zehntausende Menschen, die in
einem sinnlosen Taumel von Jubel..."

Nach Hitlers Machtantritt
und dem Reichstagsbrand

setzen
die ersten Verhaftungswellen ein.

Von Freunden war Brecht vor einer
drohenden Verhaftung gewarnt worden.

Gefährdet war auch Helene Weigel.

Für die Nazis war sie
eine jüdische Bolschewistin.

Ihre Pässe bitte.

"Gerade ist eine größere
polizeiliche Aktion eingeleitet.

In verschiedenen Stadtgegenden
vom Keller bis zum Boden,

Wohnung für Wohnung.

Eine irrsinnige Angst
bei den Kommunisten,

bei den
sozialdemokratischen Funktionären."